Direkt zum Hauptbereich

Paranoide Gelassenheit oder der erste Schritt zum souveränen Auftritt

Gerne werde ich als Schauspieler gefragt, wie man zu einem souveränen Auftritt kommt. Da gibt es irgendjemanden in irgendeiner Abteilung die so wahnsinnig souverän ist und einem die Butter vom Brot nimmt. Vor der haben die einen Angst. Andere fühlen sich klein. Und die nächsten wollen ihr jetzt mal kräftig kontra geben. Andere wiederum wollen sich besser bei eigenen Präsentationen fühlen. Oder manche meinen, dass sie in ihrer neuen Führungsposition ihre Mitarbeiter von ihren Anliegen besser überzeugen möchten. Wollen Sie auch souverän wirken?

Die Nachfrage nach Präsenz- und Rhetoriktrainings ist daher groß. Ein grundlegendes Problem solcher Trainings ist oft, dass den Teilnehmern ein äußerliches Verhalten übergestülpt wird. Dieses neue Verhalten glaubwürdig zu übernehmen, erfordert ein gewisses Maß an Begabung, das eigentlich allein ausreichen würde, um souveräner zu werden. Wer diese Begabung nicht mitbringt, kann sich ein äußerliches Rhetorik- oder Präsenztraining gleich schenken (/1/).

Wie gelangen wir zu einem souveränen Auftritt?


Versuchen wir zunächst das Gegenteil. Wie würden Sie einen Paranoiden spielen? Um objektiv an die Sache heran zu gehen, würden Sie vielleicht zuerst paranoides Verhalten recherchieren: In Büchern würden Sie über Paranoide lesen oder in psychiatrischen Instituten ihr Verhalten beobachten. Anschließend würden Sie ihr Verhalten imitieren. Diese Technik ist objektiv, weil Sie Ihre objektive Sichtweise und Ihre Gefühle über Paranoide behalten.

Die subjektive Methode funktioniert umgekehrt. Statt des Verhaltens recherchieren Sie die Sichtweise des Paranoiden. Plötzlich sehen Sie um sich herum überall Gefahren lauern, die Menschen um sie herum werden zu hinterhältigen, bösartigen Gegenspielern. Jede Nuance ihres äußerlichen Verhaltens interpretieren Sie als feindlich.
  • Die lachenden Kollegen in der Kantine: sie lachen über Sie! 
  • Eine wichtige E-Mail, die nicht bei Ihnen angekommen ist, blieb nicht versehentlich im Postausgang Ihres Konkurrenten stecken - natürlich hat er sie zurückgehalten. 
Jegliches Gebaren lässt sich so interpretieren. Der Körper wird Ihrer inneren Haltung folgen und Ihre Umwelt wirkungsvoll abschrecken. Mission erfüllt: Ihre Paranoia ist nun überzeugend!

Robert Cohen, Gründer des Fachbereichs Schauspiel an der Universität Irvine in Kalifornien, nennt  diese Charakterisierung durch Interpretation des Verhaltens anderer Reziproke Charakterisierung:
  • Paranoia spielt man also dadurch, dass man die anderen als heimtückisch und arglistig charakterisiert.
  • Arroganz kann man spielen, indem man die anderen als Idioten, Tölpel oder Schwächlinge charakterisiert.
  • Wer geizig wirken möchte, sollte die Gier in seinen Mitmenschen entdecken.
  • Einen bescheidenen Menschen erkennt man daran, dass er andere als mächtig, brillant oder weise ansieht.
  • Apathie spielt man, indem man die anderen als unbedeutend, langweilig oder als Menschen charakterisiert, die nichts anzubieten haben.
  • Herzlichkeit indem Sie Ihre Mitmenschen als liebenswert, lustig und an Ihnen interessiert annehmen.
Wer sein souveränes, selbstbewusstes Auftreten entwickeln möchte, sollte voraussetzen, dass andere seine Qualitäten bewundern, seine Absichten schätzen und davon ausgehen, dass sie seine Handlungen unterstützen.

