Direkt zum Hauptbereich

Wann sind Sie mit der Arbeit fertig? Wie man seine Abarbeitungsgeschwindigkeit (velocity) ermittelt?

Oft nimmt das Schätzen der Bearbeitungsdauer von Aufgaben soviel Zeit ein, dass man die Arbeit gleich erledigen könnte. Vielleicht schätzen wir deshalb die Aufgaben nicht vorher. Da wir keine Schätzung haben, können wir unseren Fortschritt nicht dagegen prüfen. Wir können zwar schnell herausfinden, wie viel Zeit wir schon gebraucht habe. Aber wir wissen nicht, wie viel Zeit wir noch brauchen. Gibt es denn keinen schnelleren Weg, um die Länge von Aufgaben zu schätzen?

Über das Blog von Glen Alleman bin ich auf ein kurzes E-Book von Steve Bockman gestoßen. Steve gehört zu den Erfindern des relativen Schätzens. Der Autor erzählt dort die Geschichte von einem beliebigen Projekt.

Lesen Sie Predictability

Bud ist der Held der Geschichte und ist Manager in einer Softwareabteilung. Ein neues Projekt steht an und er holt sich von seinen Kollegen Abschätzungen zur Dauer von einzelnen Projektaufgaben. Zur Planung summiert er alle Aufgaben und deren Länge auf. Wie zu erwarten war, liegt der Abgabetermin vor dem Ende aller Arbeiten. Zudem verzögern sich die Arbeiten gleich zu Beginn usw.
Abb. 1: Predictability (Covernutzung mit freundlicher Genehmigung des Autors)


Bud sucht nach einem Weg, Überblick über den tatsächlichen Fortschritt zu bekommen. Dabei lernt er die Methode des relativen Schätzens und Story Points kennen. Er nutzt dies zur Projektsteuerung. Und am Ende wird natürlich alles gut. Die Geschichte ist kurzweilig zu lesen. Mir gefallen die vielen Vergleiche und Geistesblitze der Hauptfigur. Viele Szenen kommen den IT-Kollegen sicher bekannt vor.

Das Buch können Sie bei Amazon als E-Book für 7,66 EUR kaufen: http://www.amazon.de/Predictability-Steve-Bockman-ebook/dp/B00BI4PVJ2/

Kennen Sie die Methode des relativen Schätzens? 

Wenn nicht, will ich sie kurz beschreiben. Wir denken, wir können die Länge von Aufgaben gut schätzen. Stimmt aber nicht. Wir sind sogar ziemlich schlecht darin, irgendwelche absoluten Zahlen zu schätzen. Wissen Sie genau, wie groß Ihr Kollege ist? Was wir aber gut können, ist vergleichen. Wenn zwei Kollegen neben Ihnen stehen, können Sie mit Leichtigkeit sagen, wer von beiden größer ist.

Beim Schätzen von Aufgaben nutzen wir daher nicht die absolute Länge, sondern wir vergleichen nur noch die Aufgaben untereinander. Nehmen wir an, Sie haben 10 Aufgaben vor sich. Wahrscheinlich brauchen Sie zwischen einer und 12 Stunden pro Aufgabe. Statt jetzt jede Aufgabe einzeln abzuschätzen, sortieren wir die Aufgaben nach der vermuteten relativen Bearbeitungsdauer. Aufgabe C dauert vielleicht nicht so lang, wie Aufgabe J. Aber Aufgabe H dauert länger als C und J und Aufgabe F dauert ungefähr genauso lang wie Aufgabe H usw.

Nun vergeben wir Punkte, und zwar die Werte 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21 und vielleicht noch 34. Nehmen wir an, sie kommen zu folgende Reihenfolge:
  • je 3 Punkte: A, C, I
  • je 5 Punkte: B, J
  • je 8 Punkte: F, H
  • je 13 Punkte: D, E
  • 21 Punkte: G
  • Summe: 82 Punkte
Nun beobachten Sie, wie viele Punkte Sie tatsächlich pro Woche schaffen, zum Beispiel 18. Dann wissen Sie, dass Sie 4,5 Wochen brauchen, bis alle Aufgaben erledigt sind. Praktisch, oder?

Anmerkungen

  • /1/ Bockman, Steve: Predictability : A Simple Approach to Creating Reliable Project Schedules. Ort: CreateSpace Independent Publishing Platform, 2013.

Kommentare

  1. Wieso werden denn die Punktwerte 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34 vergeben, warum keine anderen? Sind das empirische, 'typische' Aufgabengrößen?

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Lieber Thomas, das ist eine Fibonacci-Reihe. Sie eignet sich besonders gut zum Schätzen. Eine Aufgabe mit 5 entspricht soviel Aufwand wie eine 3 und 2 zusammen usw. Zudem ist eine 5 etwas weniger als das Doppelte einer 3, eine 8 ist etwas mehr als das Doppelte einer 3 usw. Zum Schätzen reichen ungefähre Größenklassen.

