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Warum Teams keine Lust auf eine funktionierende Dokumentenablage haben

Ordnung macht glücklich. Damit meine ich keine „geleckte Ordnung“. Ordnung heißt: „Jedes Ding hat seinen Platz.“ Ich weiß, dass meine Kaffeetasse im oberen mittleren Fach des Hängeschranks in der Küche ist. Das lässt mich zutraulich in die Welt treten zu morgendlicher Stunde, in der ich zu nichts weniger Lust hätte als eben dazu.


In der Dokumentenablage im Arbeitsteam scheint dieses Glücksprinzip außer Kraft gesetzt. Mit ganz wenigen Ausnahmen bieten sie das Bild eines einzigen Chaos’:
  • Jeder hat einen Großteil der Dokumente in „seiner“ Ablage – in persönlichen Laufwerken oder Ordnern, auf die andere Kollegen keinen Zugriff haben. E-Mails bleiben zu 90% in den persönlichen Postfächern und damit vom Zugriff der Anderen ausgeschlossen.
  • Auch wenn es gegenseitige Zugriffsrechte pro forma gibt, blickt keiner beim Nachbarn durch. Vertretungen werden zum Hindernisparcours. „Hauptsache, es geht nichts schief in deiner Abwesenheit“ ist der häufigste Wunsch, wenn man einen Kollegen in den Urlaub verabschiedet.
  • Und dort, wo doch Dokumente gemeinsam im Team abgelegt und verwaltet werden, herrscht trotzdem ein großes Durcheinander: keine übersichtliche, einheitlich geregelte Ordnerstruktur auf dem Server, keine Namensregeln für Dokumente, keine klare Versionierung …Die Folge sind viele kleine Mikrozeitverschwendungen im Alltag: dauerndes Scrollen und Klicken auf dem Bildschirm, Dokument aufmachen „ach nee, ist es doch nicht“, Dokument schließen, nächstes Dokument aufmachen, dann Nachfragen bei Kollegen, „weiß ich auch nicht, aber gestern war die Datei noch da“. Endlos und nervend.
Warum haben wir uns an diesen Schwachsinn gewöhnt? Warum sind Initiativen so selten, hieran etwas zu ändern. Dazu zwei Thesen und ein Schlusswort.

These 1: Der Übergang von der individuellen zu Teamablage tut weh.
In der oben geschilderten individuellen oder „funktionalen“ Ablage hat jeder Mitarbeiter „seine“ Ablage (wie immer die physikalisch im Filesystem abgebildet sein mag – als „Home-Laufwerk“, als Ordner, die „nur ihm gehören“, als persönliches E-Mail-Postfach).
In dieser Ablage findet er sich zurecht. Er hat sie nach seiner eigenen „inneren Landschaft“ gestaltet. Jeder Mensch hat so eine unverwechselbare „innere Landschaft“ und prägt sie gestaltend seiner Umgebung auf. Das gilt für die Zimmereinrichtung, und das gilt für Dokumentenstrukturen auf dem PC. Diese Ordnung leuchtet dem Einzelnen ein. Er muss auch ab und zu mal suchen, aber das hält sich in Grenzen. Und er nimmt diesen Aufwand gerne in Kauf, denn es ist seine Ordnung und es sind seine Dokumente. Auch in der komplexesten Arbeitswelt hat er so einen Bereich von Identität und Intimität.
Jede Teamordnung verletzt dieses Gefühl und negiert dieses Bedürfnis.
Eine Teamordnung – egal welcher Ablagephilosophie sie folgt – ist eine Kopfordnung. Sie funktioniert aufgrund von Regeln. Die „Bauchordnung“ der inneren Landschaften geht nur beim Einzelnen. Teams, die sich eine Ordnung schaffen wollen, müssen sprechen und sich abstimmen – innere Landschaften kann man nicht übereinanderlegen. Aus der analogen, aus Gefühlen entstandenen Ordnung wird eine digitale.
Diesen drohenden Verlust spüren alle Beteiligen an einem Dokumentenmanagement-Projekt – und schieben es lieber noch ein bisschen auf.

These 2: Der Aufbau einer neuen teamorientierten Ablagestruktur geht nicht spontan.
Wenn sich dann mal Teams aufmachen und ein Dokumentenmanagement-Projekt starten, scheitern sie oft. Entweder schieben sie (oder ihre Führungskräfte) die Aufgabe auf die IT ab („Beschaff’ uns doch mal eine gescheite Software, die für Ordnung sorgt.“) Diesen Irrweg überspringe ich hier mal. Oder sie machen ein 5S-Projekt nach Kaizen, in dem dann auch ein Workshop auftaucht „Wir setzen neue Standards und definieren eine Ablagestruktur“.
Ja, Pustekuchen. Um eine einfache Ablagestruktur aufzubauen, braucht es ziemlich komplexe Konzepte. Einfache Team-Ordnung beruht auf der „verborgenen Komplexität“ eines ganzen Theoriegebäudes. Sie ergibt sich nie als Ergebnis eines Teamworkshops aus zehn gutwilligen und bestens motivierten Mitarbeitern. Die drehen sich nur im Kreise und alle Kreativitätstechniken versagen und sie wissen nicht, warum.
Was bleibt, ist Frust und Projektabbruch nach fünf Workshops mit sinkender Teilnehmerzahl.

Schlusswort: Ordnung macht auch Teams und in Teams glücklich. Als autarkes Mitglied in einem dynamischen Team zu arbeiten – etwas Produktiveres gibt es kaum. „Leben wie ein Baum, einzeln und frei, und brüderlich wie ein Wald, das ist unsere Sehnsucht.“ (Nazim Hikmet) Eine gemeinsame Ablagestruktur, in der man die gemeinsamen Konzepte in geteilten Dokumenten wachsen sieht, ist dafür ein nicht nebensächlicher Baustein.

Aber als Projektpate oder Projektleiter muss man den Beteiligten klar kommunizieren: „Diese Optimierung ist auch mit Verlusten für den Einzelnen verbunden. Inteamität tritt an die Stelle der Intimität. Man kann diesen Verlust mindern, indem man im Projekt Rückzugsnischen für geschützte Dokumente definiert. Aber Verlust bleibt es. Und es dauert eine ganze Zeit, bis dieser Verlust im Projektverlauf durch eine neue Erfahrung kompensiert wird: die Erfahrung des funktionierenden Teams.“ Dieser Erfolg ist allerdings großartig, sieh oben – aber erst nach einer Durststrecke.

Zweiter Tipp: Bereitet ein solches Projekt absolut professionell vor. Lest Literatur, wie man Dokumentenmanagementprojekte zum Erfolg führt, oder holt euch externe Unterstützung.

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