Direkt zum Hauptbereich

Projekt Agile Verwaltung (Teil 3): Ein Manifest, ein Projekt, eine Einladung

Am vergangenen Freitag und gestern war ich auf die Initiative von Thomas Michl, Herausgeber von Tom's Gedankenblog, eingegangen, sich Gedanken über eine Agilisierung der öffentlichen Verwaltung zu machen. /1/ Heute füge ich ein paar Überlegungen an, wie ein solches Projekt aussehen könnte. Und am Ende steht eine Einladung an alle, die sich für das Thema interessieren.


Ein agiles Manifest

Wenn wir von Agilisierung der Verwaltung sprechen wollen, so können wir nicht in erster Linie über Techniken und Arbeitsmethoden im platten Sinne reden. Es wird uns vielmehr nicht erspart bleiben, über Werte und Visionen zu sprechen.

  1. Solange den Kommunen ein Steuerheberecht verwehrt wird, können sie ihren Handlungsspielraum nur über Einbindung unbezahlter gesellschaftlicher Arbeit verschaffen. Sie müssen also mit der Zivilgesellschaft in respektvollen Dialog treten.
  2. Das beinhaltet, als Bereich eigener Zuständigkeit nicht die Bürger und nicht die „Kunden“, sondern einfach die Einwohner (Bewohner, Menschen) des jeweiligen Gemeindegebiets zu definieren.
  3. Die Verwaltungen werden sich wohl die Aufgabe, Visionen für eine gerechte Gesellschaft zu entwickeln, die allen Menschen ein Mindestmaß an sozialer Infrastruktur bietet, nicht weiter verschließen können.
In diesem Sinne sollten wir an einem Manifest für die agile Verwaltung arbeiten. Aber auf keinen Fall am Grünen Tisch!

Vielmehr muss dies die ständig begleitende Aufgabe unserer praktischen Projekte sein. All diejenigen, die sich unserem Thema  nähern wollen, müssen sich auf einen großen Aufwand gefasst machen. Es kommt richtig viel Arbeit auf uns zu. Wir verstehen die Wirkungsweise der Verwaltung nämlich noch nicht sehr gut und wissen deshalb nicht, warum welche Widerstände gegen agile Verfahrensweisen auftreten und wo sie auf Unterstützung rechnen können.

Deshalb ist Mut zum Experiment und Mut zu Niederlagen und Rückschlägen gefragt.

Das Agilisierungsprojekt

Ich denke, die Bereitschaft der Verwaltung über eine Agilisierung der Verwaltung zu reden, ist relativ gering. Ich erlebe die dort Verantwortlichen meistens als Ärmelaufkrempler, immer auf der Suche nach der passenden Toolbox für die akut anstehenden Probleme. Tiefgreifendes Nachdenken im Vorfeld trifft auf wenig Nachfrage.

Deshalb müssen wir Tools anbieten, wohl wissend, dass es mit Tools nicht getan sein wird /2/. Sondern in Erklärung unserer „Lösungen“ müssen wir zeigen, dass diese
i.   auch als Tools besser sind als die herkömmlichen Methoden, aber

ii.  zu ihrer Anwendung einen tieferen Wertewandel bedingen.

Das Product Backlog für unser Projekt sollte also an aktuelle Fragestellungen anknüpfen, wie sie in der Weltsicht von Projektleitern und mittleren Führungskräften (insbesondere von IuK- und Orgaabteilungen) präsent sind.

Mir fallen dabei folgende Dinge ein:

  1. Digitale Akte. Das eGovernement-Gesetz von 2014 postuliert erst einmal für die Bundesverwaltung die Einführung einer digitalen Akte. Die Bundesländer sind gerade dabei, auf ihrer Ebene nachzuziehen. Das hat auch die Kommunen unter Zugzwang gesetzt. Das Thema „DMS-Einführung“ erlebt gerade einen großen Boom. (Z. B. waren die entsprechenden Seminare bei der KGSt, die ab 2013 angeboten wurden, auf Anhieb überbucht, und es fanden mehrere Zusatzkurse statt.)

    Auf der praktischen Ebene können wir bei diesem Thema gut mitreden. Also: Wie kann man mit agilen Methoden DMS einführen usw.

