Direkt zum Hauptbereich

Zur Erinnerung: Agilität ist mehr als eine Methode

Sie wollen oder sollen agil arbeiten? Sie beginnen mit Scrum zu arbeiten oder versuchen sich in Management Y? Zur Erinnerung: Sie führen nicht nur Methoden ein.

Zeichnung vom Autor.

Agilität verspricht viel, und das zu Recht: Ergebnisse werden schneller und besser erzielt, Kundenwünsche, deren Machbarkeit und Unternehmensziele werden auf sehr gute Weise zusammengebracht. Das Know-How der Mitarbeiter wird maximal genutzt, die Motivation steigt. Die Organisation wird wendig und schnell. Kunden, Mitarbeiter und Zulieferer werden zufriedener. Die Methoden und Instrumente sind nachvollziehbar, eingängig und lassen sich einfach einführen. Die Vorteile liegen also auf der Hand. Warum ist der Schritt hin zu Agilität manchmal trotzdem so schwer?

 

Klingt gut! Das machen wir!


Verändern möchten sich Menschen und Organisationen oft dann, wenn sie unzufrieden sind: Wir sind weniger gut als wir sein wollen und können, wir sind zu unflexibel, zu langsam zu ineffizient. Auf der Suche nach Lösungen geraten in solchen Situationen immer öfter agile Methoden in den Blick. Beim erwartungsfrohen Tunnelblick auf die Prozessverbesserung wird allerdings ein wichtiges Detail gerne übersehen: Mit Agilität ist ein bestimmtes Verständnis von Organisation verknüpft, das für die Wirksamkeit und den Erfolg der Methoden ausschlaggebend ist.

Wer "A" sagt...


Und so wird zwar oft "A" zur agilen Methodik gesagt, nicht aber "B" zu agiler Philosophie, die zentrale Punkte der Unternehmensführung neu definiert. Beispiele:
  • Verantwortung: Jeder ist am Erfolg des Projekts oder der Unternehmung beteiligt und möchte dafür auch verantwortlich sein. Es ist notwendig, dass er Verantwortung übernehmen darf und es auch tut./1/
  • Motivation, Vertrauen & Kontrolle: Jeder ist von sich aus motiviert, sich mit allen seinen Mitteln für die gemeinsame Sache einzusetzen. Entsprechend werden Vertrauen groß und Kontrolle klein geschrieben./2/
  • Fehlerkultur: Es ist nicht möglich, genaue Vorhersagen zu machen, Unwägbarkeiten bestehen. Deshalb sind Fehler nicht zu vermeiden. Fehler sind positiv, denn nur so ist Lernen und Besserwerden möglich. Fehler werden von allen getragen,/3/ die ganze Organisation lernt daraus.
  • Wertschöpfung & Erfolg: Nicht allein rechnerische Größen sind ausschlaggebend, auch qualitative Dinge sind sinnhaft und wertschöpfend (z.B. Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit und Lernerfolge)./4/

Diese Beispiele machen deutlich, das Agilität einen vergleichsweise starken Wertewandel vollzieht: Unternehmensziele und die Wege dorthin werden anders als bislang definiert. So ist nur konsequent, dass viele der "herkömmlichen" Strukturen und Managementmethoden im agilen Umfeld nicht nur weniger zu guten Ergebnissen beitragen, sie verhindern sie sogar./5/ Wer Probleme erfolgreich (!) mithilfe der Agilität beheben möchte, kommt deshalb nicht umhin, die Veränderung auf zwei Ebenen zu vollziehen: Strukturen sind zu schaffen, indem die agilen Methoden benutzt werden. Gleichzeitig gilt es, agile Werte zu integrieren, indem man sie lebt./6/

 

...sagt manchmal nicht "B"


Natürlich ist möglich, agile Instrumente zu nutzen ohne die dahinterstehende Haltung zu übernehmen. Damit beschwört man unter Umständen aber Konflikte herauf, die nicht nur kurz- und mittelfristig die angestrebten reibungslosen und lösungsorientierten Prozesse verhindern, mit welchen man ja gerade Probleme beheben und bessere Ergebnisse erreichen möchte. Diese Konflikte können auch zu einer riskanten Zerreissprobe für Teams, Abteilungen und ganze Organisationen werden und sie in gefährliche Schieflagen bringen.

