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Disziplin und agiles Lernen - kontinuierlicher Fokus auf ein sinnhaftes Ziel

Auch agil Lehrende sind zum Teil verunsichert, wie viel an Regeln und Rahmen in agilen Lehrmethoden angebracht ist. Immerhin sollen die Schüler und Schülerinnen sich selbst organisieren, kreativ sein, die Freiheit haben, ihr Lernen in die eigene Hand zu nehmen.
Aber müssen Regeln und Vereinbarungen sowie die Disziplin, diese einzuhalten und Selbstorganisation sich zwangsläufig widersprechen? Oder geht es uns eigentlich um eine andere Art der Disziplin: kontinuierlichen Fokus auf ein sinnhaftes Ziel? Und wie könnte ich als agil Lehrender eine Umgebung schaffen, in der Fokus ganz natürlich entsteht?


Was bedeutet Disziplin eigentlich genau?


Klingt das nicht wirklich nach stumpfem Abarbeiten von ggf. unsinnigen Forderungen, einfach weil "sich das so gehört" oder "der Lehrer das sagt"?

Einst wurde Disziplin auch mit "Zucht", "Schule", "Ordnung übersetzt. Der Duden schreibt heute dazu: "das Einhalten von bestimmten Vorschriften, vorgeschriebenen Verhaltensregeln o. Ä.; das Sich-einfügen in die Ordnung einer Gruppe, einer Gemeinschaft".

Beim agilen Lernen spielen Regeln - die Spielregeln - eine vielleicht noch größere Rolle, als in anderen Formen des Unterrichts. Disziplin, Fokus, die vereinbarte Ordnung der Gemeinschaft, präsentiert sich bei eduScrum als das Rahmenwerk, die Timeboxen, die Rollenvereinbarungen und Teamabsprachen wie Definition of Done und Definition of Fun und klare Lernziele. 
Was den stumpfen Gehorsam hier von Disziplin unterscheidet, ist der klare Sinn hinter den Regeln.

Grenzen gibt es nach wie vor, sie sind nur weiter gesteckt und helfen den Schülerinnen und Schülern, sich innerhalb dieser „Orientierungspunkte“ frei bewegen zu können. Sie vermitteln Halt, engen aber nicht ein. Sie machen verlässlich, lassen Fortschritt erkennen und helfen bei der Fokussierung. Innerhalb ihrer Grenzen haben die Schüler die nötige Sicherheit, um Neues zu probieren, kreativ zu sein, sich etwas zu trauen. Freiheit und Regeln gehen Hand in Hand.
Um so mehr Raum die Schülerinnen und Schüler - gerade zu Beginn ihrer Arbeit mit bspw. eduScrum - bekommen, desto wichtiger ist es, auf die Orientierungspunkte zu achten.
Und je weiter die Grenzen gesteckt werden, desto wichtiger ist es, dass diese auch wirklich eingehalten werden, und zwar sowohl von Seiten der Schüler als auch von Seiten des Lehrers.

Wichtig ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Führung und Regeln sowie Autonomie in den Teams. Schränkt ein Lehrer seine Teams zu stark ein, fördert er damit wenig bis keine Verantwortungsübernahme in den Teams. Gibt er den Lernenden allerdings überhaupt keine  Orientierungspunkte, laufen sie im Zweifelsfalle in genau das Chaos, das Skeptiker bei agilen Arbeitsweisen grundsätzlich vermuten.


Wie baue ich als eduScrum-Lehrer also eine Umgebung auf, in der kontinuierlicher Fokus ganz natürlich ist?

  • Erklären Sie vor Ihrem ersten Projekt mit einer neuen Klasse genau, warum Sie mit Ihrer Klasse eduScrummen wollen, wie Sie zusammenarbeiten werden und auch welchen Sinn die Rollenaufteilung, die einzelnen Meetings und Artefakte haben. Warum ist die Planung wichtig und warum soll sie stets aktuell und sichtbar sein? Wozu das Standup zu Beginn jeder Stunde? Was soll am Ende gelernt und vorzeigbar sein? Und warum ist eine Retrospektive so wichtig? Es wird Ihren Schülerinnen und Schülern leichter fallen, sich an die Regeln zu halten, wenn sie den Sinn dahinter verstehen. Achten Sie dann darauf, dass die einzelnen Elemente umgesetzt werden. Erklären Sie im Zweifelsfalle noch einmal deren Funktion. Die Elemente des eduScrum Rahmenwerkes geben Ihnen als Lehrer die Informationen, die Sie benötigen, um Ihre Teams beruhigt selbstorganisiert arbeiten zu lassen. Und sie zeigen selbst zögerlichen Schülern, dass sie tatsächlich erfolgreich ihr Lernen steuern können.
  • Klären Sie die Rollen in der Klasse. Es sollte klar sein, was Sie von Ihren Schülern erwarten aber auch, in welchen Punkten sie nun mehr Freiheiten haben. Was können Ihre Schüler andersherum von Ihnen erwarten?
  • Legen Sie einen Zeitrahmen für das anstehende Projekt fest und halten Sie diesen ein. Ihre Schüler und Sie brauchen einen konkreten Zeitrahmen, um erkennen zu können, wie gut Sie mit Ihrem Projekt in der Zeit liegen. Ein Burndown Chart führen zu können, den Fortschritt im Auge zu haben, selbst über Arbeitseinteilung entscheiden zu können sind wichtige Faktoren für die Selbstorganisation der Schülerteams. Lassen Sie sich als Lehrer nicht hinreißen, ein Projekt ewig nach hinten hinaus zu schieben oder gar am Anfang überhaupt keinen Zeitrahmen vorzugeben. Ihre Schüler können sich nicht orientieren, und Sie wird man nicht ernst nehmen.
  • Formulieren Sie klare, sinnhafte Ziele. Als Lehrer müssen Sie sich vor Projektbeginn absolut im Klaren sein, was die Lernziele für das anstehende Projekt sein werden und wissen, anhand welcher Akzeptanzkriterien Sie die Erreichung dieser Ziele messen wollen. Stellen Sie hierbei einen Projektkontext zur Verfügung, der Relevanz in der Lebenswelt der Schüler hat.
  • Auch wenn Scrum und auch eduScrum in Teams denken und arbeiten, ist es in der Schule wichtig, dass es sowohl ein Teamziel als auch ein Einzelziel gibt. Immerhin werden Klassenarbeiten geschrieben. Dieser Punkt gewährleistet, dass es sich als Lernender „lohnt“, den Stoff für sich selbst zu bearbeiten. Teamfaulenzen oder Schwierigkeiten, einzelne Schüler bewerten zu können, treten so viel seltener auf.  Das Teamergebnis gibt dem Team Grund, nicht in einen Haufen Einzelkämpfer zu zerfallen, sondern sich gegenseitig zu unterstützen.

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