Direkt zum Hauptbereich

Braucht ein Projekt Marketing? - Wieso ich Projektmarketing im Moment für den falschen Ansatz halte

Ich habe mich vor kurzem an einer Umfrage zum Thema Projektmarketing beteiligt. Beim Beantworten der Fragen habe ich überlegt, was ich von Projektmarketing halte. Sicherlich wird im Projekt immer zu wenig kommuniziert. Aber brauchen wir wirklich ein eigenes Marketing? Ich denke, im Moment haben wir in Projekten andere Probleme, um die wir uns erst kümmern sollten.

Sehen Sie sich mal das Marketing für die Elbphilharmonie an: http://www.elbphilharmonie.de/elbphilharmonie-hamburg.de. Das ist gut doch gutes Projektmarketing.

"Projektmarketing ist die Präsentation und werbende Darstellung des Projekts innerhalb der beteiligten Unternehmen und ggf. in der Öffentlichkeit. Wichtigstes Ziel des Projektmarketings ist die Sicherung von Finanzmitteln und Ressourcen zur Projektabwicklung und die Vorbereitung der anschließenden Vermarktung des erzielten Ergebnisses." (/1/)
Für mich ist eine wichtige Frage: Wer kümmert sich darum? Wenn sich der Projektauftraggeber darum kümmert, bin ich sofort ein großer Fan von Projektmarketing. Denn das gehört schließlich zu seinen Hauptaufgaben. Wenn das Thema an eine Marketingstelle wegdelegiert wird, kann es keinen sinnvollen Beitrag leisten. Wie passt für Sie die Webseite der Elbphilharmonie zur Projektsituation (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/elbphilharmonie-bericht-des-untersuchungsausschusses-nennt-schuldige-a-942078.html)?

Ich will hier gar nicht auf dem Projekt herumhacken. Die Beteiligten dort haben sicher genug Ärger. Aber mir fällt gerade kein Projekt ein, das eine gute Marketingseite hat.

Erst Projektziele klären, dann folgt das Marketing

Ich habe in verschiedenen Unternehmen folgende Erfahrungen im Umgang mit Projekten gemacht:

1. In über 80 % der Fälle ist gar nicht im Detail geklärt, was überhaupt erreicht werden soll. Bei PRINCE2 sprechen wir von Business Case oder einer anderen Rechtfertigung für das Projekt. Der Business Case oder die Rechtfertigung sollte zu verschiedenen Punkten im Projekt überprüft werden, damit man weiß, ob sich das Projekt noch lohnt. Bei Scrum ist es ein großer Fortschritt, dass es einen Product Owner gibt, der für den wirtschaftlichen Erfolg aktiv die Verantwortung übernimmt. Das Thema "Was wollen wir erreichen und wie merken wir, dass wir es es erreicht haben" kehrt immer wieder bei den Blogbeiträgen von Glen Alleman (/2/).

2. Selbst, wenn es klare Ziele gibt, ist den meisten Leuten gar nicht klar, was die Natur eines Projekts überhaupt ist. Projekte bedeuten im Wesentlichen Unsicherheit in verschiedenen Bereichen (Neuheit/Anforderungen, Technologie/Methoden, Komplexität/Integration, Zeitdruck). Ein gutes Projektmanagement reagiert angemessen auf diese Unsicherheit. Aber ich sehe häufig, dass das gedankliche Projektprofil nicht zum echten Profil passt. Zum Beispiel versuchen Projektleiter bei Produktentwicklungsprojekten erst alle Anforderungen zu erfassen, bevor das Projekt gestartet wird. Das geht vom Profil her gar nicht. Über Projektprofile habe ich ja schon öfter etwas geschrieben (/3/). Am Profil lässt sich auch der Kommunikations- und Informationsbedarf erkennen.

3. Gerade im IT-Umfeld wird zu wenig an die Betroffenen Personen gedacht. Im Projektmanagement scheint das Modell "Hausbau" vorzuherrschen. Man macht einen Plan, managt die Lieferanten und versucht den Plan durchzuziehen. Das Modell berücksichtigt aber gar nicht die Anwender. Und so wundern sich die Entwickler, dass es zu Änderungswünschen und Korrekturen kommt. Besser wäre ein Modell "Party". Bei einer Party denkt man automatisch zuerst an die Gäste und ihre Wünsche. Erst danach plant man die Details (Ort, Essen, Musik etc.). Über das Partymodell haben wir ebenfalls etwas geschrieben (/4/).

