Manchmal müssen sich vielleicht gerade Angehörige "lehrender", "trainierender", "coachender" und ähnlicher Berufe fragen, wie es um ihre Konsistenz im eigenen Verhalten bestellt ist. Es ist leicht, andere zu (be)lehren, viel schwieriger hingegen, sich selbst an das Gelehrte zu halten. Manchmal auch im Falle von Agilisten.
Es begab sich aber zu einer Zeit im Frühsommer 2025, da saßen wir, die Initiatoren des Lean Coffee Karlsruhe/Frankfurt, per Zoom zusammengeschaltet beieinander und besprachen nicht nur das Leben, sondern auch die nächsten geplanten Spezialtermine unseres Joint Ventures.
Interessensbekundung und tatsächliches Auftauchen
Pierre, der alle Termine in den diversen Plattformen einstellt, wurde gefragt, welche Anmeldezahlen wir denn bisher für das nächste der Spezialevents verzeichnen können. Es waren unterschiedliche Zahlen je Plattform: Auf der einen (der, wo man ganz explizit Farbe bekennen und aktiv zusagen muss, dass man auch wirklich teilnimmt) waren es lediglich vier, auf der anderen (schnellebige Gießkanne) hatten sich nach der Corona-Onlinemüdigkeit gefühlte Heerscharen angemeldet, über 30.
Als der Abend des genannten Events gekommen war, wunderten wir Gastgeber uns dann doch, dass angesichts der ursprünglichen Anmeldezahlen nur eine übersichtliche Handvoll Leute mit dabei war - die allerdings sehr aktiv in den Gruppen arbeiteten, die wir im Verlauf des Termins für verschiedene Runden mit Aufgaben bildeten.
Nach dem - aus unserer Sicht gelungenen - Termin tauschten wir Initiatoren uns über die Veranstaltung aus.
Wir hatten ein Thema angeboten, das hauptsächlich in der agilen Welt von Interesse sein dürfte, es trug sogar das Wort "agil" im Titel. So könnte man annehmen, dass sich dazu überwiegend Personen aus der agilen Arbeitswelt angemeldet hatten, wir fragten die beruflichen Hintergründe der Teilnehmenden aber tatsächlich nicht ab.
Abmeldung führt zur Anmeldung
In unserem Debriefing nach dem Termin präzisierten wir allerdings das Wort "anmelden/angemeldet" noch technisch: Auf der einen Plattform (Gießkanne), so Pierre, wurden Personen bereits als angemeldet verzeichnet, wenn sie sich das Event nur aus Interesse näher angesehen hatten. In einem zweiten "business case" klickte sich Pierre höchstselbst durch das Event hindurch und wählte anschließend explizit den Button "abmelden", um auch ganz sicher abgemeldet zu sein. Diese Aktion hatte aber erstaunlicherweise den gegenteiligen Effekt: Pierre wurde in diesem Moment zum Event angemeldet. (So schönen Plattformen wohl die Besucherzahlen der Events, die auf ihnen angeboten werden...)
Opportunitätskosten durch viele Opportunitäten möglichst lange subjektiv klein halten?
Ungeachtet dessen: Wenn ich mich für ein Event anmelde, ob absichtlich oder unabsichtlich, merke ich das, und zwar spätestens durch die versendete E-Mail mit "Herzlich willkommen" und "Hufftata, du bist dabei!". Wenn ich einem Freund etwas zugesagt habe, aber plötzlich verhindert bin, sage ich ihm doch auch Bescheid, dass mit meinem Erscheinen nicht zu rechnen ist. Es scheint so, dass eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Personen das im öffentlichen Raum auf einer berufsbezogenen Plattform nicht so genau nimmt. Mögliches Szenario: Man meldet sich gießkannenmäßig parallel bei drei Terminen an und besucht dann nur den einen, nach dem einem der Sinn zum gekommenen Zeitpunkt am meisten steht. Die anderen werden kommentarlos fallengelassen. (Dieses "Ghosting" begegenet auch in anderen beruflichen Kontexten, bei denen Menschen nicht persönlich vorstellig werden.)