    Auf der „Werteebene“ liegt die Arbeit noch vor uns, eine konkrete, positive Vision zu entwickeln. Das Ziel von eGovernment ist u.a., die Einreichung von Anträgen durch Bürger bei der Verwaltung durchgängig ins Internet zu verlagern. Das sei „bürgerfreundlich“, heißt es. Ich persönlich würde das gerne hinterfragen. Ich fürchte, dass die konkrete Form der geplanten Digitalisierung die Distanz der Verwaltung zur Mehrheit der Bürger größer statt kleiner macht.
  2. Prozessoptimierung. Dieses Thema stößt bei den Mitgliedern der KGSt auf ein ähnlich großes Echo wie eGovernment. Weil die kommunale Prozesslandkarte so unübersichtlich ist (siehe Post von Freitag, 11.12.2015), ist die Optimierung der Arbeitsprozesse dort besonders schwierig. Dem hohen Aufwand einer Prozessdokumentation steht oft nur ein begrenzter Nutzen gegenüber. Hinzu kommt, dass Verwaltungen einen höheren Anteil an schwach strukturierten Prozessen (Wissensprozessen) haben als durchschnittliche Gewerbebetriebe.

    Deshalb ist eine Methode der Prozessoptimierung gefragt, die gegenüber herkömmlichen Ansätzen besonders schnell und effizient ist und sogar noch höheren Nutzen verspricht. Agiles Prozessmanagement leistet diese Anforderungen.
     
  3. Personalmanagement. Das Arbeitsrecht im Öffentlichen Dienst gilt den Verantwortlichen oft als hinderliches Korsett (siehe Post von Freitag, 11.12.2015). Unter agilen Gesichtspunkten müsste das überhaupt nicht so sein. Solange das Bild „individueller Leistung“ vorherrscht (und damit die Kollateralbilder von „Leistungsgeminderten“, „Leistungsunwilligen“ und was dergleichen Zerrbilder mehr sind), richtet sich das Augenmerk der Personalverantwortlichen notwendig immer um das Ziel „Leute schneller loswerden können“.

    Sowie man die Betrachtungsweise ändert und auf Teamleistung abzielt, ändert sich das Bild. Agile Denkweisen und agile Werte könnten der Verwaltung extrem nützlich sein, um effizient zu werden und gleichzeitig die Mitarbeiter richtig glücklich zu machen.

Einladung zu einem Workshop

Thomas Michl und ich laden hiermit alle Interessierten ein, sich zu einem eintägigen Workshop zu treffen. Dort soll es um folgende Themen gehen:
  1. Eine Vision von Agiler Verwaltung (Agiles Manifest, Beta Version 0.1)
  2. Ein Product Backlog für ein Agilisierungs-Projekt
  3. Wie können wir uns gut vernetzen (Plattform, Artefakte ...)
Das Treffen findet statt am Donnerstag, dem 11. Februar 2016, von 10 bis 17 Uhr.

Ort ist Karlsruhe. Als Tagungsraum ist vorläufig das CST-Büro vorgesehen in der Kaiserstraße 209 in 76133 Karlsruhe. Melden sich viele Leute an, organisieren wir eine größere Räumlichkeit.

Anmeldung telefonisch unter 0721 5703464 oder per E-Mail bei w.steinbrecher(ätt]commonsenseteam.de.

Anmerkungen

/1/ http://www.teamworkblog.de/2015/12/projekt-agile-verwaltung-gibt-es-dafur.html.
/2/ Ein abschreckendes, aber sehr lehrreiches Beispiel für eine Denkweise, in der Agilität als bloßer Methoden-Werkzeugkasten ohne kulturelle Dimension verstanden wird, findet sich im „White Paper“ einer bekannten Beratungsfirma: http://www.bearingpoint.com/de-de/adaptive-thinking/insights/fuenf-hebel-fuer-eine-agile-verwaltung/


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wie lassen sich Ergebnisse definieren? - Drei Beispiele (WBS, CBP und BDN)

Ich habe schon darüber geschrieben, warum das Definieren von Ergebnissen so wichtig ist. Es lenkt die Aufmerksamkeit des Projektteams auf die eigentlichen Ziele. Aber was sind eigentlich Projektergebnisse? In diesem Beitrag stelle ich drei Methoden vor, um leichter an Ergebnisse zu kommen.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Wie Agilität den Kundennutzen steigert - Einige Argumente für Berater:innen

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit fragen sich viele, ob agile Beratung noch eine Zukunft hat. Die Antwort liegt in der konsequenten Orientierung am Kundennutzen. Qualität setzt sich durch, wenn sie messbare Verbesserungen bei Umsatz, Kosten und Leistungsfähigkeit bewirkt, anstatt sich in Methoden und zirkulären Fragen zu verlieren. Dieser Artikel zeigt, wie agile Beratung nachhaltige Veränderungen in Unternehmen schafft und warum gerade jetzt gute Berater:innen gebraucht werden, um Organisationen widerstandsfähiger zu machen.

