Direkt zum Hauptbereich

Gantt-Diagramme sind toll, nur nicht für Projekte

In vielen Projekten werden heute sog. Gantt-Diagramme benutzt, um den Fortschritt von Aktivitäten zu beschreiben. Gantt hatte sich aber etwas anderes dabei gedacht. Sie sind eher als Burn-Down-Charts zu verstehen. Das Teamworkblog hat sich mal die Quellen genauer angesehen.

Wussten Sie, dass wir heute eigentlich von Adamiecki- statt von Gantt-Charts reden müssten? Karol Adamiecki hatte schon Ende des neunzehnten Jahrhunderts eine Planungshilfe unter dem Namen „Harmonogramm“ erfunden. Leider hatte Adamiecki kein Blog und konnte seine Idee erst 1931 veröffentlichen (/1/). Da hatte ihm Henry Gantt schon den Rang abgelaufen. Seine Ideen wurden ab 1922 – Gantt war längst tot - durch ein Buch von Wallace Clark populär. Er veröffentlichte darin Artikel aus den Jahren 1910-1915 mit Gantts Ideen und ihrer Anwendung im Ersten Weltkrieg (/2/).

Die Gantt-Diagramme waren innovativ. Sie zeigten geplante und fertige Arbeit in einem Zeitraster. Gantt wollte die Produktivität von Maschinen und Menschen optimieren. Deshalb schrieb Gantt neben dem üblichen Balken auch den Grund für eine fehlende Vollauslastung. Mit diesen Diagrammen konnte jeder Mitarbeiter schnell sehen, wie gut das Auslastungsziel erreicht wurde (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Ein Diagramm von Henry Gantt
Auch wenn Gantt-Diagramme von vielen Projektverantwortlichen gern eingesetzt werden, sind sie nutzlos für Projekte; zumindest in ihrer üblichen Anwendung.

Warum machen wir Projekte? Wir wollen ein bestimmtes Ergebnis erreichen (eine Brücke, ein Stück Software oder eine große Party). Denn wir versprechen uns davon einen Nutzen (einen Fluss überqueren, Informationen verarbeiten oder einen geselligen Abend mit Freunden genießen).

Der Fokus der Projektmanager muss auf Ergebnissen und ihrem Nutzen liegen. Viele Projekt-Methoden unterstützen diesen Gedanken:
  • Jeder Sprint in Scrum muss eine nutzbare Funktionalität liefern.
  • In PRINCE2 finden wir die „produkt-basierte Planung“.
  • Auch „Work Breakdown Structures“ bilden, trotz des Namens, „Deliverables“ ab.
  • Ebenso sind Quality Gates ergebnisorientiert, denn um dem Tor passieren zu können, muss das Ergebnis eine gewisse Qualität haben.
Aber wie werden Gantt-Diagramme üblicherweise benutzt? Sie zeigen Aktivitäten. Wer tut was, wann und wie lange? Sie verfolgen auch den Fortschritt, in dem man den Balken mit einem weiteren Strich ausfüllt. Darüber hinaus kann man auch den Ressourcenverbrauch für die Buchführung oder zukünftige Planung ableiten (/3/).

Nun kommt der Haken: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Aktivitätsdauer und dem Ergebnis. Ich kann zwar in meinen Plan eintragen, dass schon 50% der vorgesehenen Zeit verbraucht wurden. Damit bin ich aber nicht sicher, ob auch 50% des Ergebnisses fertig ist. Paretos Prinzip, Parkinsons Gesetz oder das Studentensyndrom erklären uns den Abstand zwischen verbrauchter Zeit und dem echten Ergebnis. Deshalb ist Aktivitätsplanung und ihre Nachverfolgung mit Gantt-Diagrammen Zeitverschwendung.