Um dies zu vermeiden, erliegen Sie zunächst besser nicht den Verlockungen der agilen Methodik. Stattdessen fragen Sie sich ehrlich, ob agile Überzeugungen und Werte für Sie und andere in Ihrem Umfeld gelten oder in naher Zukunft gelten könnten. Sind Sie, Ihre Chefs, Mitarbeiter, Kollegen, Kunden und Zulieferer (!) bereit, Kontrolle abzugeben, Vertrauen in den Einzelnen und in Gruppenentscheidungen zu haben, eine entsprechende Fehlerkultur zu etablieren, Privilegien und Status abzugeben etc.? Sind Sie wirklich bereit, nicht nur "A", sondern auch "B" zu sagen und eine agile Organisation zu werden? Erst dann: Go for it! Denn dann wird es sich lohnen. 




Edgars eigener Blog: www.trellisterium.de
Edgars Podcast: trellisterium.podbean.com 

Edgar Rodehack ist Teamwork-Enthusiast mit einem Faible für agile Formen der Zusammenarbeit. Da trifft es sich natürlich gut, dass er das beruflich macht. Er ist Organisationsberater, Business und Agile Coach, Teamentwickler und Moderator. Außerdem ist er ein Mensch mit Frau und drei Kindern, der viel Spaß am Musikmachen, Schreiben und Lesen hat. Mehr über ihn: www.rodehack.de


Anmerkungen

  • /1/ Allgemein im Rahmen seiner Möglichkeiten, besonders aber im Rahmen seiner Rolle.
  • /2/ Kontrolle im Sinne von Überprüfung der Ergebnisse wird als eine wichtige organisatorische Aufgabe angesehen, wofür die Gruppe und nicht der Einzelne verantwortlich ist.
  • /3/ Denn das agile Weltbild erkennt an, dass dies ohnehin die Lebenswirklichkeit ist und insforn ohne Alternative.
  • /4/ Damit nicht auch agile Organisationen Gefahr laufen, dies zu einem leeren Postulat verkümmern zu lassen, ist dies als strukturelles Element in die agile Struktur eingewoben, z.B. in den entsprechenden Rollenauffassungen oder der Feedback-Methodik.
  • /5/ Konkret bedeutet das z.B. häufig, dass trotz vereinbartem agilen Ablauf diplomatisch-politische Einmischungen stattfinden, Rollendefinitionen mittels taktisch-politischen Spielereien aufgeweicht oder außerhalb der zuständigen Gremien Prioritäten verschoben werden. Wird dies dauerhaft zugelassen, sind sämtliche erhofften positiven Ergebnisse in Gefahr. Denn die Folge sind zwangsläufig massive Konflikte, die weit weg vom Ziel der reibungslosen und ergebnisorientierten Prozesse führen.
  • /6/ Diese Regel gilt natürlich für jeden Change, beim agilen Wandel aber vielleicht besonders.

Hier klicken für alle Artikel von Edgar Rodehack.  

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das Ubongo Flow Game

Spiele bieten eine gute Gelegenheit, zeitliche Erfahrungen zu verdichten und gemeinsam zu lernen. Karl Scotland und Sallyann Freudenberg haben im Mai 2014 das Lego Flow Game veröffentlicht. Wir haben die Spielidee übernommen, aber das Spielmaterial gewechselt. Statt Legosteinen benutzen wir Material aus Grzegorz Rejchtmans Ubongo-Spiel. Hier präsentieren wir die Anleitung für das Ubongo Flow Game.

Outlook-Aufgabenliste: bitte nicht die Aufgaben des ganzen Teams!

Am Tag der Arbeit kommt eine Lösung, nach der ich schon so oft gefragt wurde: Wie schaffe ich es, dass meine Outlook-Aufgabenliste nur meine eigenen Aufgaben anzeigt und nicht auch die E-Mails, die meine Kollegen gekennzeichnet haben oder Aufgaben, die einfach in einem gemeinsamen Postfach stehen?

