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Ein selbstorganisiertes Team braucht besondere Software (Beispiel Fototool)

Selbstorganisierte Teams planen ihre Arbeit selbst. Auch die Teammitglieder sind, wenn es gut läuft, selbstverantwortlich und entscheiden für sich und im Sinne des Teams, welche Aufgaben sie anpacken. Reicht das aus als Definition? Noch nicht ganz. Auch die Verbesserung der Arbeitsmethoden und die Einrichtung der eigenen Arbeitsumgebung gehören dazu. Dazu gehört die Auswahl von geeigneter Software. Die Strategien dafür sind ganz andere als in zentralistischen Organisationen.
Es ist nicht modern, vom Schreiner einen Eckschrank auf Maß bauen zu lassen. Stattdessen kaufen wir bei Ikea nur halb passende Möbel. Aber in Einzelfällen kann es sich doch lohnen, einen Schreiner zu beauftragen. Oder sogar selbst zu Säge und Bohrmaschine zu greifen.

Dies gilt gerade für Software, die selbstorganisierte Teams nutzen wollen, um ihre Arbeit zu optimieren.

Die Fotoflut

Dazu ein Beispiel aus der Praxis. Ein Ingenieurbüro war sehr gut organisiert, ein Superteam. Aber einige Abläufe knirschten noch. Zum Beispiel das Einspielen und Verwalten von Fotos.

Denn die Ingenieure nahmen auch Aufgaben der Bausteuerung bei Industriebauten wahr. Dauernd wurden dabei Fotos gemacht: auf Baustellenbesprechungen oder auch bei Kontrollfahrten wurden  der Baufortschritt oder bestimmte bauliche Mängel bzw. Mängel der Baustelleneinrichtung dokumentiert. Nach einigen Monaten gab es leicht 500 bis 800 Fotos pro Projekt.

Nicht immer wurde der Speicher der Kamera gleich nach der Rückkehr auf den Server kopiert. Manchmal sammelten sich die Fotos mehrerer Baustellenbesuche oder sogar verschiedener Baustellen auf der Karte der Kamera, bevor der Verantwortliche dazu kam, sie auszulesen.

Das führte zu erheblichem Aufwand. Die Kamera lieferte die Dateinamen in der Form IMG1058.jpg. Man musste jedes Bild im jeweiligen Projektordner ablegen. Dort gab es immer einen Unterordner „Fotos“. Manche Kollegen beließen es dort bei den kryptischen Namen, die die Kamera lieferte. Manche machten sich die Arbeit, jedes Foto umzubenennen.

Im Team war umstritten, welche Vorgehensweise besser war. War es unkollegial, die Dateinamen so zu lassen? Dann musste jeder Ingenieur, der ein bestimmtes Foto suchte („die Lücke im Bauzaun neben dem Generator“), sich mühsam durchklicken. Oder war es einfach ineffizient, alle Fotos mit Namen zu versehen? Dann musste man 100 Fotos „taggen“, um vielleicht ein einziges Foto später leichter finden zu können.

Eine ganz spezifische Anforderung für dieses ganz spezifische Team

Im Rahmen eines Dokumentenmanagement-Projekts kam die Sprache auf diese lästige Aufgabe. Schon eine schnelle Rechnung zeigte: das Benennen aller einzelnen Fotos ergab überhaupt keinen Sinn. Nur ein einziges von ca.150 Fotos wurde später wieder gebraucht. Auch wenn im Bedarfsfall ein kleiner Suchaufwand nötig wäre: jedes einzelne Foto mit einem Namen zu versehen oder gar mit Schlagworten, war viel zu aufwendig.

Das Team einigte sich auf eine Anforderung an eine passende Software, die sich als optimaler Kompromiss zwischen den verschiedenen Extremen darstellte:


Von der SD-Karte der Kamera werden die Fotos blockweise auf die Projekte verteilt. Dort erhält jedes Foto eines Blocks eine einheitliche Bezeichnung, die den Anlass beschreibt (Besprechung, Kontrollgang, Richtfest). Innerhalb ihres Blocks werden die Fotos einfach durchnummeriert. Einzelne Fotos bekommen besondere Namen („Kaputter Zaun“). Und zwar dann, wenn wahrscheinlich ist, dass dieses Foto später nochmal gesucht werden wird.

