Das hat mich bei der Recherche erstaunt: Teamarbeit-Bashing ist ein beliebter Sport in allen möglichen Managertrostzeitschriften und Ratgeberjournalen. Das Konzept von Teamwork wird wieder und wieder neu begraben und mit „ganz neuen Argumenten“ widerlegt. Die Hauptvorwürfe: Teamarbeit sei viel ineffizienter als die Arbeit des Einzelkämpfers. Und nur ideologisch begründet. Und und und … Und ein Anlass für Teamworkblog, mal wieder gegen den Strom zu schwimmen.
Maliks zentrale Behauptung lautet, „dass alle wirklich großen Leistungen der Menschheit in Wahrheit die Leistung von Einzelnen sind.“ Zum Beleg führt er an, alle Musiker, Dichter und bildenden Künstler seien Einzelkämpfer gewesen. „Alle Gedichte, Balladen und Epen, die gesamten Werke der Weltliteratur in allen Epochen, sind von Einzelpersonen geschrieben worden.“ /2/
Deshalb, so die Schlussfolgerung Maliks, „schlage ich vor, gelegentlich die eine oder andere Arbeitsgruppe nicht einzusetzen, auf das eine oder andere Team zu verzichten und die manchmal effizienteste Arbeitsform zu wählen: Die einzelne kompetente Person, wenn man sie mit einem klaren Auftrag ungestört arbeiten lässt.“
Hoppla. Das Letztere ist ein überraschender Gedankensalto. Wo kommt auf einmal der „klare Auftrag“ her? Welcher der genialen Einzelschöpfer der „gesamten Werke der Weltliteratur“ hat denn im Auftrag gedichtet? Und wenn ein Kunstwerk ein Auftragswerk war, wie z. B. Goyas Porträts der königlichen Familie, dann überdauerte es die Zeit gerade dort, wo es dem „klaren Auftrag“ (oft im Verdeckten) zuwiderhandelte.
Die Frage an Prof. Malik aber muss lauten, ob seine Frage überhaupt noch zeitgemäß ist.
Viele Aufgabenstellungen in der heutigen Arbeitswelt (durchaus nicht alle!) funktionieren nicht mehr nach dem Schema „Vorgesetzter gibt Anweisung – Mitarbeiter führt aus“. Schon gar nicht funktionieren diese Arbeiten in der klaren Reihenfolge „Am Anfang die Planung – danach die Umsetzung“. Vielmehr müssen bei Aufgaben, die durch Unsicherheit gekennzeichnet sind, im Verlauf der Umsetzung die anfänglichen Planvorgaben modifiziert werden, neue Entscheidungen sind zu treffen – und dabei muss der Mitarbeiter weitgehend selbstständig handeln können.
Kann er dies nicht, sondern muss sich dauernd der fortdauernden Akzeptanz des Vorgesetzten versichern, verliert sich die Arbeit in endlosen bürokratischen Schleifen. Werden Aufgaben dann nicht nur von einzelnen Mitarbeitern, sondern von Expertenteams erledigt, verschiebt sich die Machtbalance im Alltag noch stärker zuungunsten des Vorgesetzten.
Die Rolle des Vorgesetzten ändert sich. Er bleibt Auftraggeber, aber aus seiner hierarchischen Höherstellung wird eher eine Kundenrolle dem auftragnehmenden Team gegenüber. Vielen Führungskräften bereitet das Bauchschmerzen, und sie verschaffen den Maliks unter den Autoren ihre Auflagen.
Liest man Maliks Eingangszitat noch einmal aufmerksamer, so fragt er gar nicht nach Effizienz von Teams. Sondern seine wichtigste Frage lautet, ob Führungskräfte teamfähig sein müssten (und seine tröstliche Botschaft lautet: „Nein, müsst ihr nicht.“)
Für mich viel wichtiger ist, dass es mir in Teamarbeit in der Regel viel besser geht als in Einzelarbeit vor dem Bildschirm (die ich natürlich auch ab und zu gerne tue, auf die Mischung kommt es an). Wenn ich jemanden fragen kann, wenn ich jemanden belehren kann, wenn ich mit neuen Ideen prahlen kann, wenn mir dann jemand Antwort gibt (meist ernüchternd) – dann fühle ich mich in lebendiger Arbeit gut aufgehoben.
Meine Vorurteile wurden bestätigt durch das Buch von Martin Seligman, der die soziale Orientierung des Homo sapiens sapiens als Ursache für die Entwicklung seiner Gehirngröße ortet:
Diesen Blogartikel habe ich als Einzelner geschrieben. Aber im Kopf immer im Dialog mit Jan, Klaus, Conny, Martin und anderen. Leider gelang es mir nicht, ihn so zu schreiben, dass Malik nicht beleidigt ist. Dazu erwies sich mein Cerebrum als nicht groß genug - oder vielleicht nicht artig.