Gantts ursprüngliche Diagramme zeigen aber Ergebnisse auf. In dem Buch von 1922 stellen die Autoren verschiedene Diagramme dar, die auf zwei Grundarten reduziert werden können:
  1. „Machine Record Charts“ oder „Load Charts“, welche die Anzahl von produzierten Waren gegenüber dam Potenzial messen, und
  2. "Man Record Charts“, welche die prozentuale Zielerreichung einer Person abbilden.
Die Diagramme eignen sich gut für fließbandartige Arbeit, wie das Erstellen von Autoteilen oder die Bearbeitung von Waffenbestellungen. Sie sind im Wesentlichen „Burn-Down Charts“ in einer anderen Form.

Gantt wollte den Betrieb messen. Er wollte gar keine Projektarbeit steuern. Projekte sind komplexer, innovativer und vor allem unvorhersehbarer. Die Anzahl von produzierten Autoteilen kann nicht sinnvollerweise mit der Anzahl von Code-Zeilen verglichen werden. Die Menge von Code sagt nichts über die Qualität der Software aus. Man kann an der Menge allein auch nicht erkennen, ob die Software die geschäftlichen Anforderungen erfüllt.

Wenn wir heute Planungswerkzeuge benutzen, haben wir Annahmen im Kopf, die uns nicht bewusst sind:
  • Wir machen keinen Unterschied zwischen Projektarbeit und Betriebsarbeit.
  • Wir unterscheiden nicht zwischen Aktivitäten und Ergebnissen.
  • Die Zeit für die Wissensarbeit von heute ist viel variabler als ein Fließband am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts.
Mit Gantt-Diagrammen können wir höchstens die Produktivität von Personen messen. Aber wir müssen Ergebnisse kontrollieren, nicht Personen! Kurz gesagt: Wir wenden mit unseren Planungswerkzeugen eine 100-Jahre-alte Idee falsch an.

Es gibt Konzepte, die besser für die Projektplanung geeignet sind. Produktchecklisten zum Beispiel zeigen die wichtigsten Termine mit einem Produkt auf: wann die Arbeit startet, wann das Produkt fertig sein sollte und die wichtigsten Meilensteine wie Qualitätsprüfungen (/4/). Ein weiteres Beispiel sind „Burn-Down Charts“, die zwar die Geschwindigkeit des Teams messen, aber in Hinblick auf die Produkterstellung.

In den kommenden Wochen schreiben wir noch einiges über Produktchecklisten und Burn-Down Charts, und auch noch über weitere interessante Funde aus dem Buch von Mr. Henry Gantt.

Um es mit Churchill zu sagen: „Egal wie schön die Aktivitäten sind, Sie sollten ab und zu auf die Ergebnisse schauen.“ (/5/)

Anmerkungen

  • /1/ Wikipedia, Stichwort "Gantt chart", Version vom 11.01.2013, 13:33, abrufbar unter http://en.wikipedia.org/wiki/Harmonogram
  • /2/ Wallace Clark and Henry Gantt: The Gantt chart, a working tool of management. New York, Ronald Press, 1922, abrufbar unter http://archive.org/details/ganttchartworkin00claruoft. Gantts erster Artikel dazu erschien 1903.
  • /3/ Die PERT-Technik entwickelte Gantts Ansatz weiter, um mit statistischen Analysen die hohe Variabilität der Innovationen und Unbekannten in großen Projekten in Griff zu kriegen. Der Ansatz hat sich auch bewährt. Siehe Wikipedia, Stichwort "Program Evaluation and Review Technique", Version vom 07.02.2012, 17:28, abrufbar unter https://de.wikipedia.org/wiki/Program_Evaluation_and_Review_Technique
  • /4/ Ja, man kann Meilensteine in einem Gantt-Chart abbilden. Aber die Produktcheckliste richtet unsere Aufmerksamkeit auf die Ergebnisse anstatt auf Aktivitäten.
  • /5/ Das Original: “However beautiful the strategy, you should occasionally look at the results.”