Kategorien in Outlook - für das Team nutzen

Kennen Sie die Kategorien in Outlook? Nutzen Sie diese? Wenn ja wofür? Wenn ich diese Fragen im Seminar stelle, sehe ich oft hochgezogene Augenbrauen. Kaum jemand weiß, was man eigentlich mit diesen Kategorien machen kann und wofür sie nützlich sind. Dieser Blogartikel stellt sie Ihnen vor.

Und jetzt alle zusammen! Teams - OneNote - Aufgaben - To Do

Ein Meeting jagt das nächste. Sich da nicht zu verzetteln, wird  im Zeitalter virtueller Besprechungen  noch anspruchsvoller. Kein Wunder, dass  im Zusammenhang mit Microsoft 365  zwei Fragen besonders häufig auftauchen: Wie dokumentiert man Besprechungen gut? Was hilft, offene Aufgaben nachzuhalten? Eine gute Lösung: Das in MS Teams integrierte OneNote-Notizbuch als gemeinsame Plattform auch für den Aufgabenüberblick zu nutzen.

Das neue Outlook - One Outlook - erster Eindruck

Microsoft hat ein Problem: Outlook ist nicht gleich Outlook. Da ist das gute alte Outlook in der Desktop-Version. Das ist das, womit fast alle von uns im Alltag arbeiten und worüber ich hier schon oft berichtet habe. Outlook auf dem MAC sieht aber anders aus. Outlook auf Mobilgeräten sowieso. Dann gibt's noch Outlook im Web. Kein Wunder, dass Microsoft das alles entwirren, verschlanken und vereinheitlichen möchte. Gelingt es? Hier die interessantesten Funktionen des neuen Outlooks . 

Beispiel für eine Partyplanung mit Scrum

Wer sich neu mit Scrum beschäftigt, ist vielleicht überwältigt von den ganzen Fachbegriffen. Dann sieht man vielleicht gar nicht, wie einfach die einzelnen Elemente von Scrum sind. Deshalb hier ein einfaches Beispiel für die Vorbereitung einer Party mit Hilfe von Scrum.

E-Mail-Vorlagen gemeinsam nutzen (Outlook)

Mittlerweile wird praktisch alle Routine-Korrespondenz in Outlook erledigt. Was liegt da näher, als ein gutes Set von Vorlagen zu erstellen und diese gemeinsam in Team zu nutzen? Leider hat Microsoft vor diesen – an sich simplen – Wunsch einige Hürden gebaut.

2 Tätigkeiten, bevor man agile Arbeitsweisen nutzt

Wenn Teams und Organisationen sich mit Agilität beschäftigen, hoffen sie auf eine schnelle Lösung für ihre Probleme. Mit Scrum und Kanban sollte es doch sofort und spürbar besser werden. Abgesehen davon, dass diese Teams vielleicht noch nicht wissen, warum Scrum und Kanban funktionieren, sind aus meiner Sicht zwei wichtige Fragen noch nicht beantwortet.

Protokolle in OneNote - neue Ideen für's neue Jahr

Protokolliert Ihr Team seine Besprechungen in OneNote? Das geht einfach, schnell ist teamfähig und hat eine exzellente Suchfunktion. Die beliebte Fragen "Wann haben wir eigentlich beschlossen, dass..." ist so schnell beantwortet. Darum wird OneNote an dieser Stelle immer beliebter. In meinen Seminaren dazu sind gute Ideen entstanden, die ich hier weitergeben will.

Rebellieren für den Wandel: die 8 Regeln des totalen Stillstandes von Prof. Dr. Peter Kruse

In einem legendärem Vortrag skizzierte Peter Kruse 8 Regeln des totalen Stillstands. Ihm zufolge wurden die Regeln entwickelt, um Managern und Führungskräften dabei zu helfen, Bereiche mit potenziellem Widerstand gegen Veränderungen zu erkennen und Menschen auf strukturierte Weise durch den Veränderungsprozess zu führen.