Teamarbeit ist unmodern
Genau wie dsa Teamworkblog es tut (selbstverständlich zu Recht), so auch die Teamkritiker (bloß eben zu Unrecht): Sie stilisieren sich zum Kämpfer gegen den Mainstream.„Teamarbeit, so hört man oft, sei die einzige Arbeitsform, mit der man die komplexen Probleme der heutigen Zeit mit all ihren Vernetzungen lösen könne. Folgerichtig wird von Führungskräften verlangt, dass sie teamfähig seien. Teamfähigkeit wird als eine Kerndimension der sogenannten sozialen Kompetenz verstanden. Teams und Teamarbeit werden unisono derart positiv gesehen, dass ich – gewissermaßen sportiv – ein bisschen ‚dagegenhalten‘ möchte.“ /1/Der das schreibt, Fredmund Malik, ist kein ganz Unbekannter, sondern war als Schüler von Peter F. Drucker immerhin Professor an der Uni St. Gallen und ist Gründer des dortigen Management Zentrums.
Maliks zentrale Behauptung lautet, „dass alle wirklich großen Leistungen der Menschheit in Wahrheit die Leistung von Einzelnen sind.“ Zum Beleg führt er an, alle Musiker, Dichter und bildenden Künstler seien Einzelkämpfer gewesen. „Alle Gedichte, Balladen und Epen, die gesamten Werke der Weltliteratur in allen Epochen, sind von Einzelpersonen geschrieben worden.“ /2/
Deshalb, so die Schlussfolgerung Maliks, „schlage ich vor, gelegentlich die eine oder andere Arbeitsgruppe nicht einzusetzen, auf das eine oder andere Team zu verzichten und die manchmal effizienteste Arbeitsform zu wählen: Die einzelne kompetente Person, wenn man sie mit einem klaren Auftrag ungestört arbeiten lässt.“
Hoppla. Das Letztere ist ein überraschender Gedankensalto. Wo kommt auf einmal der „klare Auftrag“ her? Welcher der genialen Einzelschöpfer der „gesamten Werke der Weltliteratur“ hat denn im Auftrag gedichtet? Und wenn ein Kunstwerk ein Auftragswerk war, wie z. B. Goyas Porträts der königlichen Familie, dann überdauerte es die Zeit gerade dort, wo es dem „klaren Auftrag“ (oft im Verdeckten) zuwiderhandelte.
Der Vorgesetzte wird zum Kunden
Maliks wirkliche Frage lautet also: Wem kann ich als Vorgesetzter besser meine „klaren Aufträge“ erteilen? Wer wird meinen Vorgaben diensteifriger nachkommen? Der Einzelne oder das Team?Die Frage an Prof. Malik aber muss lauten, ob seine Frage überhaupt noch zeitgemäß ist.
Viele Aufgabenstellungen in der heutigen Arbeitswelt (durchaus nicht alle!) funktionieren nicht mehr nach dem Schema „Vorgesetzter gibt Anweisung – Mitarbeiter führt aus“. Schon gar nicht funktionieren diese Arbeiten in der klaren Reihenfolge „Am Anfang die Planung – danach die Umsetzung“. Vielmehr müssen bei Aufgaben, die durch Unsicherheit gekennzeichnet sind, im Verlauf der Umsetzung die anfänglichen Planvorgaben modifiziert werden, neue Entscheidungen sind zu treffen – und dabei muss der Mitarbeiter weitgehend selbstständig handeln können.
Kann er dies nicht, sondern muss sich dauernd der fortdauernden Akzeptanz des Vorgesetzten versichern, verliert sich die Arbeit in endlosen bürokratischen Schleifen. Werden Aufgaben dann nicht nur von einzelnen Mitarbeitern, sondern von Expertenteams erledigt, verschiebt sich die Machtbalance im Alltag noch stärker zuungunsten des Vorgesetzten.
Die Rolle des Vorgesetzten ändert sich. Er bleibt Auftraggeber, aber aus seiner hierarchischen Höherstellung wird eher eine Kundenrolle dem auftragnehmenden Team gegenüber. Vielen Führungskräften bereitet das Bauchschmerzen, und sie verschaffen den Maliks unter den Autoren ihre Auflagen.
