Direkt zum Hauptbereich

Alles unter Kontrolle?

Menschen sind komplexe Systeme. Alles, was wir tun, basiert auf unzähligen fein abgestimmten Prozessen. Genial ist, dass wir für den größten Teil unserer Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster einen Autopiloten haben, der sich mit der Zeit selbst einstellt und optimiert. Er arbeitet verlässlich im Hintergrund, wir bemerken gar nicht, dass es ihn gibt. Super. Oder?


Foto vom Autor

Von der Natur ist alles schlau eingerichtet, wir werden vor so manchem Ungemach bewahrt. Zum Beispiel, wenn wir beim morgendlichen Aufstehen nicht jedes Mal aufs Neue schmerzhaft am Bettpfosten hängen bleiben ohne uns voll darauf zu konzentrieren. 

Der Autopilot entlastet uns und sorgt dafür, dass wir uns unbekümmert anderen Dinge zuwenden können, beispielsweise der Freude auf den Frühstückskaffee. Dieser automatische Mechanismus ist ein zuverlässiger Ressourcengarant, der sehr willkommen ist.

Wo soll Ihre Reise hingehen?


Allerdings sorgt er auch dafür, dass wir mitnichten alles im Griff haben, wie wir leistungsfähigen Macher oft meinen. 

Das Gegenteil ist der Fall! Auf viele Vorgänge haben wir wenig bis keinen Einfluss. Die bittere Wahrheit ist sogar, dass das meiste, was wir tun, absolut unbewusst geschieht. 

Was wir denken und sagen und wie war das tun, denken und sagen wir zumeist ungeprüft, ohne es vorher zu hinterfragen. Ob wir wirklich hinter unseren Aktionen stehen - diese Frage stellen wir uns so gut wie nie. 

Oder wissen Sie etwa allgemein und in jeder Situation genau, was Sie wollen? Kennen Sie alle Ihre Ziele? Was sind Ihre Prinzipien, was genau Ihre persönlichen Werte, aufgrund derer Sie Ihre Entscheidungen treffen? Welche Rollen wollen Sie in Ihrem Leben - wirklich - spielen? Haben Sie sich schon jemals offen, ehrlich und bewusst diese Fragen gestellt? 

Falls ja, wann haben Sie das zuletzt getan? Wo soll Ihre Reise hingehen, warum und: wie wollen Sie dorthin gelangen? Sind Sie diesbezüglich (noch) auf dem Laufenden? Waren Sie es schon einmal?

Flugzeuge gelten als die sichersten Verkehrsmittel. Autopilot, Frühwarnsysteme und standardisierte Vorgänge sorgen für größtmögliche Sicherheit. 

Allerdings: Piloten lernen aus gutem Grund, in gewissen Lagen bewusst den Autopiloten auszuschalten, vom Standardprozedere abzuweichen, die Systeme händisch zu bedienen und auf Sicht und mit Messinstrumenten zu fliegen. 

In manchen Situationen ist dies der bessere Weg. Immer dann nämlich, wenn die äußeren Umstände nicht zu den Standardvorgängen passen.



Wie in der Luftfahrt trifft man im menschlichen Zusammenleben auf Umstände, wo eingefahrene Denkstrukturen und automatische Reaktionsmuster nicht passen. Diese Automatismen verursachen dann manchmal harte oder gar Bruchlandungen. 

Dabei merken wir oft erst im Nachhinein, wie brenzlig die Situationen waren. Wir erkennen das z.B. immer dann, wenn wir bereuen, was wir in hitzigen Debatten oder Streitereien gesagt oder getan haben. Dann ereilt uns die Erkenntnis, dass ein anderes Verhalten angebrachter oder besser gewesen wäre: „Hätte ich doch nur...“

Mit Sicherheit ans Ziel


Die schlechte Nachricht ist, dass sich derartige Situationen nie völlig vermeiden lassen. Die gute Nachricht aber ist, dass sich diese „Vorfälle“ stark reduzieren lassen. 

Wie im Flugverkehr liegt der Weg dorthin in einer geübten und aufmerksamen Beobachtung, Und zwar in der Beobachtung von sich selbst und jenen sozialen Situationen, in welchen wir uns gerade befinden. Für erfolgreiches (Selbst-) Management gilt: Wer Lagen gut einschätzt und über flexible Denk und Handlungsmuster verfügt, wird gut (re)agieren.

Im Vergleich zu Piloten beim Fliegen haben wir Menschen im Leben allerdings erschwerte Bedingungen. Wenn überhaupt, eignen wir uns theoretisches Wissen über unser eigenes Fluggerät (Körper und Körperfunktionen bzw. Funktionsweisen) und die dazugehörige Flugtechnik (Denk- und Handlungsmuster) als Autodidakten ohne Trainer an. 

Auch bei der Übung für die Praxis sind wir auf uns allein gestellt, wir erledigen das ohne Simulator im Echtzeitbetrieb. Auch stehen uns für unsere Manöver solange keine Armaturen im Cockpit zur Verfügung, solange wir sie uns nicht selbst beschaffen. 

