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Killerphrasen-Folge 3: Wir müssen die Mitarbeiter dort abholen, wo sie sind.

Es gibt Sätze, die bringen Teams auf die Palme. In diesem Beitrag nehmen wir einen Satz unter die Lupe, der Veränderungen im Wege steht.
Bitte schicken Sie mir Ihre Killerphrasen per Kommentar oder per E-Mail. Vielleicht können wir hier zusammen solche Sätze besser verstehen und Argumente dagegen sammeln.

Eine Lieblingssituation für Berater: Ein Berater hat sich in Absprache mit dem Auftraggeber ein neues Konzept ausgedacht. Bei der ersten Prüfung durch einen anderen Mitarbeiter kommt leichter Gegenwind. Der Berater blickt im Glauben an die Rückendeckung zum Projekt hinüber zum Auftraggeber. Stattdessen kommt ein Satz wie: "Wir müssen die Leute dort abholen, wo sie stehen.". Übersetzung: "Ich kann nicht zu dem Konzept stehen, das wir abgesprochen haben. Ich bin nicht bereit, mich für die nötigen Veränderungen einzusetzen."

Woher kommt dieser Satz?

Jede Veränderung bedeutet ein Bruch mit den bisherigen Abläufen und Beziehungen. Was gestern noch erlaubt war, soll heute unterbunden werden.

Wenn jemand den neuen Regeln nicht folgt, kann das mehrere Gründe haben:
  • Er kennt die neuen Regeln gar nicht. Er weiß nicht, was er konkret ändern soll.
  • Er versteht den Sinn oder die Bedeutung der neuen Regeln nicht.
  • Er hat Angst, den Kollegen vor den Kopf zu stoßen oder ihn vermeintlich zurecht zu weisen.
  • Er hat den Eindruck, dass die Veränderung zu groß ist. Sie besteht aus zu vielen Schritten oder einzelne Schritte nehmen zu viel Zeit in Anspruch.
  • Es hat aus anderen Gründen Angst. Es wäre aber nicht politisch oder sozial korrekt, diese Gründe zu nennen.
Wenn jemand ausdrückt, dass die Mitarbeiter dort abgeholt werden müssen, wo sie stehen, impliziert das einen großen Abstand (/1/).

Was wäre eine gute Antwort?

In den ersten beiden Teilen dieser Folge habe ich dargelegt, dass ich mich immer erst um ein gemeinsames Problemverständnis kümmern muss, bevor ich mit Lösungsvorschlägen um die Ecke komme. Bei dieser Killerphrase ist aus meiner Sicht das Lösung zu weit vom Auftraggeber weg. Wir mögen das gleiche Problemverständnis haben. Aber wir haben hier noch nicht das gleiche Lösungsverständnis.

Sobald ich diese Killerphrase höre, muss ich charmant die Gegenfrage stellen, wie groß Auftraggeber und Mitarbeiter den Abstand zur Realisierung des Lösungsvorschlags einschätzen: "Wie schätzen Sie Ihre Position und die der Mitarbeiter (Kunden, ...) auf einer Skala von 1 bis 10 ein. 10 bedeutet: Wir haben den Lösungvorschlag schon umgesetzt. 1 bedeutet: Der Lösungvorschlag ist völlig unrealistisch; wir können ihn nicht umsetzen."

Ein Unterschied von drei Stufen oder mehr (z. B. Auftraggeber schätzt eine 7 für sich und eine 4 für seine Mitarbeiter) bedeutet, dass ich wieder zur Planung zurück gehen muss. Eine weitere Umsetzung ist sinnlos. Die ersten vier o. g. Gründe kann ich abarbeiten. Nachdem Ziel und Sinn geklärt sind, hilft es oft, gemeinsam die nächsten konkreten Schritte zu erarbeiten (/2/).

Ein einfaches Raster, um Veränderungen zu planen, ist das Switch-Modell von den Heath-Brüdern (/3/).

