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Bürolabor: Ein Tool zur schnellen Erarbeitung einer Prozesslandkarte



Teamworkblog verfolgt weiter ruhelos und unnachsichtig den maximalen Nutzen für seine Leser. Heute bieten wir ein Tool zum Download an, mit dem man die Baumstruktur des Windows-Explorers in eine Excel-Datei einlesen kann. Wozu das gut ist? Zum Beispiel, um sich einen nachhaltigen Überblick über seine Prozesse zu verschaffen.

In einem vorigen Beitrag hatten wir schon ein Tool bereitgestellt, mit dem man die Altersverteilung der Dateien auf der Festplatte erstellen kann. /1/ Mit dem heute angebotenen Werkzeug kann man die Arbeitsstrukturen des eigenen Teams noch genauer analysieren.

Prozesslandkarte

Bis zu diesem Satz sind vermutlich nur Leser vorgedrungen, die noch nie ein „Prozessoptimierungsprojekt“ erduldet haben. Heerscharen engagierter Qualitätsmanagementbeauftragter haben in den letzten beiden Jahrzehnten in unzähligen Workshops mit Tausenden von Abteilungen eine gigantische Papiermenge von sog. „Prozessbeschreibungen“ erzeugt. Die landeten dann bestenfalls in irgendwelchen QM-Handbüchern, ohne irgendeinen erkennbaren Nutzen. „Schrankware“ wird so etwas genannt.

Eine Prozesslandkarte hat mit solchen Energieverschwendungsprojekten überhaupt nichts zu tun. In einer Prozesslandkarte werden die Prozesse nur identifiziert, aber nicht im Detail beschrieben. Es geht nur um die Frage, „welche Prozesse hat unser Team überhaupt?“. Also eine (möglichst geordnete) Liste aller Prozesse, für die wir zuständig sind oder denen wir in irgendeiner Weise zuarbeiten. Und eine solche, ganz schlanke und bescheidene Liste verschafft uns einen gigantischen Überblick.

Kernprozesse, Unterstützungs- und strategische Prozesse

Ein wichtiges Ziel einer Prozesslandkarte liegt in der Frage: Wann arbeitet unser Team produktiv und wann verwaltet es sich selbst?

Dazu unterscheidet man drei Prozessarten:
  • Wenn ein Prozess durch einen Kunden ausgelöst wird und für diesen Kunden ein nützliches Produkt erstellt, so spricht man von „externen Prozessen“ oder Kernprozessen. Die klassische Auftragsabwicklung gehört dazu, indirekt aber auch die Produktentwicklung.
  • Ein „Unterstützungsprozess“ liegt vor, wenn der Nutznießer des Prozesses ein Mitarbeiter oder eine Abteilung des Unternehmens selbst ist. Dazu zählen die ganzen Personalprozesse („Mitarbeiter einstellen“), Bereitstellung von IT-Leistungen, Einkaufsprozesse usw.
  • Schließlich spricht man noch von „strategischen Prozessen“. Die dienen der Sicherung der langfristigen Handlungsfähigkeit einer Organisation. Darunter fallen Themen wie Zieldefinition und Leitbildentwicklung, Controlling und Budgetplanung, Organisations- und Personalentwicklung.
Abbildung 1 zeigt die Prozesslandkarte eines Bildungsanbieters, die sich an diesem Schema orientiert.

Abbildung 1: Die oberste Ebene einer Prozesslandkarte

Wissens-Schatzgrube Ablagestruktur

Wenn man nun für das eigene Team eine Prozesslandkarte erstellen will, kann man einen Rundgang machen und jeden Kollegen mit der Frage nerven: "Was machst du eigentlich so den ganzen Tag?“ Der Nachteil dieser Methode liegt darin, dass sie fast nie zu vollständigen Ergebnissen führt. Viele Prozesse, die man nur einmal im Jahr macht („Budget planen“), werden vergessen und die vielen kleinen Prozesse („stimmt, mache ich auch noch, aber ist doch eigentlich ganz unwichtig“) ganz unbewusst herausgefiltert.

Deshalb haben wir eine systematische Vorgehensweise entwickelt, die in den meisten Fällen die Vollständigkeit des Ergebnisses garantiert und außerdem sehr schnell ist.