Bei Trainings, die von offiziellen und Geld nehmenden Institutionen angeboten werden, wird man bei Verhindertsein explizit zur Absage aufgefordert, da sich Trainer aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten heraus nicht für zwei Nasen auf den Weg quer durch die Republik machen oder für die Mimimalanzahl von "Gruppe" (eigentlich ja Tandem) eine großkalibrige Weiterbildung mit Gruppenarbeiten vorbereiten können. Bei Nicht-Beachtung dieser Informationspflicht wird man zur Kasse gebeten.
Analogie vom Timmendorfer Strand
Einmal habe ich versucht, eine Unterkunft am Timmendorfer Strand zu buchen. Dort war es gang und gäbe, dass man nur bis zu maximal einer Woche vor Anreise kostenfrei absagen konnte. Danach, z. B. auch im Krankheitsfall kurz vorher, musste man fast immer einen nicht unbeträchtlichen Teil der Zimmerkosten tragen. Dazu hörte ich das Zitat eines Insiders mit ehemaligem Wohnsitz in Hamburg, dass die hochnäsigen und gut betuchten Hamburger, die den Timmendorfer Strand als Naherholungsgebiet nutzen, wahrscheinlich zu unzuverlässig gewesen seien und daher dieses Verhalten bei den Vermietern geweckt hätten.
Da nehme ich ja keinem einen Stuhl weg...
Die Verlässlichkeit von Zu- oder Absage legen Personen offenbar nicht an den Tag, wenn es sich um ein Online-Event handelt ("da nehme ich ja keinem einen Stuhl oder andere Ressourcen weg"), das obendrein auch noch kostenlos ist ("die haben ja eh keine Ausgaben"). Leider scheinen Angehörige der agilen Welt da keine Ausnahme zu bilden, und das, obwohl in unserer Zunft sicherlich überproportional häufig von "Selbstverpflichtung"/"Commitment", "Offenheit", "Transparenz", "Kooperation" und ähnlichem zu hören ist und die entsprechenden Werte immer wieder eindringlich beschworen werden.
Das agile Boot
Nachdem Pierre und ich zu dieser grandiosen Erkenntnis gelangt waren, fiel in unserem Gespräch der durch ein Lachen mühsam hindurchgepresste Satz: "Vielleicht ist es gut, dass das agile Boot untergeht", gefolgt von herzhaftem Gemeinsam-Lachen. (Wir nahmen hier Bezug auf den aktuellen Tenor "agil ist tot", das heißt aber nicht, dass wir - trotz Lachens - selber daran glauben.)
Außerdem geisterte uns beim "agilen Boot" noch folgender Cartoon durch den Kopf, den wir hier gerne teilen möchten und der - in meinen Augen - auch auf andere Weise so hervorragend zur agilen Branche passt, in der man oft um keine Diskussion verlegen ist oder einfach viele Diskussionen führen muss:
Sehr schön ist die eine der Aussagen, die man auch als "I have a different point of view of the (w)hole sitation" darstellen könnte. Auch über diese kleine sprachliche Entdeckung freuten sich Pierre und ich.
Also: "Guys, let's not be negative." Stattdessen wäre vielleicht ab und zu ein bisschen mehr "walk the talk" gut, ein "Sei selbst die Veränderung, die Du in der Welt sehen willst." /1/ Nein, es ist nicht gesichert, dass das tatsächlich so von Matahma Gandhi stammt. Klingt aber immer wieder gut.
Quelle
/1/ https://www-bbc-co-uk.translate.goog/bitesize/articles/zmvwwnb?_x_tr_sl=en&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=sge#:~:text=%E2%80%9CBe%20the%20change%20you%20wish,the%20world.%E2%80%9D%20%E2%80%93%20Mahatma%20Gandhi
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