In einem Interview mit der ZEIT über das Thema Respekt sagt ein Psychologe sinngemäß, dass eine Führungskraft deshalb führt, weil sie etwas besser kann (/1/). Zumindest sei das die Idee. Das ist sicher nicht seine zentrale Botschaft des Artikels gewesen. Trotzdem kann ich sie so nicht stehen lassen.
Wie wirkt auf Sie dieser Satz?
Selbst wenn dies wahr wäre, bedeutet dies, dass nach mehr oder weniger objektiven Gesichtspunkte ständig überprüft werden müsste, ob die Führungskräfte noch etwas besser können als ihre Untergebenen. Ich kenne kaum Führungskräfte, die freiwillig wieder in das Team zurückgehen. Die meisten verlassen eher das Unternehmen, als öffentlich zu bekennen, dass sie etwas nicht mehr so gut können wie früher.
Weiterhin bedeutete dies einen kontinuierlichen Wettbewerb unter den Kandidaten für einen Chefposten. Wenn der Satz wahr wäre, müsste ja ständig jemand auftauchen und sagen, dass er es besser kann und deshalb Chef sein müsste. Die Auswirkungen von einem solchen Satz sind wirklich enorm.
Ich glaube, dass die Auswahl von Führungskräften mehr oder weniger zufällig ist. Führungskräfte werden kaum nach objektiven Massstäben ausgewählt. Nach dem Motto "Gleich und gleich gesellt sich gern" holen Führungskräfte solche Personen nach, mit denen sie sich gut verstehen. Zudem wird selten ein Entscheider jemanden befördern, mit dem er ständig im Clinch liegt. Er hat einfach keine Lust auf dieses Theater, selbst wenn der Kandidat (oder die Kandidatin natürlich) besser wäre. Neben Geld ist (vermeintliche) Macht über andere auch ein beliebtes Lockmittel, um jemanden in sein Unternehmen zu holen.
Zumindest in IT-Unternehmen sehe ich es oft, dass Leute für ihre fachlichen Leistungen in der Vergangenheit mit einem Titel belohnt werden sollen. Als Führungskraft sind dann aber ganz andere Kompetenzen gefordert.
Also, dieser Satz wirft ein völlig falsches Licht auf die Führungskultur. Ich will hier gar nicht auf die Frage eingehen, ob und wie viele Führungskräfte wir überhaupt brauchen. Stattdessen will das Thema anders betrachten. Was macht eine gute Führungskraft aus?
Gem. G. P. Shchedrovitskys Definition ist die Person eine gute Führungskraft, die es schafft, andere für ihre Ziele zu begeistern (/2/). Damit kann sie natürlich etwas besser als andere. Denn sonst würden die Folgenden ja einer anderen Person folgen. Sie ist also nicht fachlich besser als ihre Untergebenen, sondern sie ist nur attraktiver. Die Führungskraft ist sogar darauf angewiesen, dass ihr fachlich bessere Personen folgen, denn sonst könnte sie ihre Ziele ja nicht erreichen.
deine Kritik an der Theorie der Bessermacher kann ich voll und ganz unterschreiben.
Aber deinem Lösungsansatz – Führungskräfte sollen „begeistern“ – kann ich nur bedingt folgen. Seit dem Erfolg von Apple und der folgenden Hyperbegeisterung für Steve Jobs grassiert wieder das Wunschbild des charismatischen Führers.
Ich teile deine Einschätzung, dass Teams Ziele brauchen, um voll motiviert zu arbeiten, und dass sie das Gefühl brauchen, alle im Team ziehen dafür an einem Strang. Aber müssen ihnen diese Ziele denn unbedingt von Führungskräften vorgegeben werden, oder können sie diese Ziele nicht auch aus sich selbst heraus entwickeln? Ich kenne im ehrenamtlichen Bereich Gruppen (Senioren-Wohnprojekte), die ganz begeistert für ihr Projekt arbeiten und ganz ohne charismatischen Führer auskommen. Und auch in unserer beider gemeinsamem Unternehmen, Common Sense Team, ist mir der Mangel an Führung noch nicht schmerzlich aufgefallen.