Passende Standardsoftware? Fehlanzeige.

Gab es vielleicht eine Software auf dem Markt, die diese Anforderungen abbildete? Jan machte sich daran, die Literatur zu sichten. Vor allem drei Berichte waren in den letzten Jahren erschienen, die sich gründlich mit Fotoverwaltungssoftware beschäftigten. /1, 2, 3/ Von den dort kurz vorgestellten Programmen testete Jan fünf Demoversionen. Das Ergebnis: negativ. Alle Produkte konnten sehr viel mehr als die obigen Anforderungen. Aber diese einfachen Anforderungen konnten sie nicht.

Das liegt sicher daran, dass Standardsoftware versucht, nicht nur einem Team, sondern 1.000en von Teams gerecht zu werden. Das hat eine unübersichtliche Anzahl von Varianten zur Folge, die im Programm jeweils per „Optionen-“ und „Extras“-Menüs gesteuert werden. Und keine der Varianten trifft exakt die Bedürfnisse auch nur der Hälfte der Teams.

Der Eckschrank vom Schreiner

Also boten wir dem Team an, ein kleines Tool in Excel zu programmieren, das den Anforderungen genügt. Das Tool sollte die Fotos aus dem Import-Verzeichnis in Form großer Kacheln in ein Excel-Sheet einlesen. Dort können sie komfortabel vom Anwender umbenannt werden und werden dann per Makro auf die Projekte verteilt.

Den Aufwand dafür schätzten wir auf 16 Stunden. Wenn jeder der fünf Ingenieure durch dieses Tool 5 Minuten pro Woche an Arbeitszeit spart, dann macht das 25 gesparte Minuten pro Woche. Nach 38 Wochen ist der Aufwand amortisiert.

Das Ergebnis kam gut an. Für uns lag der beste Beweis dafür darin, dass die Teamkollegen das Tool unbedingt für zu Hause haben wollten, um Urlaubsfotos zu sortieren. Auch Leser können sich das Tool samt Beschreibung von der CST-Seite herunter laden /4/.

Selbstorganisierte Software für selbstorganisierte Teams

Es gibt gegenwärtig zwei Möglichkeiten für Teams, sich passende Software für kleine, gut umrissene Verbesserungen zu verschaffen: Suche im Internet nach Free-, Share- oder bezahlbarer Standardsoftware. Dies klappt zu einem bestimmten Prozentsatz. Aber in bestimmt 20-30% der Fälle erhält man nicht das, was man braucht.

Die zweite Möglichkeit ist: die IT beauftragen, ein Tool zu erstellen. Aber die IT ist chronisch unterbesetzt, oft nicht mehr motiviert und oft auch fachlich nicht ausgebildet.

Und die hier vorgestellte Möglichkeit, nämlich dass ein externer Dienstleister („Schreiner“) das Tool programmiert, ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Vielmehr schwebt uns als Alternative vor: das Team programmiert es selbst. Zum Beispiel könnte ein anderes Team auf der Grundlage des existierenden Fototools mit wenigen Programmierkenntnissen geringfügige Änderungen in den Makros vornehmen, um es passend zu machen.

Also eine Empowerment-Strategie für die Teams, verbunden mit einer kostenlosen Plattform, auf der schon alle möglichen Open-Source-Programme als Basislösungen bereitstehen.

Wir überlegen uns, für den Herbst eine Fortbildung in VBA-Programmierung anzubieten. Damit wollen wir uns und interessierten Lesern eine Chance verschaffen, diese Philosophie mal auszuprobieren.

Anmerkungen

  • /1/ Marc Altmann: Fotoverwaltung, c´t Spezial 02/2009 – Digitale Fotografie, S. 128-131
  • /2/ Sascha Steinhoff: Fotos sortieren und verwalten mit Bilddatenbanken, c´t Digitale Fotografie, 03/2012, S. 115-141
  • /3/ Andrea Trinkwalder: Austauschbar. Foto-Workflow: auf dem Tablet sichten, mit dem PC verteilen, c´t 05/2014, S. 126-131
  • /4/ Link zum Fototool: http://www.commonsenseteam.de/downloads/

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