Direkt zum Hauptbereich

Desktop Search („Googeln“): Erspart sie uns das „Taggen“ der Dokumente?

Beim Suchen nach Dateien auf der Festplatte findet das “Googeln“ immer mehr Anhänger. Kann uns diese Neuerung in Zukunft das „Taggen“ der Dokumente (d.h. Abspeichern in Ordner, das Erfinden von Namen usw.) ersparen? Am Schluss des Artikels laden wir zu einer Themenwerkstatt ein.

Ich googele für mein Leben gern. Nicht nur Dinge, die ich brauche, sondern „einfach so“. Manchmal sitze ich in einer müßigen Minute vor dem Münzschlitz des Google-Automaten - und suche in meinem Kopf nach etwas, das ich suchen könnte. Und dann wähle ich

und erhalte 3,36 Mio. Ergebnisse in 0,24 Sekunden. Das entspricht etwa 2,73 Hotels pro Quadratmeter spanischen Strandes und meinen Mindesterwartungen.

Googeln bietet im wahrsten Sinne „traum“-hafte Belohnungen bei geringster Anstrengung. Seit einigen Windowsversionen ist nun auch das Googeln von Festplatten und Servern (also die Desktop Search) ohne Umstände möglich. In unseren Projekten beobachten wir immer häufiger, dass Mitarbeiter nach Dokumenten mittels Googeln fahnden, statt sich mühsam durch das Baumgestrüpp des Windows-Explorers /1/ zu klicken.
Ist das sinnvoll? Ist die Methode effizienter als die Navigation durch den Explorer-Dateibaum?
Die Frage ist nicht unwichtig: Mikrozeitverschwendungen im Kleinen können, einmal objektiv nachgerechnet, riesige Anteile unserer Arbeitszeit auffressen. /2/

Zweite Frage: Erspart uns die neue Methode vielleicht sogar Aufwand beim Speichern von Dateien, also das mühsame Ausdenken von Dateinamen usw.? Diese Meinung ist verbreitet. Nur ein Beispie l von vielen. Bei einem Vortrag zum Thema „Prozessorientierte Ablage“ in einer IHK sagte eine Teilnehmerin (IT-Leiterin einer großen Drogeriemarktkette): Durch die neuen Methoden könne man sich doch das Taggen /3/ der Dokumente komplett sparen. „Künftig werfen wir alles in unseren neuen Sharepoint-Server und fischen es dann per Volltextsuche wieder raus.“ Ich widersprach ihr („gerade Sharepoint …“), worauf hin sie den Raum verließ, enttäuscht von meinen altertümlichen Ansichten.

Dahinter liegt eine Gegenüberstellung der beiden Methoden: „Googeln statt Tagging.“ So etwas nenne ich „theoretische Überhöhung einer Praxis“. Statt noch mehr Theorie jetzt aber ein paar praktische Experimente. (Der eilige Leser kann gleich zum Fazit springen.)
Experiment 1
Ich suche per Desktop-Search auf unserem Teamserver „D:\“ nach einem Dokument, das ich vor zwei oder drei Tagen erstellt habe. Ich handelt sich um ein Auswertungstool für elektronische Selbstbewertungsbögen. Ich gehe stark davon aus, dass das Wort „Auswertung“ im Dateinamen enthalten ist. Also gebe ich diesen Textstring in den Suchschlitz oben rechts im Windows-Explorer (Windows 7) ein:

Meine Trefferliste enthält 2.839 Dateien. Das ist aber nicht weiter tragisch, denn die Dateien sind rückwärts nach dem Datum geordnet (ein „automatischer tag“) und die gesuchte Datei ist schon die zweite von oben. Gesamtaufwand: ca. 15 Sekunden. Aber zu bedenken: Die Datei steht auch deshalb oben, weil der Suchstring im Dateinamen vorkommt, und das ist das Ergebnis meines „Taggens“ zum Zeitpunkt des Abspeicherns.
Experiment 2
Ich suche nach einem Dokument, das etwa zwei Wochen alt sein dürfte. Ich hatte mir Notizen gemacht, wie ich über einen Remote-Zugang auf den Server eines Kunden zugreifen kann. Diese Notizen (Passwort usw.) brauche ich jetzt. Wie habe ich das Teil bloß genannt? Notizen fangen bei mir immer mit „Nz“ im Dateinamen an (wieder ein Tagging). Also suche ich nach „Nz*.doc“.

Das ergibt 299 Treffer. Ich muss zwei Bildschirme nach unten scrollen, bis ich zu den Dokumenten vor zwei Wochen komme (7 Sekunden). Ich finde eine Datei mit Namen
„Nz Steinbrecher Ergebnisse_Dateneinspielung.doc“.