Meinen Blogartikel zum gleichen Thema findet ihr unter http://www.teamworkblog.de/2014/06/blog-rueda-mussen-fuhrungskrafte-alles.html
Einzig, tut der Interviewte das nicht. Stattdessen zielt seine Aussage auf den Respekt ab, den Menschen untereinander empfinden oder eben nicht. Aus diesem leitet er die soziale Hierarchie ab. In unseren Firmen vermengt sich der soziologische Über-/ Unterordnungsprozess mit der formalen Zuordnung (Organigramm). Konflikte entstehen in den Abweichungen dieser beiden Rangordnungen. Ist der festgelegte Chef auch soziologisch anerkannt, läuft es. Wenn nicht - gibt es Ärger.
Meine Erfahrungen bestätigen die von Jan, dass man Führungskräfte eher willkürlich oder ggf. nach dem auswählt, was auf dem Papier gut aussieht. Es ist anstrengender und verlangt andere Kompetenzen, die sozialen Beziehungsmuster zu berücksichtigen. Denn damit geht die Einbindung der zukünftig Geführten einher. Das deutet Wolf in seinem Kommentar an.
Dem charismatischen Führer – lassen wir diesen Ausdruck mal zeitgeschichtlich mit Blick auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts auf uns wirken – stehe ich ebenso kritisch gegenüber wie Wolf.
Bezogen auf Jans Artikel und Wolfs Kommentar stelle ich allerdings fest: Es ist ein Denkfehler „Besser“ auf die Kompetenz zu reduzieren. Und es ist eine riskante Komplexitätsreduktion, van Quaquebekes Idee, dass Hierarchie auf Respekt beruht (resultierend aus der Annahme, dass mein Gegenüber etwas besser kann als ich), einfach wegzuwischen.
Meinen Blogartikel zum gleichen Thema findet ihr unter http://affenmaerchen.wordpress.com/2014/06/10/blog-rueda-leute-die-was-besser-konnen/
Eine der wichtigsten Fähigkeiten ist allerdings auch, zu akzeptieren, dass ein anderer Job auf mich wartet als in einer Fachkarriere. Als Führungskraft gilt es nämlich nur mehr der Hierarchie und den dort herrschenden Strukturen zu dienen. Insofern stimmt es schon: Der Sinn von Hierarchie ist, dass es Leute gibt, die etwas besser können, als andere. Hauptsächlich ist das: Am besten sinnstiftend oder mit Zwang zu delegieren, Entscheidungen herbeizuführen oder selbst entscheiden, zu kontrollieren und viel Kritik einzustecken. Und: Das alles ohne Einschränkung zu akzeptieren.
Meinen Blogartikel zum gleichen Thema findet ihr unter http://www.teamworkblog.de/2014/06/blog-rueda-wir-machens-besser-der-sinn.html
Anmerkungen:
Wie wirkt auf Sie dieser Satz?
"Die Idee von Hierarchie ist ja, dass es Leute gibt, die etwas besser können als andere und diese dann entsprechend führen." (Niels Van Quaquebeke, /1/)Für mich fühlt sich dieser Satz falsch an. Selbst, wenn wir ihn zeitlich eingrenzen: "Zum Zeitpunkt, als festgelegt wurde, wer dieses Team leitet, hatten die Entscheider den Eindruck, dass die ausgewählte Führungskraft etwas besser kann als die anderen und die anderen deshalb führt."
Selbst wenn dies wahr wäre, bedeutet dies, dass nach mehr oder weniger objektiven Gesichtspunkte ständig überprüft werden müsste, ob die Führungskräfte noch etwas besser können als ihre Untergebenen. Ich kenne kaum Führungskräfte, die freiwillig wieder in das Team zurückgehen. Die meisten verlassen eher das Unternehmen, als öffentlich zu bekennen, dass sie etwas nicht mehr so gut können wie früher.