Was hat das mit Projektmarketing zu tun?

In den meisten Fällen passt das ganze Projektsetting schon vom Ansatz nicht (kein Business Case, falsches Projektprofil, kein Denken an die Stakeholder). Hier laufen also schon grundsätzlich viele Dinge schief. Diese können Sie mit Projektmarketing nicht einfangen. Zumindest nicht, wenn Sie sie als eine Art Unterstützungsfunktion betrachten, die nachgelagert gestartet wird.

Was soll denn das Marketing kommunzieren, wenn es von den Entscheidungsträgern nicht die richtigen Informationen bekommt? Hat das Marketing überhaupt Zugang zu den Entscheidungsträgern?

Und schlimm wäre es, wenn das Projektmarketing die falschen Vorstellungen im Projektmanagement noch zementiert. Stellen Sie sich vor, die Projektleitung meint, in einem Produktentwicklungsprojekt einen festen Termin vorzugeben, bis zu dem alle Anforderungen verbindlich vorzuliegen haben. Laut Projektprofil ist das gar nicht möglich. Ist dann das Projektmarketing schuld, wenn sich keiner an diese Vorgabe hält oder wenn sich Anforderungen doch noch ändern?

Ist das Projektmarketing überhaupt in der Position, den Projektleiter auf ein falsches Projektprofil hinzuweisen? Wahrscheinlich wird er sich das verbitten.

Gutes Projektmanagement vermarktet sein Vorhaben automatisch

Projekte werden nicht genehmigt sondern finanziert. Das bedeutet, dass sich der Projektverantwortliche (Auftraggeber, Product Owner, Geschäftsführer) zuerst darum kümmert, wer Interesse am Projektergebnis hat und sich von diesen Leuten eine Finanzierungszusage holt (siehe Abb. 1). Das kann zu längeren Verhandlungen und zum Aufnehmen von neuen bzw. zum Ändern von Anforderungen führen.
Abb. 1: Projekt = Geld für Ergebnisse
Im Verlauf des Projekts muss er sich darum kümmern, dass diese Leute so informiert werden, dass sie auch im Boot bleiben. Bei Scrum und Kanban ist das ganz einfach: Bewusst werden in regelmäßigen Abständen (1 Woche, 1 Monat) Ergebnisse geliefert.

Bei sehr großen Projekten muss man sich phasenweise überlegen, was Ergebnisse sind und wie z. B. die Öffentlichkeit involviert wird. Dazu gibt es gute Tipps bei Flyvbjerk, die aus meiner Sicht nicht nur für Großprojekte gelten (/5, Section 11/).

Anmerkungen

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wie beschreibt man einen Workshop für eine Konferenz?

Konferenzen bieten immer ein gutes Forum, um sein Wissen und seine Erfahrungen zu teilen. Was für die Vortragenden selbstverständlich scheint, ist für die Besucher:innen oft unverständlich. Wie können Vortragende ihren Workshop in 2-3 Sätzen beschreiben, damit die Besucher:innen schnell einschätzen können, er sich für sie lohnt?

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Der Softwareeisberg, die Softwarepyramide - Wie sprechen wir über neue Software?

Software ist aus den Geschäftsprozessen vieler Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Sie verwaltet Kunden- und Produktdaten. Sie automatisiert Abläufe und verhindert Fehler. Aber Software veraltet. Was machen wir, wenn wir Unternehmenssoftware erneuern müssen? Von den ersten Konzepten bis zum ersten Release ist es ein weiter Weg, mit vielen Entscheidungen. Wie sprechen wir über diese Entscheidungen?

Transparenz als Schlüssel zum Erfolg: 20 Reflexionsfragen für moderne Organisationen

Transparenz ist das Herzstück erfolgreicher Teams. Sie schafft Vertrauen und fördert Zusammenarbeit. Wenn alle Zugang zu den notwendigen Informationen haben, können sie fundierte Entscheidungen treffen und gemeinsam Lösungen erarbeiten. Dies führt zu höherer Effizienz, schnelleren Entscheidungsprozessen und besseren Arbeitsergebnissen. Transparenz ist mehr als ein Schlagwort – es gilt, sie greifbar zu machen, ein gemeinsames Verständnis davon zu entwickeln und es in die Praxis umzusetzen. Wie das gelingt und welche Vorteile es für Euer Team und Eure Organisation bringt, erkunden wir im Folgenden.