 
Das ist die richtige! Wiederum kann ich sie aber in der Trefferliste nur identifizieren, weil ich der Kundenname im Ordner steht (ich hatte also den Ordner „getaggt“ und damit indirekt auch das dort abgelegte Dokument). Denn dass ich die Zugangsdaten zum Kundenserver mit in die Protokollierung meiner Dateneinspielung reingeschrieben hatte, wusste ich längst nicht mehr. Gesamtaufwand: ca. 3:30 Minuten.
Experiment 3
Eine Kollegin hat den Auftrag, sich um einen neuen Hosted Exchange-Server zu kümmern. Weil die Ich will wissen, wie es aktuell darum steht, und die Kollegin ist nicht da. Weil wir feste Namensregeln im Team haben, gebe ich einfach „Hosted“ in den Suchschlitz ein und erhalte 104 Treffer, wobei die ersten drei Treffer lauten:
In 3 Sekunden gefunden: Traumhaft! Aber dieses Ergebnis ist gerade dem Zusammenspiel von Taggingregeln und Google-Suchmethode zu verdanken. Also nicht „Googeln statt taggen“, sondern „Gutes Googeln, weil gut getaggt“.
Fazit
Die Desktop-Search funktioniert dann gut, wenn gut getaggt wird. Beide Methoden (strukturierte Ablage in Verbindung mit Desktop Search) ergänzen sich hervorragend. Beide gegeneinander auszuspielen, wäre kurzsichtig.

Im Internet gibt es keine Instanz, die irgendwelche Taggingregeln vereinbaren kann. Deshalb sind Methoden, die Trefferliste kurz zu halten oder zumindest einigermaßen sinnvoll zu ordnen, dort so schwierig. In einem Team aber ist das Team sehr wohl in der Lage, sich klare und verbindliche Regeln für die Ordnerstruktur und die Ordner- und Dateinamen zu geben. Und das ist besonders dort wichtig, wo die Teamarbeiten eng verzahnt sind, ich also oft Dokumente von Kollegen suchen muss.

Die Herausforderung besteht nur darin, diese Regeln so schlank zu halten, dass nicht Perfektionismus sondern Effizienz das Ergebnis ist. „Nur“. Darüber bald mal mehr.

Einladung: Die nächste Sommerwerkstatt von teamworkblog.de findet am 22. Juni 2012 in Hannover statt. Sie ist am Vormittag dem Thema „Intelligentes Taggen von Dokumenten“ gewidmet. Teilnahme kostenlos, nur die (geringen) Raumkosten werden umgelegt. Nähere Infos per Mail an Ingrid.Schleith(ätt)balanceX.de.

Anmerkungen:
  • /1/ Teamworkblog legt Wert darauf, keine Diskriminierung nach Geschlecht, Herkunft, religiöser Überzeugung oder Hardware-Fabrikanten zu betreiben. Wenn in diesem Artikel von „Windows“ die Rede ist, sind damit auch die Betriebssysteme aller anderen PC-Marken
    i-mplizit mit gemeint.
  • /2/ Angenommen, ich muss 10 Mal am Tag irgendeine Datei öffnen und suche die regelmäßig per Desktop Search. Weiter angenommen, dass diese Methode ineffizient sei und das Durchchecken der Trefferliste mich jedesmal 2 Minuten mehr kostet als eine andere Suchmethode. Dann sind das, hochgerechnet aufs Arbeitsjahr, rund 70 "vergoogelte" Arbeitsstunden oder fast zwei reguläre Wochen. - Diese Art von Effekt, dass kleine Sandkörner im Getriebe große Anteile von Ressourcen fressen, ist mit dem Wort Mikrozeitverschwendungen gemeint.  
  • /3/ Unter „Taggen“ wird hier jede Methode verstanden, mit der einem Dokument Metainformationen mitgegeben werden. Das kann automatisch geschehen, wenn z. B. das Betriebssystem das letzte Änderungsdatum einer Datei vermerkt. Oder durch den Anwender, der eine Datei verschlagwortet. Oder auch dadurch, dass er die Datei in einen Windows-Ordner ablegt und damit in einen Kontext mit anderen Dokumenten stellt.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wie beschreibt man einen Workshop für eine Konferenz?

Konferenzen bieten immer ein gutes Forum, um sein Wissen und seine Erfahrungen zu teilen. Was für die Vortragenden selbstverständlich scheint, ist für die Besucher:innen oft unverständlich. Wie können Vortragende ihren Workshop in 2-3 Sätzen beschreiben, damit die Besucher:innen schnell einschätzen können, er sich für sie lohnt?

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Der Softwareeisberg, die Softwarepyramide - Wie sprechen wir über neue Software?

Software ist aus den Geschäftsprozessen vieler Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Sie verwaltet Kunden- und Produktdaten. Sie automatisiert Abläufe und verhindert Fehler. Aber Software veraltet. Was machen wir, wenn wir Unternehmenssoftware erneuern müssen? Von den ersten Konzepten bis zum ersten Release ist es ein weiter Weg, mit vielen Entscheidungen. Wie sprechen wir über diese Entscheidungen?