Die Methode im Überblick

Wir gehen davon aus, dass die Ablage Ihres Teams aus drei Dokumentenbeständen besteht:
  1. aus elektronischen Dokumenten auf der Festplatte oder dem Server;
  2. aus E-Mails in Ihrem E-Mail-Programm;
  3. oft noch aus Papierdokumenten.
Die zweite Annahme besagt: „Von diesen Dokumentenarten bilden die elektronischen Dokumente auf dem Server die vollständigste in dem Sinne, dass jeder Prozess auf diesem Medium seine ‚elektronischen Spuren hinterlässt.“ /2/

Abbildung 2: Die Liste aller Ordner vom Server des eigenen Teams einlesen
Auf dieser Grundlage haben wir eine Interviewmethode entwickelt. „Interviewmethode“ heißt: ein Mitarbeiter erstellt die Liste seiner Prozesse nie allein für sich selbst, sondern er wird immer von einem anderen interviewt. Entweder ein anderes Teammitglied oder ein ganz Außenstehender. Je fremder und „uneingeweihter“ der Interviewende ist, desto klarer hinterher das Ergebnis.

Laden Sie das Excel-Tool herunter, das wir Ihnen anbieten (Download unter EDV-Ordner Import.xlsm).

Das Vorgehen im Detail

Öffnen Sie das Excel-Tool, das in Abbildung 2 gezeigt wird, aktivieren Sie die Makros und führen Sie das Import-Makro aus. (Dazu klicken Sie auf den Button „Verzeichnis auswählen und Zählung starten“). Das Makro fragt Sie nach einem Laufwerk oder einem Verzeichnis mit Hilfe des aus Office-Programmen gewohnten Dateiauswahl-Dialogs. Sie wählen das Laufwerk oder den Ordner aus, in dem Sie und Ihr Team (bzw. Ihr Unternehmen) arbeiten.

Das Programm liest alle Ordner aus dem Dateisystem ein, die in dem oder unterhalb des ausgewählten Laufwerks bzw. Ordners liegen. Diese Liste dient Ihnen als Grundlage für das folgende Vorgehen.

Abbildung 3: Die Auswertungsspalten des Tools EDV-Ordnerimport.xls
Dann geht es in das „Interview“. Den Interviewer nennen wir „Projektleiter“ und den Interviewten „Teammitglied“. Das Teammitglied ist ein Mitarbeiter, der im importierten Serverbereich (Laufwerk, Hauptordner, …) arbeitet und sich dort auskennt.

Für das Interview wird EDV-Ordnerimport.xls in zweifacher Kopie ausgedruckt, und jeder der beiden Gesprächspartner hat den Ausdruck vor sich liegen. Oft umfasst die Liste 50 oder mehr Seiten, aber der Druckaufwand lohnt sich erfahrungsgemäß trotzdem. Der Projektleiter macht sich während des Interviews Notizen auf seinem Exemplar.

  • In den ersten Spalten A bis U ist der Dateibaum aufgelistet. Die Spalten, die nicht benötigt werden, werden vom Programm ausgeblendet.
  • In Spalte V erscheint das Datum, wann das letzte Mal eine Datei in diesem Ordner (inkl. aller Unterordner) geändert wurde. So erkennt man schnell veraltete Ordner. Ordner, in denen sich seit mehreren Jahren nichts mehr getan hat, kann man im Interview überspringen.
  • In Spalte W steht die Anzahl der Dateien im Ordner, inkl. aller Unterordner. Auch dies erleichtert es, unwichtige Ordner von wichtigen zu unterscheiden.
  • In Spalte X „Fehler“ erfolgt nur dann ein Eintrag, wenn ein Ordner lesegeschützt war. Das Programm konnte diesen Ordner dann nicht näher analysieren und musste ihn überspringen.
  • Ab Spalte Y beginnen die Spalten, die für die Interviewarbeit gedacht sind. Wenn ein Ordnername unverständlich ist oder Begriffe wie „Sonstiges“, „Allgemeines“ usw. enthält, müssen Sie als Projektleiter Ihren Interviewpartner nach dem genauen Inhalt des Ordners befragen. Für die Antwort ist die Spalte Y gedacht.
  • In Spalte Z tragen Sie die Dokumentenarten ein, die in dem elektronischen Ordner enthalten sind (V für Vorgangsdokumente, P für Prozessdokumente, W für Wissensdokumente /4/ – auch Kombinationen sind natürlich möglich).
  • In Spalte AA notieren Sie den Prozess, zu dem die Dokumente im jeweiligen elektronischen Ordner gehören. Wählen Sie vorläufige Bezeichnungen, die Ihnen gerade in den Kopf kommen, und greifen Sie noch nicht auf einen Musterordnerplan /5/ zurück – das würde den Gesprächsfaden im Interview immer wieder abreißen lassen.
Es kommt vor, dass Sie und Ihr Interviewpartner nicht gleich eine Idee haben, um welchen Prozess es sich beim elektronischen Ordner handelt könnte. Dann bietet Spalte AB die Anregung, an einen konkreten Vorgang zu denken. Was ist der angestrebte Output der Tätigkeit, bei der die angesprochenen Dokumente anfallen? Was ist der Auslöser? Worin besteht demnach der einzelne Vorgang? – Mit dieser Methode kommt man dem zugrundeliegenden Prozess oft leichter auf die Spur.