Weiterhin bedeutete dies einen kontinuierlichen Wettbewerb unter den Kandidaten für einen Chefposten. Wenn der Satz wahr wäre, müsste ja ständig jemand auftauchen und sagen, dass er es besser kann und deshalb Chef sein müsste. Die Auswirkungen von einem solchen Satz sind wirklich enorm.
Ich glaube, dass die Auswahl von Führungskräften mehr oder weniger zufällig ist. Führungskräfte werden kaum nach objektiven Massstäben ausgewählt. Nach dem Motto "Gleich und gleich gesellt sich gern" holen Führungskräfte solche Personen nach, mit denen sie sich gut verstehen. Zudem wird selten ein Entscheider jemanden befördern, mit dem er ständig im Clinch liegt. Er hat einfach keine Lust auf dieses Theater, selbst wenn der Kandidat (oder die Kandidatin natürlich) besser wäre. Neben Geld ist (vermeintliche) Macht über andere auch ein beliebtes Lockmittel, um jemanden in sein Unternehmen zu holen.
Zumindest in IT-Unternehmen sehe ich es oft, dass Leute für ihre fachlichen Leistungen in der Vergangenheit mit einem Titel belohnt werden sollen. Als Führungskraft sind dann aber ganz andere Kompetenzen gefordert.
Also, dieser Satz wirft ein völlig falsches Licht auf die Führungskultur. Ich will hier gar nicht auf die Frage eingehen, ob und wie viele Führungskräfte wir überhaupt brauchen. Stattdessen will das Thema anders betrachten. Was macht eine gute Führungskraft aus?
Gem. G. P. Shchedrovitskys Definition ist die Person eine gute Führungskraft, die es schafft, andere für ihre Ziele zu begeistern (/2/). Damit kann sie natürlich etwas besser als andere. Denn sonst würden die Folgenden ja einer anderen Person folgen. Sie ist also nicht fachlich besser als ihre Untergebenen, sondern sie ist nur attraktiver. Die Führungskraft ist sogar darauf angewiesen, dass ihr fachlich bessere Personen folgen, denn sonst könnte sie ihre Ziele ja nicht erreichen.
Kommentar von Wolf Steinbrecher zum Artikel von Jan:
Lieber Jan,deine Kritik an der Theorie der Bessermacher kann ich voll und ganz unterschreiben.
Aber deinem Lösungsansatz – Führungskräfte sollen „begeistern“ – kann ich nur bedingt folgen. Seit dem Erfolg von Apple und der folgenden Hyperbegeisterung für Steve Jobs grassiert wieder das Wunschbild des charismatischen Führers.
Ich teile deine Einschätzung, dass Teams Ziele brauchen, um voll motiviert zu arbeiten, und dass sie das Gefühl brauchen, alle im Team ziehen dafür an einem Strang. Aber müssen ihnen diese Ziele denn unbedingt von Führungskräften vorgegeben werden, oder können sie diese Ziele nicht auch aus sich selbst heraus entwickeln? Ich kenne im ehrenamtlichen Bereich Gruppen (Senioren-Wohnprojekte), die ganz begeistert für ihr Projekt arbeiten und ganz ohne charismatischen Führer auskommen. Und auch in unserer beider gemeinsamem Unternehmen, Common Sense Team, ist mir der Mangel an Führung noch nicht schmerzlich aufgefallen.
Meinen Blogartikel zum gleichen Thema findet ihr unter http://www.teamworkblog.de/2014/06/blog-rueda-mussen-fuhrungskrafte-alles.html
Kommentar von Gebhard Borck zu diesem Artikel von Jan Fischbach:
Würde Herr van Quaquebeke meinen, dass sich „besser sein“ auf die Kompetenz von Menschen reduzierte, sähe ich dieselben Schwierigkeiten wie Jan.Einzig, tut der Interviewte das nicht. Stattdessen zielt seine Aussage auf den Respekt ab, den Menschen untereinander empfinden oder eben nicht. Aus diesem leitet er die soziale Hierarchie ab. In unseren Firmen vermengt sich der soziologische Über-/ Unterordnungsprozess mit der formalen Zuordnung (Organigramm). Konflikte entstehen in den Abweichungen dieser beiden Rangordnungen. Ist der festgelegte Chef auch soziologisch anerkannt, läuft es. Wenn nicht - gibt es Ärger.