Um in der Lage zu sein, bewusst zu agieren bzw. zu reagieren, wenn es die Situation erfordert, müssen wir uns um unsere Messinstrumente, Frühwarnsysteme und den Knopf, mit dem wir unseren Autopiloten aktivieren oder ausschalten, selbst kümmern.

Fasten your seatbelts


Aber wie? Wie schaffen wir es, die eigenen Werte und Ziele im Blick zu haben, das eigene Verhalten und auch das der anderen dauerhaft zu beobachten und uns bewusst zu entscheiden, wie wir uns - jetzt - am besten verhalten? 

Um im Bild zu bleiben: Ein guter Weg, um an ein flugfähiges Vehikel zu kommen und das Fliegen zu lernen, sind Konzentrations- und Achtsamkeitsübungen. Sie alle haben das Ziel, Sie in die Lage zu versetzen, Ihre Denkmuster und Handlungsimpulse zu erkennen und sie dauerhaft zu beobachten, um sie je nach Situation zielgerichtet einzusetzen.

Es gibt viele Übungen, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen. Der Klassiker ist tägliches mindestens zehnminütiges Meditieren (am besten morgens). 

Wem das zu spirituell oder zu esoterisch anmutet oder vielleicht auch zu wenig ist, für den könnten einfache Konzentrationsübungen vielleicht das Mittel der Wahl sein. Auch Entspannungsübungen wie Atementspannung und progressive Muskelentspannung sind sehr gute und bewährte Wege zum effektiven Selbstmanagement. Sie finden hierzu Hinweise in den Anmerkungen unten.

Gut ist, wenn Sie viele Methoden ausprobieren, um jene zu finden, die für Sie passen. Natürlich funktionieren sie nur dann gut, wenn Sie sich damit wohl fühlen. 

Üben Sie regelmäßig und ohne Druck, darauf kommt es an! Anfangs wird das ungewohnt sein, vor allem regelmäßig zu üben ist anfangs schwer. Sicher werden Sie aber schon bald feststellen, dass Sie souveräner mit kritischen Situationen umgehen, Unwetterzonen frühzeitig entdecken, um dann die sicheren Flugrouten zu wählen. 

So werden Sie öfter und entspannter Ihr Flugziel erreichen.



Alle Teamworkblog-Posts von Edgar Rodehack.

Edgars eigener Blog: www.trellisterium.de
Edgars Podcast: trellisterium.podbean.com 

Edgar Rodehack ist Teamwork-Enthusiast mit einem Faible für agile Formen der Zusammenarbeit. Da trifft es sich natürlich gut, dass er das beruflich macht. Er ist Organisationsberater, Business und Agile Coach, Teamentwickler und Moderator. Außerdem ist er ein Mensch mit Frau und drei Kindern, der viel Spaß am Musikmachen, Schreiben und Lesen hat. Mehr über ihn: www.rodehack.de


Anmerkungen & Literatur

  • /1/ Echtzeit-Flugbewegungen weltweit
  • /2/ Richardson, Sean: Mental Toughness: Think Differently about your World 
  • /3/ Kogler, Alois: Die Kunst der Höchstleistung: Sportpsychologie, Coaching, Selbstmanagement. Springer, 2006
  • /4/  Storch, Maja: Das Geheimnis kluger Entscheidungen: Von Bauchgefühl und Körpersignalen. München: Piper, 2011
  • /5/ Konzentrationsübungen: Eine Liste mit sehr guten Kurzanleitungen finden Sie hier auf Zeitblueten.com. Auf der Seite gibt es im Download-Bereich eine weitere Liste gegen kostenlose Registrierung.
  • /6/ Nina Peters: Energie durch Entschleunigung. Achtsamkeit in der Arbeitswelt. ManagerSeminare, März 2014
  • /7/ Ott, Ulrich: Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst. Knaur eBook, 2011. Ein kurzes Interview mit dem Autor ist hier zu finden.
  • /8/ Kornfield, Jack: Meditation für Anfänger. München, 2011. Mit CD. Es gibt viele Einführungs-CDs. Mir persönlich gefällt die einfache Machart dieser CD gut.
  • /9/ Mannschatz, Marie: Meditation (mit CD). München, 2005.
  • /10/ Jon Kabat Zinn: Zur Besinnung kommen. Die Weisheit der Sinne und der Sinn
    der Achtsamkeit in einer aus den Fugen geratenen Welt. Arbor, Freiburg 2011,
  • /11 / Kabat-Zinn, Jon: Achtsamkeit für Anfänger (mit CD): Arbor Verlag, 2013.
  • /12/ Atementspannung ist eine gute Alternative zur Meditation: Ein für mich sehr guter MP3-Kurs findet sich hier zum kostenlosen Download.
  • /13/ Progressive Muskelentspannung: Anleitungen für das Selbststudium gibt es viele, auch z.B. bei Youtube, auch Krankenkassen bieten solche Kurse zum kostenlosen Download an, z.B. diese hier.


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wofür braucht man einen Aktenplan?