Die Stimmung in Deinem Team drehen? So wird’s gemacht.

Oder ähnlich. Mir gefiel der Titel. Vor ein paar Tagen hat mich jemand angesprochen und von einem, wohl etwas frustrierenden, virtuellen Teammeeting erzählt. Die Teammitglieder zogen lange Gesichter, schauten grimmig in ihre Kameras. Ich habe mich dann gefragt, was ich tun würde, wenn ich in so einer Situation wäre. In diesem Blogpost beschreibe ich ein paar Tipps mit denen Du die Stimmung in Deinem Team (und Deine eigene) verbessern kannst.

Die Microsoft Teams-Not-To-Do-Liste

Viele hoffen, dass es  für die Einrichtung von Microsoft Teams  den Königsweg gibt, den perfekten Plan – doch den gibt es leider (oder glücklicherweise?) nicht. Genauso wenig, wie es jemals einen Masterplan für die Organisation von Gruppenlaufwerken gab, gibt oder je geben wird. Was gut und vernünftig ist hängt von vielen Faktoren und ganz besonders den Unternehmensprozessen ab. Sicher ist nur eines: Von alleine entsteht keine vernünftige Struktur und schon gar keine Ordnung. Dafür braucht es klare Entscheidungen.

Agilität ist tot. Ausgerechnet jetzt?

Agilität wird zurückgefahren, Hierarchien kehren zurück. Doch ist das wirklich der richtige Weg in einer Welt, die immer unberechenbarer wird? Oder erleben wir gerade eine riskante Rolle rückwärts?

Effektive Dokumentation in IT-Teams: Herausforderungen und Best Practices

  Effektive Dokumentation in IT-Teams: Herausforderungen und Best Practices In der heutigen Informationsgesellschaft ist eine effiziente Dokumentation essenziell für den Erfolg von IT-Teams. Dennoch kämpfen viele Unternehmen mit veralteten, überladenen oder unauffindbaren Informationen. Dieser Artikel beleuchtet die Herausforderungen der Dokumentation, zeigt Best Practices wie den „Clean-Up Day“ und zieht Parallelen zu politischen Initiativen zur Bürokratieentlastung. Strukturierte und gepflegte Dokumentation steigert die Effizienz, reduziert Fehler und verbessert die Zusammenarbeit. Der Mut zur Löschung irrelevanter Inhalte ist dabei ein zentraler Erfolgsfaktor.

Die Digitale Transformation braucht Tempo. Also auch Konversation in Ruhe statt nur hektische Meetings

„Gesprächsrunde“ (Quelle: siehe unten) Mir sind in letzter Zeit zwei Trends aufgefallen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Zum einen gibt es vermehrt Beiträge zur Meetingkultur , vor allem auf Online-Konferenzen bezogen. Zum anderen taucht das Thema „ Widerstand der Mitarbeiter gegen Changeprojekte“ wieder einmal stärker auf. Die beiden Phänomene sind gar nicht so unterschiedlich. Ihnen gemeinsam ist die Unzufriedenheit mit unproduktiven Vorgehensweisen, mangelndem Tempo, Stockungen in Prozessen und Projekten. Kurz, beide adressieren verschiedene Aspekte des Gefühls „wir sind im Hamsterrad, und es geht wieder einmal nichts voran“. Um diese beiden Trends geht es in diesem Artikel. Und eine Einladung zu einem Event „Impuls in der Mittagspause“, in dem Stephanie Borgert eine konkrete Alternative vorstellt. Zeitfresser Meetings Dazu hat Jessica Turner Ende 2024 ein interessantes Buch veröffentlicht „Online-Meetings mit Fokus und Mehrwert“ (alle Quellen unten). Der...

Leisten! Leisten? Leisten!

Warum opfern wir so viel für den Job, selbst wenn es uns nicht wirklich weiterbringt? Ein paar blasphemische Gedanken zu einem für uns überlebenswichtigen Thema.