Kommentare

  1. Das GPM-Blog hat auch vor kurzem über die Gantt-Charts berichtet: http://gpm-blog.de/gantt-chart-diagramm/

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Agile Sternbilder: Die Entdeckung kosmischer Agilitäts-Superkräfte

Hast du dich je gefragt, ob dein Sternzeichen deine Fähigkeiten in einer agilen Arbeitsumgebung beeinflusst? In diesem Blogpost tauchen wir ein in die faszinierende Welt der Astrologie und ihre mögliche Verbindung zu modernen Arbeitsweisen. Entdecke, wie die Sterne deine agilen Stärken prägen könnten. Ob überzeugter Agilist oder neugieriger Sternzeichenliebhaber – dieser Artikel kann dir neue Perspektiven eröffnen und vielleicht sogar dein nächstes Teamprojekt inspirieren!

Den passenden Job finden

Hier teile ich, wie ich daran arbeite, endlich den richtigen Job zu finden. Kleingedrucktes: Dieser Artikel richtet sich (natürlich) an jene, die gerade in der luxuriösen Position sind, dass sie nicht jedes Angebot annehmen müssen. Anstatt von Engagement zu Engagement zu hetzen und frustriert zu sein über Konzernstrukturen, fehlende Ausrichtung und die Erkenntnis, dass in einem selbst beständig die Hintergrundfrage nagt, ob es das ist, womit man seine immer knapper werdende Lebenszeit wirklich verbringen möchte, gibt es manchmal auch die Möglichkeit, die nächste berufliche Station etwas nachhaltiger auszusuchen - auch, um tatsächlich (etwas) mehr beitragen zu können.

Die Microsoft Teams-Not-To-Do-Liste

Viele hoffen, dass es  für die Einrichtung von Microsoft Teams  den Königsweg gibt, den perfekten Plan – doch den gibt es leider (oder glücklicherweise?) nicht. Genauso wenig, wie es jemals einen Masterplan für die Organisation von Gruppenlaufwerken gab, gibt oder je geben wird. Was gut und vernünftig ist hängt von vielen Faktoren und ganz besonders den Unternehmensprozessen ab. Sicher ist nur eines: Von alleine entsteht keine vernünftige Struktur und schon gar keine Ordnung. Dafür braucht es klare Entscheidungen.

Agilität ist tot. Ausgerechnet jetzt?

Agilität wird zurückgefahren, Hierarchien kehren zurück. Doch ist das wirklich der richtige Weg in einer Welt, die immer unberechenbarer wird? Oder erleben wir gerade eine riskante Rolle rückwärts?

Wie beschreibt man einen Workshop für eine Konferenz?

Konferenzen bieten immer ein gutes Forum, um sein Wissen und seine Erfahrungen zu teilen. Was für die Vortragenden selbstverständlich scheint, ist für die Besucher:innen oft unverständlich. Wie können Vortragende ihren Workshop in 2-3 Sätzen beschreiben, damit die Besucher:innen schnell einschätzen können, er sich für sie lohnt?

Gemeinsam eine Anwenderdokumentation erstellen

Unternehmenssoftware ist ein wichtiges Bindeglied zwischen Anwenderinnen und Anwendern, den Unternehmensprozessen und den Ergebnissen. Normalerweise schreibt der Hersteller der Software die Dokumentation für diejenigen, die die Software benutzen. Wenn die Software allerdings stark angepasst wurde, muss die Dokumentation von denen kommen, die die Prozessmaschine am besten verstehen - den Anwenderinnen und Anwendern. Wie könnte man das praktisch machen?

Der Softwareeisberg, die Softwarepyramide - Wie sprechen wir über neue Software?

Software ist aus den Geschäftsprozessen vieler Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Sie verwaltet Kunden- und Produktdaten. Sie automatisiert Abläufe und verhindert Fehler. Aber Software veraltet. Was machen wir, wenn wir Unternehmenssoftware erneuern müssen? Von den ersten Konzepten bis zum ersten Release ist es ein weiter Weg, mit vielen Entscheidungen. Wie sprechen wir über diese Entscheidungen?