Es muss im Jahr 2000 gewesen sein. In meinem Job hatte ich ein breites Feld an Aufgaben und ich wollte den Überblick behalten. Ich kannte mich schon mit verschiedenen Zeitmanagementsystemen aus. Aber mein Schreibtisch und meine elektronische Ablage wurden immer unübersichtlicher. Wer könnte noch ein Problem in der Ablage haben? Die Lösung fand ich in einem Handbuch für Sekretärinnen: einen Aktenplan. Ohne ihn wäre mein Leben anders verlaufen.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Transparenz als Schlüssel zum Erfolg: 20 Reflexionsfragen für moderne Organisationen

Transparenz ist das Herzstück erfolgreicher Teams. Sie schafft Vertrauen und fördert Zusammenarbeit. Wenn alle Zugang zu den notwendigen Informationen haben, können sie fundierte Entscheidungen treffen und gemeinsam Lösungen erarbeiten. Dies führt zu höherer Effizienz, schnelleren Entscheidungsprozessen und besseren Arbeitsergebnissen. Transparenz ist mehr als ein Schlagwort – es gilt, sie greifbar zu machen, ein gemeinsames Verständnis davon zu entwickeln und es in die Praxis umzusetzen. Wie das gelingt und welche Vorteile es für Euer Team und Eure Organisation bringt, erkunden wir im Folgenden.

Rebellieren für den Wandel: die 8 Regeln des totalen Stillstandes von Prof. Dr. Peter Kruse

In einem legendärem Vortrag skizzierte Peter Kruse 8 Regeln des totalen Stillstands. Ihm zufolge wurden die Regeln entwickelt, um Managern und Führungskräften dabei zu helfen, Bereiche mit potenziellem Widerstand gegen Veränderungen zu erkennen und Menschen auf strukturierte Weise durch den Veränderungsprozess zu führen.

Die Stimmung in Deinem Team drehen? So wird’s gemacht.

Oder ähnlich. Mir gefiel der Titel. Vor ein paar Tagen hat mich jemand angesprochen und von einem, wohl etwas frustrierenden, virtuellen Teammeeting erzählt. Die Teammitglieder zogen lange Gesichter, schauten grimmig in ihre Kameras. Ich habe mich dann gefragt, was ich tun würde, wenn ich in so einer Situation wäre. In diesem Blogpost beschreibe ich ein paar Tipps mit denen Du die Stimmung in Deinem Team (und Deine eigene) verbessern kannst.

Remote Energizer – Frische Energie für Online-Meetings (Teil 1)

Remote Meetings können anstrengend sein – müde Augen, sinkende Konzentration und ein angespanntes Team. Aber keine Sorge: Mit den richtigen Energizern bringst du Schwung und Motivation in jede Online-Session! In diesem ersten Teil zeige ich dir vier Übungen, die schnell für gute Laune sorgen und deinen Meetings neuen Schwung verleihen.

Kategorien in Outlook - für das Team nutzen

Kennen Sie die Kategorien in Outlook? Nutzen Sie diese? Wenn ja wofür? Wenn ich diese Fragen im Seminar stelle, sehe ich oft hochgezogene Augenbrauen. Kaum jemand weiß, was man eigentlich mit diesen Kategorien machen kann und wofür sie nützlich sind. Dieser Blogartikel stellt sie Ihnen vor.

Als Team innehalten für ein neues Jahr

Es ist eine schöne Tradition, den Jahreswechsel für das persönliche Innehalten zu nutzen. Als einzelne Person blickt man zurück, reflektiert und wünscht sich etwas für das neue Jahr. Einige Menschen nehmen sich etwas für das neue Jahr vor. Aber geht es auch auf der Ebene eines Teams?

Der Call for Workshops für den Scrum Day 2025 ist geöffnet

Der persönliche Austausch auf einer Konferenz hilft beim Lösen der eigenen Probleme im Unternehmen. Hier sind ein paar Vorschläge aus der Community für den nächsten Scrum Day. Ihr könnt jetzt Vorschläge für das Programm einreichen.

Konflikte navigieren: Mein Alltagstipp zu Weihnachten: Beobachtungen von Interpretationen trennen

Wir sind schnell beim Bilden unserer Meinung . Und wir sind genauso schnell auf 180 wenn wir was hören oder sehen, was uns nicht gefällt. Mein Tipp heute passt genausogut in den Arbeitsalltag wie auch in den nahenden (und hoffentlich seligen) Weihnachtsabend. Mein Tipp heute ist: erste Hilfe _vor_ dem Konflikt. Probier doch beim nächsten Mal, wenn Du Dich aufregst, innezuhalten .  Atme tief ein und aus, und probier dann  bewusst zu unterscheiden , ob das was Dich gerade aufregt , was Du siehst, hörst oder fühlst wirklich faktisch beobachtbar – oder vielleicht doch schon eine Bewertung, eine Interpretation von Dir ist. Wozu? Beobachtungen sind objektiv, sachlich und nicht von Meinungen gefärbt. Beobachtungen sind sinnlich wahrnehmbare Tatsachen. Eine Beobachtung wird von mehreren Leuten, aber auch einer Kamera, oder einem Aufnahmegerät gleich wiedergegeben werden. Warum also Beobachtungen von Interpretationen trennen? Genau das hilft uns die Situation zunächst in ihren Tats...