Liest man Maliks Eingangszitat noch einmal aufmerksamer, so fragt er gar nicht nach Effizienz von Teams. Sondern seine wichtigste Frage lautet, ob Führungskräfte teamfähig sein müssten (und seine tröstliche Botschaft lautet: „Nein, müsst ihr nicht.“)
Teamarbeit ist Teil unserer zerebralen Struktur
Wenn es in Wirklichkeit um eine Machtverschiebung in Organisationen geht, wollen auch wir die Effizienzfrage gar nicht an die erste Stelle setzen. Vielleicht ist ja Teamarbeit gar nicht effizienter als Einzelarbeit. Vielleicht kann man sie einfach nicht vergleichen, weil sie für unterschiedliche Aufgaben gelten. Vielleicht schreibt man Gedichte besser als Einzelner, während man sich so bei der Mammutjagd schwerer tut. Aber das ist für mich gar nicht das entscheidende Argument.Für mich viel wichtiger ist, dass es mir in Teamarbeit in der Regel viel besser geht als in Einzelarbeit vor dem Bildschirm (die ich natürlich auch ab und zu gerne tue, auf die Mischung kommt es an). Wenn ich jemanden fragen kann, wenn ich jemanden belehren kann, wenn ich mit neuen Ideen prahlen kann, wenn mir dann jemand Antwort gibt (meist ernüchternd) – dann fühle ich mich in lebendiger Arbeit gut aufgehoben.
Meine Vorurteile wurden bestätigt durch das Buch von Martin Seligman, der die soziale Orientierung des Homo sapiens sapiens als Ursache für die Entwicklung seiner Gehirngröße ortet:
„Wozu ist das große menschliche Gehirn da? Vor etwa 500.000 Jahren verdoppelte sich das Schädelvolumen unserer hominiden Vorfahren von 600 Kubikzentimeter auf seine heutigen 1.200 Kubikzentimeter. Die gängige Erklärung für all dieses zusätzliche Gehirn lautet, dass es uns erlaubt, Werkzeuge und Waffen zu verfertigen. Man muss wirklich schlau sein, um die physische Welt instrumentell zu bearbeiten. Der britische theoretische Psychologe Nick Humphrey hat eine Alternative vorgestellt: Das große Gehirn ist ein gesellschaftlicher Problemlöser, kein physischer Problemlöser. Wenn ich mich mit meinen Studenten unterhalte, wie löse ich dann das Problem, dass ich etwas sagen will, das Margaret für lustig hält, das Tom nicht beleidigt und das Derek überzeugt, dass er Unrecht hat, ohne allzusehr darauf herumzuhacken? Das sind extrem komplizierte Probleme – Probleme, die Computer nicht lösen können, obwohl sie Waffen und Werkzeuge im Handumdrehen entwerfen können. Aber Menschen können soziale Fragestellungen lösen – und tun es täglich und stündlich. Unser massiver präfrontaler Cortex verwendet ständig seine Milliarden von Verknüpfungen, um soziale Möglichkeiten zu simulieren und dann die optimale Handlung auszuwählen. Das große Gehirn ist eine Beziehungs-Simulations-Maschine, und es wurde von der Evolution selektiert genau für diese Funktion, harmonische und effiziente menschliche Beziehungen zu entwerfen und umzusetzen.“ /3/Die Zusammenarbeit in Gruppen liegt uns, fordert uns heraus, spornt uns an. Ich bin sicher, dass wir in Team auch produktiver sind (wenn wir es sein dürfen). Aber ich wäre auch für Teamarbeit, wenn das nicht immer der Fall wäre.
Diesen Blogartikel habe ich als Einzelner geschrieben. Aber im Kopf immer im Dialog mit Jan, Klaus, Conny, Martin und anderen. Leider gelang es mir nicht, ihn so zu schreiben, dass Malik nicht beleidigt ist. Dazu erwies sich mein Cerebrum als nicht groß genug - oder vielleicht nicht artig.
Anmerkungen
- /1/ Professor Dr. Fredmund Malik: „Der Mythos vom Team“, Managerseminare Nr. 33/1998, S. 44-47
- /2/ Was, nebenbei, nur bedeutet, dass Malik zum Beispiel die Arbeitssymbiose von Goethe und Schiller nicht kennt ebenso wenig wie die Entstehungsgeschichte des "West-östlichen Diwan". Auch wie Brechts Stücke (von denen man halten kann, was man will) auf der Bühne, im Schauspielerteam, entstanden (wie vermutlich auch die Shakespeares).
- /3/ Martin F. P. Seligman: „Flourish: A Visionary New Understanding of Happiness and Well-being“, Free Press, 20111, zitiert nach delanceyplace.com vom 26.06.2012 „why our brains are large“. (eig. Üb.)
Lieber Wolf,
AntwortenLöschenvielen Dank für dieses leidenschaftliche Plädoyer für Teamarbeit, das ich als Bekenntnis zur ZUSAMMENarbeit lese. In der Debatte um Teams und deren Effizienz hört man solche Stimmen leider selten und wenn, dann nur leise.
Edgar