      LG, Jan

      Löschen
    2. Hallo Jan,

      danke für die Erklärung. Das mit der Fibonacci-Reihe hätte mir ja auch auffallen können ;-)

      Viel Grüsse,
      Thomas

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wie lassen sich Ergebnisse definieren? - Drei Beispiele (WBS, CBP und BDN)

Ich habe schon darüber geschrieben, warum das Definieren von Ergebnissen so wichtig ist. Es lenkt die Aufmerksamkeit des Projektteams auf die eigentlichen Ziele. Aber was sind eigentlich Projektergebnisse? In diesem Beitrag stelle ich drei Methoden vor, um leichter an Ergebnisse zu kommen.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Wie Agilität den Kundennutzen steigert - Einige Argumente für Berater:innen

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit fragen sich viele, ob agile Beratung noch eine Zukunft hat. Die Antwort liegt in der konsequenten Orientierung am Kundennutzen. Qualität setzt sich durch, wenn sie messbare Verbesserungen bei Umsatz, Kosten und Leistungsfähigkeit bewirkt, anstatt sich in Methoden und zirkulären Fragen zu verlieren. Dieser Artikel zeigt, wie agile Beratung nachhaltige Veränderungen in Unternehmen schafft und warum gerade jetzt gute Berater:innen gebraucht werden, um Organisationen widerstandsfähiger zu machen.

Warum eine Agile Transformation keine Reise ist

Die agile Transformation wird oft als eine Reise beschrieben. Doch dieser Vergleich kann viele Unternehmen in die Irre führen oder Bilder von unpassenden Vergleichen erzeugen. Transformationen sind keine linearen Prozesse mit einem klaren Ziel, sondern komplexe und dynamische Entwicklungen. Dieser Artikel zeigt, warum Agilität kein Weg mit einem festen Endpunkt ist.

Kleine Organisationsveränderungen, die direktes Feedback erzeugen

Große Veränderungen sind in einer Organisation schwer zu messen. Oft liegt zwischen Ursache und Wirkung ein langer Zeitraum, sodass die Umsetzer:innen nicht wissen, was genau gewirkt hat. Hier ist eine Liste mit kleinen Maßnahmen, die schnell etwas zurückmelden.

Agile Leadership – Führst du noch oder dienst du schon?

Die Arbeitswelt verändert sich. Und das spüren nicht nur Führungskräfte, sondern vor allem Mitarbeitende. Immer mehr Menschen hinterfragen den Sinn ihrer Arbeit, erwarten Respekt, Vertrauen und eine Unternehmenskultur, die echte Zusammenarbeit ermöglicht. Studien wie die Gallup-Studie 2025 oder die EY-Jobstudie zeigen: Der Frust am Arbeitsplatz wächst – und mit ihm die Unzufriedenheit mit der Führung. Höchste Zeit, umzudenken. Genau hier setzt agile Führung an. 1. Warum agile Führung heute entscheidend ist  Klassische Führung – hierarchisch, kontrollierend, top-down – funktioniert immer weniger. Die Zahlen sind eindeutig:  Laut Gallup fühlen sich nur noch 45 % der deutschen Beschäftigten mit ihrem Leben zufrieden. Fast jede dritte Kündigung erfolgt wegen der Führungskraft. Nicht das Gehalt, sondern mangelnde Wertschätzung, fehlendes Vertrauen und ein schlechtes Arbeitsumfeld treiben Menschen aus Unternehmen.  Agile Führung bietet eine Alternative, die auf Vertrauen, Selbs...

Ent-Spannen statt Platzen: Erste Hilfe für mehr Vertrauen und Resilienz im Team

Zwei Themen die mir in den letzten Wochen immer wieder über den Weg laufen sind Vertrauen und Resilienz. Vertrauen als das Fundament für gemeinsame Zusammenarbeit und Resilienz als die Fähigkeit, Herausforderungen, Stress und Rückschläge zu bewältigen und gestärkt daraus hervorzugehen.  In dem Blogpost möchte ich ein paar Erste-Hilfe Interventionen teilen, die zu mehr Vertrauen und Resilienz im Team führen können - gerade wenn die Emotionen hochkochen und es heiss her geht im Team. Die „Mist-Runde“: Ärger Raum geben. In konfliktbeladenen oder belasteten Teams kann es eine große Herausforderung sein, eine offene Kommunikation und ein respektvolles Miteinander zu fördern. Eine einfache, aber äußerst effektive Methode, um Spannungen abzubauen, ist die „Mist-Runde“ . Diese Intervention, die ich zuerst bei Veronika Jungwirth und Ralph Miarka kennengelernt habe, gibt den Teilnehmern einen geschützten Raum, in dem sie ihre Frustrationen und negativen Gedanken ohne Zensur äußern können un...

Microsoft Lists: mit Forms und Power Apps komfortabel mobil arbeiten

In meinem Kundenkreis sind viele Menschen, die den Arbeitsalltag nicht vorwiegend auf dem Bürostuhl sitzend verbringen, sondern "draußen" unterwegs sind. Vielleicht in Werkstätten oder im Facility-Management. Es ist so wichtig, dass die Schnittstellen zu den Abläufen im Büro gut abgestimmt sind. Microsoft 365 hat so einiges im Baukasten, man muss es nur finden und nutzen.  In diesem Artikel spiele ich ein Szenario durch, das auf Microsoft Lists, Forms und - für die Ambitionierteren - Power Apps setzt.

Selbstbewertungsfragen für den Alltag in Arbeitsgruppen aus Sicht von Mitarbeitenden

Welche Fragen können wir Mitarbeiter:innen stellen, um herauszufinden, ob agiles Arbeiten wirkt? Es gibt bereits eine Menge an Fragebögen. Aber ich bin nicht immer zufrieden damit.