Transparenz als Schlüssel zum Erfolg: 20 Reflexionsfragen für moderne Organisationen

Transparenz ist das Herzstück erfolgreicher Teams. Sie schafft Vertrauen und fördert Zusammenarbeit. Wenn alle Zugang zu den notwendigen Informationen haben, können sie fundierte Entscheidungen treffen und gemeinsam Lösungen erarbeiten. Dies führt zu höherer Effizienz, schnelleren Entscheidungsprozessen und besseren Arbeitsergebnissen. Transparenz ist mehr als ein Schlagwort – es gilt, sie greifbar zu machen, ein gemeinsames Verständnis davon zu entwickeln und es in die Praxis umzusetzen. Wie das gelingt und welche Vorteile es für Euer Team und Eure Organisation bringt, erkunden wir im Folgenden.

Die Stimmung in Deinem Team drehen? So wird’s gemacht.

Oder ähnlich. Mir gefiel der Titel. Vor ein paar Tagen hat mich jemand angesprochen und von einem, wohl etwas frustrierenden, virtuellen Teammeeting erzählt. Die Teammitglieder zogen lange Gesichter, schauten grimmig in ihre Kameras. Ich habe mich dann gefragt, was ich tun würde, wenn ich in so einer Situation wäre. In diesem Blogpost beschreibe ich ein paar Tipps mit denen Du die Stimmung in Deinem Team (und Deine eigene) verbessern kannst.

Die Microsoft Teams-Not-To-Do-Liste

Viele hoffen, dass es  für die Einrichtung von Microsoft Teams  den Königsweg gibt, den perfekten Plan – doch den gibt es leider (oder glücklicherweise?) nicht. Genauso wenig, wie es jemals einen Masterplan für die Organisation von Gruppenlaufwerken gab, gibt oder je geben wird. Was gut und vernünftig ist hängt von vielen Faktoren und ganz besonders den Unternehmensprozessen ab. Sicher ist nur eines: Von alleine entsteht keine vernünftige Struktur und schon gar keine Ordnung. Dafür braucht es klare Entscheidungen.

Agilität ist tot. Ausgerechnet jetzt?

Agilität wird zurückgefahren, Hierarchien kehren zurück. Doch ist das wirklich der richtige Weg in einer Welt, die immer unberechenbarer wird? Oder erleben wir gerade eine riskante Rolle rückwärts?

Effektive Dokumentation in IT-Teams: Herausforderungen und Best Practices

  Effektive Dokumentation in IT-Teams: Herausforderungen und Best Practices In der heutigen Informationsgesellschaft ist eine effiziente Dokumentation essenziell für den Erfolg von IT-Teams. Dennoch kämpfen viele Unternehmen mit veralteten, überladenen oder unauffindbaren Informationen. Dieser Artikel beleuchtet die Herausforderungen der Dokumentation, zeigt Best Practices wie den „Clean-Up Day“ und zieht Parallelen zu politischen Initiativen zur Bürokratieentlastung. Strukturierte und gepflegte Dokumentation steigert die Effizienz, reduziert Fehler und verbessert die Zusammenarbeit. Der Mut zur Löschung irrelevanter Inhalte ist dabei ein zentraler Erfolgsfaktor.

Die Digitale Transformation braucht Tempo. Also auch Konversation in Ruhe statt nur hektische Meetings

„Gesprächsrunde“ (Quelle: siehe unten) Mir sind in letzter Zeit zwei Trends aufgefallen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Zum einen gibt es vermehrt Beiträge zur Meetingkultur , vor allem auf Online-Konferenzen bezogen. Zum anderen taucht das Thema „ Widerstand der Mitarbeiter gegen Changeprojekte“ wieder einmal stärker auf. Die beiden Phänomene sind gar nicht so unterschiedlich. Ihnen gemeinsam ist die Unzufriedenheit mit unproduktiven Vorgehensweisen, mangelndem Tempo, Stockungen in Prozessen und Projekten. Kurz, beide adressieren verschiedene Aspekte des Gefühls „wir sind im Hamsterrad, und es geht wieder einmal nichts voran“. Um diese beiden Trends geht es in diesem Artikel. Und eine Einladung zu einem Event „Impuls in der Mittagspause“, in dem Stephanie Borgert eine konkrete Alternative vorstellt. Zeitfresser Meetings Dazu hat Jessica Turner Ende 2024 ein interessantes Buch veröffentlicht „Online-Meetings mit Fokus und Mehrwert“ (alle Quellen unten). Der...

Leisten! Leisten? Leisten!

Warum opfern wir so viel für den Job, selbst wenn es uns nicht wirklich weiterbringt? Ein paar blasphemische Gedanken zu einem für uns überlebenswichtigen Thema.