Hier geht es zu anderen Killerphrasen: http://www.teamworkblog.de/search/label/Killerphrasen 

Anmerkungen

  • /1/ Aus dieser Killerphrase kann man auch eine gewisse Arroganz ableiten: "Ich bin schon hier, aber die anderen [abwertende Personenbezeichnung] sind erst dahinten. Und wenn ich sie nicht in meiner Großzügigkeit von dort abhole, dann werden sie immer im Tal der Unwissenden bleiben." Als Berater steht es mir nicht zu, Arroganz zu bewerten. Ich kann sie auch nicht ändern. Vielleicht kann ich an den Altruismus appellieren: "Wenn Sie so weiter machen, schaden Sie den anderen."
  • /2/ Der fünfte Grund ist schwer. Wenn jemand etwas verhindert, weil dann transparent wird, wie schlecht seine Abteilung arbeitet, komme ich mit Argumenten nicht voran. Ich könnte ihn direkt fragen, ob er befürchtet, dass sein Chaos dann offensichtlich wird. Ich hätte dann den Respekt der anderen Mitarbeiter, die das schon seit Jahren wissen. Aber den Auftrag wäre ich dann los.
  • /3/ siehe Heath, Chip ; Heath, Dan ; Gittinger, Antoinette: Switch : Veränderungen wagen und dadurch gewinnen!. 1. Aufl.. Frankfurt am Main: FISCHER Scherz, 2011.

Kommentare

  1. Ich finde, man muss die Leute immer dort abholen wo sie sind... anders sind change projekte ja gar nicht möglich (im rahmen einer systemisch-konstruktivistischen Einstellung)...

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  2. Ich denke, der Satz wird hier falsch interpretiert. Speziell die beschriebene Situation zeigt für mich genau etwas anderes. Demnach bedeutet die angebliche Killerphrase stattdessen etwas sehr konstuktives:
    "Es tut mir leid, ich habe bei meinem Vortrag / Vorschlag ein bestimmtes Vorwissen oder eine bestimmte Haltung des Publikums vorausgesetzt, die eine Zustimmung zu meinem Vorschlag möglich machen sollte. Ihre Ablehnung zeigt mir, dass ich mich geirrt habe und wir über die Vorbedingungen sprechen sollten, damit ich entweder verstehe, warum Sie nicht ohne weiteres zustimmen können, oder aber Sie Ihre Vorbedingungen einvernehmlich mit mir als hier nicht relevant sehen."
    Die Auslegung in diesem Blog-Artikel ist ziemlich bösartig. Man kann ja fast jeden Satz als Killerphrase missbrauchen, der in anderen Situation wahr ist wie z.B. "Ich habe jetzt ein anderes Meeting". Es hängt vom Sprecher ab, ob er es so gemeint hat, wie Sie es auslegen. Dabei würde ich mich als Teilnehmer auf mein Bauchgefühl in diesem Meeting verlassen. Das kann man jedenfalls nicht verallgemeinern.

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    Antworten
    1. Hallo Anonym,

      die von Ihnen vorgeschlagene Sichtweise finde ich auch sehr konstruktiv. Und Sie haben recht: Es kommt auf den Kontext oder die Situation an.

      Meine Auslegung ist sicher bösartig und entsprang aus meiner Erfahrung, dass sich manche Auftraggeber wider besserer vorheriger Absprache mit dieser Killerphrase aus der Affäre ziehen wollen. Wenn es Absprachen im Projektteam gibt, erwarte ich, dass sich Entscheidungsträger der Frage stellen und die Entscheidung nicht einfach ins Ungewisse verschieben.

      Beste Grüße, Jan

      Löschen
  3. Hallo,

    ich würde Jan und auch die Kategorie Killerphrase durchaus unterstützen. Ein Kollege von mir quittiert den Satz immer mit dem Kommentar: "Ist es schon wieder soweit, dass wir Menschen abholen müssen!" und der Link zur dunkelsten Zeit des letzten Jahrhunderts ist dabei durchaus von ihm gewollt.

    Auch wenn ich nicht in diese Radikalität gehen möchte, stimme ich inhaltlich sowohl Jan, wie auch meinem Kollegen zu.
    Jemanden abzuholen bedeutet nicht nur, dass man ihm -zumindest was die Planung angeht- voraus ist, sondern darüber hinaus auch schon weiß, wo dieser Jemand hin will.
    Letzteres ist doch ziemlich anmaßend!

    Ich bevorzuge an der Stelle darauf hinzuweisen, dass ich ggf. weiß, wo ich hinmöchte, im Willen auch dorthin zu gelangen, mit jemand anderem zusammenkomme und sich dann die Gelegenheit ergibt, eine Strecke des Wegs gemeinsam zu gehen.

    Das bürstet wohl dem klassischen Firmenverständnis gegen den Strich, kommt unserem Leben allerdings sehr Nahe. Doch was ist schon das Leben in einer maßgeblich planwirtschaftlich dominierten Oligarchenwirtschaft ;)?!

    Grüße
    Gebhard

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  4. Ich kann hier dem Verfasser nur zustimmen, anders kann ich mir dies nicht erklären.

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