Meine Erfahrungen bestätigen die von Jan, dass man Führungskräfte eher willkürlich oder ggf. nach dem auswählt, was auf dem Papier gut aussieht. Es ist anstrengender und verlangt andere Kompetenzen, die sozialen Beziehungsmuster zu berücksichtigen. Denn damit geht die Einbindung der zukünftig Geführten einher. Das deutet Wolf in seinem Kommentar an.
Dem charismatischen Führer – lassen wir diesen Ausdruck mal zeitgeschichtlich mit Blick auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts auf uns wirken – stehe ich ebenso kritisch gegenüber wie Wolf.
Bezogen auf Jans Artikel und Wolfs Kommentar stelle ich allerdings fest: Es ist ein Denkfehler „Besser“ auf die Kompetenz zu reduzieren. Und es ist eine riskante Komplexitätsreduktion, van Quaquebekes Idee, dass Hierarchie auf Respekt beruht (resultierend aus der Annahme, dass mein Gegenüber etwas besser kann als ich), einfach wegzuwischen.
Meinen Blogartikel zum gleichen Thema findet ihr unter http://affenmaerchen.wordpress.com/2014/06/10/blog-rueda-leute-die-was-besser-konnen/
Kommentar von Edgar Rodehack zu obigem Artikel:
Jans Ausführungen kann ich gut folgen. Obwohl ich weniger an das Prinzip Willkür als eher an das Prinzip Zufall glaube. Wer kennt nicht solche „Karrieren“ von Personen, die deshalb Führungskraft werden, weil sie schlicht schon länger da sind und sich bislang halbwegs passabel geschlagen haben. Ob Sie aber Führungsqualitäten haben, wird vielleicht gelegentlich weniger ernsthaft geprüft als man sich das wünschen würde. Weil die Voraussetzungen dafür unklar sind? Man weiß es nicht. Dabei sind diese Voraussetzungen ja nun wirklich ziemlich klar. Unter anderem sind es natürlich die von Jan und Wolf angesprochenen Fähigkeiten: Menschen für Ziele zu begeistern und Entscheidungen gut herbeizuführen. Und weil es sich um Fähigkeiten handelt, lässt sich Führung tatsächlich lernen. Mit entsprechenden Talent geht es auch hier einfacher.Eine der wichtigsten Fähigkeiten ist allerdings auch, zu akzeptieren, dass ein anderer Job auf mich wartet als in einer Fachkarriere. Als Führungskraft gilt es nämlich nur mehr der Hierarchie und den dort herrschenden Strukturen zu dienen. Insofern stimmt es schon: Der Sinn von Hierarchie ist, dass es Leute gibt, die etwas besser können, als andere. Hauptsächlich ist das: Am besten sinnstiftend oder mit Zwang zu delegieren, Entscheidungen herbeizuführen oder selbst entscheiden, zu kontrollieren und viel Kritik einzustecken. Und: Das alles ohne Einschränkung zu akzeptieren.
Meinen Blogartikel zum gleichen Thema findet ihr unter http://www.teamworkblog.de/2014/06/blog-rueda-wir-machens-besser-der-sinn.html
Anmerkungen:
- /1/ Inge Kutter: Mehr Respekt, bitte! Ein Interview mit Niels Van Quaquebeke, Die ZEIT, Ausgabe Nr. 20/2014, erschienen am 08.05.2014, abrufbar unter http://www.zeit.de/2014/20/interview-respekt-job
- /2/ Jan Fischbach: Teams brauchen Führung, Teamworkblog, erschienen am 19. Mai 2014, abrufbar unter http://www.teamworkblog.de/2014/05/teams-brauchen-fuhrung.html
Kommentare
Kommentar veröffentlichen