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Hilfe, mein Chef macht nicht mit. Was tun? (Hinweis: auf den Business Value achten)

Das Team hat alles gut vorbereitet. Jeder ist bereit. Nur der Chef ist weit und breit nicht zu sehen. Hat er keine Lust, mit zu machen? Der eigentliche Grund ist viel einfacher.

Vielleicht kennen Sie die Situation. Als Mitarbeiter oder Führungskraft haben Sie sich für neue Arbeitsweisen oder Änderungen entschieden. Ihr Team spielt mit, nimmt sich Zeit und erscheint zum Trainingstermin oder zum Workshop. Der Chef hat zwar zugesagt. Aber entweder kommt er gar nicht oder ist schon nach kurzer Zeit wieder verschwunden.

Dieses Muster wiederholt sich in vielen Firmen. Wir können nicht von Einzelfällen sprechen.

Führungskräfte und Chefs sind Teil eines Systems

Es ist lohnend, sich immer wieder einmal vor Augen zu halten, dass Mitarbeiter und Führungskräfte Teil desselben Systems sind. Und Systeme versuchen immer, in eine stabile Balance zu kommen. Sozusagen in einen eingeschwungenen Zustand. Die meisten Impulse, die das System bekommt, werden als Störung empfunden und verarbeitet. Danach fällt das System in einen stabilen Zustand zurück. Dieser stabile Zustand ist jedoch häufig nicht derjenige, den wir eigentlich haben wollen. Beispiele:
  • Es gibt nichts, was das Team oder den Bereich zusammenhält. Es gibt keine gemeinsamen Ziele. Die Mitarbeiter sind räumlich verteilt oder sie haben ganz unterschiedliche Arbeitsrhythmen.
  • Die Zusammensetzung des Teams des Bereichs ist zu homogen oder zu unterschiedlich. Entweder denken alle Mitglieder das Gleiche oder jeder ist nur auf einem einzigen Gebiet Spezialist.
  • Das, was die Teammitglieder untereinander und mit der Umgebung außerhalb austauschen, hat keinen Bezug zur Arbeitsweise. Wichtige Informationen kommen gar nicht, zu spät oder gehen in einer Fülle von anderen Informationen einfach verloren. Die Geldflüsse sind nicht sichtbar oder von der Leistungserbringung abgekoppelt.
Die meisten Führungskräfte und Mitarbeiter haben keinen Blick für das System. Die Ursache für dysfunktionale Arbeitsweisen werden eher den Menschen zugeschrieben als dem System. Wenn also etwas nicht geht, liegt es natürlich daran, dass „die langjährigen Mitarbeiter unflexibel“ geworden sind oder weil der „Chef natürlich nur seine eigenen Interessen“ verfolgt.

Erzeugen Sie zusammen Business Value

Politische Spielchen sind aus meiner Sicht das Ergebnis von fehlenden Zielen (oder einer gemeinsamen Vision). Gute Ziele halten Mitarbeiter und Führungskräfte zusammen. Es ist ein gutes Ziel, gemeinsam Beute zu machen. Mir geht es dabei nicht um Gewinnmaximierung. Es geht mir um das gemeinsame Finden von Kunden und den Verkauf einer guten Leistung zu einem guten Preis.

Im agilen Kontext sprechen wir gern vom sog. Business Value. Gane und Sarson haben bereits Ende der 1970er Jahre die Merkhilfe IRACIS formuliert /1/:
  • IR = increased Revenue (mehr Umsatz)
  • AC = avoided Cost (vermiedene Kosten)
  • IS = improved Service (bessere Leistungsfähigkeit)
Wenn Sie gemeinsam einen neuen unerwarteten Auftrag erfüllen, dann haben Sie zusätzliche Erlöse. Wenn Sie sich gemeinsam überlegen, wie Sie Kosten sparen ohne die Qualität oder den Preis senken zu müssen, bleibt am Ende mehr Geld übrig.

Jeder Business Value hat einen Preis. Sie müssen etwas dafür bezahlen, z. B. Sachkosten oder Arbeitszeit. Der Business Value sollte höher als das investierte Geld sein, damit unter dem Strich etwas übrig bleibt.

Business Value ausrechnen

Wie könnte man den Business Value ermitteln? Hier ist ein Vorschlag:
  • Betrachten Sie Ihren Bereich (oder Ihr Team) wie eine eigenständige Firma.
  • Rechnen Sie alle Kosten zusammen (Personalkosten, direkte Sachkosten, Gemeinkosten etc.).
  • Rechnen Sie alle Einnahmen zusammen.
  • Definieren Sie, nach welchem Schema Sie gegenüber anderen abrechnen.
Diese Betrachtung muss nicht genau sein. Für Personalkosten können Sie z. B. auch den internen Stundensatz annehmen. Es geht eher darum, herauszufinden, wie viel eine bestimmte Tätigkeit wert ist.

Betrachten Sie nun jede Anfrage als eine neue Chance, Geld zu verdienen:
  • Es gibt Anfragen, die sehr wertvoll sind. Sie können einen guten Preis nehmen, der Ihre Kosten mehr als deckt.
  • Es gibt Anfragen, die nicht wertvoll sind und abgelehnt werden können.
  • Es gibt Anfragen, die Sie machen müssen, egal wie lukrativ sie sind.
Sie sollten sich einigen, was ein guter Mix von Anfragen ist. Sicherlich können Sie sich nicht nur die Rosinen herauspicken. Aber ist es bestimmt auch nicht so, dass Sie jedes Projekt und jede Anfrage bedienen müssen.

Der Chef macht mit, wenn die Beute groß genug ist

Kommen wir zur Ausgangsfrage zurück: wie kann ich meinen Chef für mein Projekt begeistern? Antwort: Sorgen Sie dafür, dass der Business Value erkennbar und hoch genug ist.
Was meinen Sie wohl, auf welche Anfrage Ihr Chef am ehesten reagiert:
  • Anfrage 1: „Chef, wir müssen unbedingt das neue Betriebssystem ‚Fenster 23‘ einführen.“
  • Anfrage 2: „Chef, geben Sie uns 100.000 EUR in Form von Mitarbeiterzeit und etwas Sachkosten und wir bringen Ihnen in den nächsten 3 Jahren 300.000 EUR sicher zurück.“
Ich wüsste schon, wie ich reagiere.

Brauchen wir jetzt keine Chefs mehr, wenn die Teams selbst die Beute bestimmen? Das ist nicht die Frage

Man könnte jetzt denken, dass die Teams nun keine Führungskräfte mehr bräuchten. Aber um diese Frage geht es mir in diesem Beitrag gar nicht. Meine Aussage ist: macht für alle Beteiligten klar, was der Business Value ist. Wenn er groß genug ist und alle etwas davon bekommen, machen auch alle mit. Wer den Business Value nicht klärt (unabhängig davon welche Position er in der Organisation hat), braucht sich nicht wundern, dass das sog. Tagesgeschäft immer gewinnt.

Anmerkungen

  • /1/Gane, Chris P., and Trish Sarson. Structured systems analysis: tools and techniques. Prentice Hall Professional Technical Reference, 1979.

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