Anmerkungen

  • /1/ Wie oft haben wir nicht über einen schwäbelnden Vertriebler geschmunzelt, der gerade von seinem Verkaufstraining zurückgekehrt ist und auf einmal anfängt, überkorrekt zu „sprech-chennnn“. Oder die Abteilungsleiterin, die ihren Rücken überstreckend auf dem Flur stolziert und ihre Kollegen mit ihrer physischen Präsenz erschlägt. Die Glaubwürdigkeit ist dahin. 
  • Mehr zum Thema Reziproke Charakterisierung bei Cohen, Robert: Acting Power. Berkshire: McGraw-Hill Companies, Incorporated, 1978. 
  • Mehr zum Thema Innere Haltung & Körpersprache bei Spies, Stefan: Der Gedanke lenkt den Körper: Körpersprache - Erfogsstrategien eines Regisseurs. Hamburg: Hoffmann und Campe, 2010.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das neue Outlook - One Outlook - erster Eindruck

Microsoft hat ein Problem: Outlook ist nicht gleich Outlook. Da ist das gute alte Outlook in der Desktop-Version. Das ist das, womit fast alle von uns im Alltag arbeiten und worüber ich hier schon oft berichtet habe. Outlook auf dem MAC sieht aber anders aus. Outlook auf Mobilgeräten sowieso. Dann gibt's noch Outlook im Web. Kein Wunder, dass Microsoft das alles entwirren, verschlanken und vereinheitlichen möchte. Gelingt es? Hier die interessantesten Funktionen des neuen Outlooks . 

Kategorien in Outlook - für das Team nutzen

Kennen Sie die Kategorien in Outlook? Nutzen Sie diese? Wenn ja wofür? Wenn ich diese Fragen im Seminar stelle, sehe ich oft hochgezogene Augenbrauen. Kaum jemand weiß, was man eigentlich mit diesen Kategorien machen kann und wofür sie nützlich sind. Dieser Blogartikel stellt sie Ihnen vor.

Und jetzt alle zusammen! Teams - OneNote - Aufgaben - To Do

Ein Meeting jagt das nächste. Sich da nicht zu verzetteln, wird  im Zeitalter virtueller Besprechungen  noch anspruchsvoller. Kein Wunder, dass  im Zusammenhang mit Microsoft 365  zwei Fragen besonders häufig auftauchen: Wie dokumentiert man Besprechungen gut? Was hilft, offene Aufgaben nachzuhalten? Eine gute Lösung: Das in MS Teams integrierte OneNote-Notizbuch als gemeinsame Plattform auch für den Aufgabenüberblick zu nutzen.

E-Mail-Vorlagen gemeinsam nutzen (Outlook)

Mittlerweile wird praktisch alle Routine-Korrespondenz in Outlook erledigt. Was liegt da näher, als ein gutes Set von Vorlagen zu erstellen und diese gemeinsam in Team zu nutzen? Leider hat Microsoft vor diesen – an sich simplen – Wunsch einige Hürden gebaut.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

"Denn sie wissen nicht was sie tun ...! Freigeben und teilen in OneDrive und SharePoint und per E-Mail

Neuerdings können Sie bei Ihren E-Mails entscheiden, ob Sie den Anhang als Datei (Kopie) anhängen wollen oder einen Link senden. Doch was kann dieser Link? Wie sicher ist er? Wer kann was damit tun? Lesen Sie hier was sinnvoll ist und was weniger.

Outlook-Aufgabenliste: bitte nicht die Aufgaben des ganzen Teams!

Am Tag der Arbeit kommt eine Lösung, nach der ich schon so oft gefragt wurde: Wie schaffe ich es, dass meine Outlook-Aufgabenliste nur meine eigenen Aufgaben anzeigt und nicht auch die E-Mails, die meine Kollegen gekennzeichnet haben oder Aufgaben, die einfach in einem gemeinsamen Postfach stehen?

Das Ubongo Flow Game

Spiele bieten eine gute Gelegenheit, zeitliche Erfahrungen zu verdichten und gemeinsam zu lernen. Karl Scotland und Sallyann Freudenberg haben im Mai 2014 das Lego Flow Game veröffentlicht. Wir haben die Spielidee übernommen, aber das Spielmaterial gewechselt. Statt Legosteinen benutzen wir Material aus Grzegorz Rejchtmans Ubongo-Spiel. Hier präsentieren wir die Anleitung für das Ubongo Flow Game.

Nie wieder Ärger mit Besprechungsserien in Outlook

Erstellen auch Sie Besprechungsserien in Outlook? Ärgern auch Sie sich manchmal darüber, wenn Sie etwas zu ändern haben? Falls nicht, versenden Sie entweder keine wiederkehrenden Outlook-Besprechungen (Serienterminen). Oder Sie ändern nie etwas daran. Dann ist dieser Artikel nichts für Sie. Lesen Sie aber bitte weiter, falls Sie sich schon immer mal gefragt haben, ob es eine Lösung gibt?