Warum eine Agile Transformation keine Reise ist

Die agile Transformation wird oft als eine Reise beschrieben. Doch dieser Vergleich kann viele Unternehmen in die Irre führen oder Bilder von unpassenden Vergleichen erzeugen. Transformationen sind keine linearen Prozesse mit einem klaren Ziel, sondern komplexe und dynamische Entwicklungen. Dieser Artikel zeigt, warum Agilität kein Weg mit einem festen Endpunkt ist.

Kleine Organisationsveränderungen, die direktes Feedback erzeugen

Große Veränderungen sind in einer Organisation schwer zu messen. Oft liegt zwischen Ursache und Wirkung ein langer Zeitraum, sodass die Umsetzer:innen nicht wissen, was genau gewirkt hat. Hier ist eine Liste mit kleinen Maßnahmen, die schnell etwas zurückmelden.

Agile Leadership – Führst du noch oder dienst du schon?

Die Arbeitswelt verändert sich. Und das spüren nicht nur Führungskräfte, sondern vor allem Mitarbeitende. Immer mehr Menschen hinterfragen den Sinn ihrer Arbeit, erwarten Respekt, Vertrauen und eine Unternehmenskultur, die echte Zusammenarbeit ermöglicht. Studien wie die Gallup-Studie 2025 oder die EY-Jobstudie zeigen: Der Frust am Arbeitsplatz wächst – und mit ihm die Unzufriedenheit mit der Führung. Höchste Zeit, umzudenken. Genau hier setzt agile Führung an. 1. Warum agile Führung heute entscheidend ist  Klassische Führung – hierarchisch, kontrollierend, top-down – funktioniert immer weniger. Die Zahlen sind eindeutig:  Laut Gallup fühlen sich nur noch 45 % der deutschen Beschäftigten mit ihrem Leben zufrieden. Fast jede dritte Kündigung erfolgt wegen der Führungskraft. Nicht das Gehalt, sondern mangelnde Wertschätzung, fehlendes Vertrauen und ein schlechtes Arbeitsumfeld treiben Menschen aus Unternehmen.  Agile Führung bietet eine Alternative, die auf Vertrauen, Selbs...

Ent-Spannen statt Platzen: Erste Hilfe für mehr Vertrauen und Resilienz im Team

Zwei Themen die mir in den letzten Wochen immer wieder über den Weg laufen sind Vertrauen und Resilienz. Vertrauen als das Fundament für gemeinsame Zusammenarbeit und Resilienz als die Fähigkeit, Herausforderungen, Stress und Rückschläge zu bewältigen und gestärkt daraus hervorzugehen.  In dem Blogpost möchte ich ein paar Erste-Hilfe Interventionen teilen, die zu mehr Vertrauen und Resilienz im Team führen können - gerade wenn die Emotionen hochkochen und es heiss her geht im Team. Die „Mist-Runde“: Ärger Raum geben. In konfliktbeladenen oder belasteten Teams kann es eine große Herausforderung sein, eine offene Kommunikation und ein respektvolles Miteinander zu fördern. Eine einfache, aber äußerst effektive Methode, um Spannungen abzubauen, ist die „Mist-Runde“ . Diese Intervention, die ich zuerst bei Veronika Jungwirth und Ralph Miarka kennengelernt habe, gibt den Teilnehmern einen geschützten Raum, in dem sie ihre Frustrationen und negativen Gedanken ohne Zensur äußern können un...

Microsoft Lists: mit Forms und Power Apps komfortabel mobil arbeiten

In meinem Kundenkreis sind viele Menschen, die den Arbeitsalltag nicht vorwiegend auf dem Bürostuhl sitzend verbringen, sondern "draußen" unterwegs sind. Vielleicht in Werkstätten oder im Facility-Management. Es ist so wichtig, dass die Schnittstellen zu den Abläufen im Büro gut abgestimmt sind. Microsoft 365 hat so einiges im Baukasten, man muss es nur finden und nutzen.  In diesem Artikel spiele ich ein Szenario durch, das auf Microsoft Lists, Forms und - für die Ambitionierteren - Power Apps setzt.

Selbstbewertungsfragen für den Alltag in Arbeitsgruppen aus Sicht von Mitarbeitenden

Welche Fragen können wir Mitarbeiter:innen stellen, um herauszufinden, ob agiles Arbeiten wirkt? Es gibt bereits eine Menge an Fragebögen. Aber ich bin nicht immer zufrieden damit.