Aufwand und Nutzen einer Prozesslandkarte

Für ein solches Interview veranschlagen wir in unseren Beratungsprojekten zwischen 1:30 und 2:30 Stunden – das hängt vom Umfang der Ordnerliste und von der Komplexität der Prozesse ab.

Nach dem Interview (oder den Interviews mit verschiedenen Teammitgliedern) muss der Projektleiter aus seinen handschriftlichen Notizen in einer weiteren Excel-Tabelle eine Prozesslandkarte bilden. Dazu gehört es insbesondere, die Prozesse sinnvoll zu gruppieren und in eine Reihenfolge zu bringen. Dafür kann er sich an Musterordnerplänen orientieren. /5/

Eine Prozesslandkarte ist zuerst einmal ein Instrument der Selbstidentifikation eines Teams. „Das sind unsere Prozesse, für die sind wir verantwortlich“, gibt dem Wir-Gefühl eines Teams einen kräftigen Impuls.

Auf Grundlage der Prozesslandkarte kann man verschiedene andere Aufgaben angehen, die zu schnellen Erleichterungen der Zusammenarbeit führen:
  • eine übersichtliche Struktur der Ablage schaffen, also eine prozessorientierte Struktur auf dem gemeinsamen Server;
  • mit einfachen Mitteln (Excel, Outlook) ein gemeinsames Vorgangsmanagement im Team schaffen, also einen Überblick über die aktiven Aufgaben im Team (ein Thema, bei dem mit wenigen Ausnahmen /6/ die Teammitglieder noch individuell vor sich hin wursteln).

Anmerkungen

  • /1/ Wolf Steinbrecher: Teamworkblog-Bürolabor: Ein Excel-Tool zum Aufräumen der Festplatte, Teamworkblog, erschienen am 22. Oktober 2012, abrufbar unter http://www.teamworkblog.de/2012/10/teamworkblog-burolabor-ein-excel-tool.html
  • /2/ Es gibt mittlerweile Mitarbeiter in Unternehmen, die fast ausschließlich in Outlook arbeiten. D. h. all ihre Dokumente, Aufgaben usw. werden in einer komplexen Ordnerstruktur dort verwaltet, und keine E-Mail wird im normalen Dateiverzeichnis abgelegt. In diesen Fällen funktioniert die hier geschilderte Methode nicht. Für diese haben wir andere Tools entwickelt. Wenn einer unserer Leser daran interessiert ist, reicht eine E-Mail an den Autor.
  • /3/ Wenn Sie auf mehreren Laufwerken oder in mehreren Ordnern arbeiten, müssen Sie diesen Importlauf entsprechend mehrmals ausführen.
  • /4/ Die Begriffe „Vorgangsdokumente“, „Prozessdokumente“ und „Wissensdokumente“ sind Fachbegriffe der Prozessorientierten Ablage. Die Begriffe sind erläutert in http://www.amazon.de/Projektablage-l%C3%A4stigen-m%C3%A4chtige-Plattform-Zusammenarbeit-ebook/dp/B00JEN78WC und in http://www.amazon.de/Prozessorientierte-Ablage-Dokumentenmanagement-Projekte-Praktischer-Ablagestruktur/dp/3834915823.
  • /5/ Musterordnerpläne sind Modell-Prozesslandkarten für bestimmte Branchen (z. B. IT-Systemhäuser oder Architektenbüros oder Kommunalverwaltungen) oder bestimmte Abteilungen (Personalprozesse) dienen dazu, die Interviewergebnisse auf Plausibilität zu prüfen. Ausgewählte Musterordnerpläne kann man unter http://www.commonsenseteam.de/downloads/ anfordern.
  • /6/ Ausnahmen bilden die Teams, die schon die Gesamtheit ihrer Prozesse mit Kanban oder Scrum organisieren.

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