Darüber wie man ein Unternehmen, Team oder Projekt führt, gibt es bekanntlich viele Meinungen. Es gibt Methoden und praktische Erfahrungen, über die sich vortrefflich debattieren lässt. Selbst wenn sich ein Team auf ein Vorgehen geeinigt hat, können uns der Kontext und kognitive Verzerrungen (/1/) einen Strich durch die Erfolgsrechnung machen. Wie kommen wir aus diesem Dilemma heraus?
Aus meiner Sicht ist ein Erfolgsfaktor von Scrum, dass dort Wert auf ein empirisches Vorgehen gelegt wird. Das bedeutet, dass man arbeitet, sich verbessert und dann misst. Ändert sich die Produktivität oder nicht? Wenn ja, geänderte Arbeitsweise beibehalten; wenn nein, weiter anpassen (inspect and adapt). Zu solch einem Vorgehen gibt es gute Anregungen in Buchform.
Sie kennen sicherlich die Situation: Ein Teammitglied bringt eine neue Idee mit, die es gern umsetzen möchte. Nun beginnt die große Diskussion, ob die Idee wirklich so toll sei. Sicherlich funktioniere sie woanders gut, aber in diesem Unternehmen gehe das gar nicht.
Phil Crosby hat die Situation so zusammengefasst /2, S. 50/:
I have had discussion with executives in hundreds of different businesses and industries. Regardless of the nation, product, service, or group I am never disappointed. Someone always says: 'You have to recognize that our business is different.'
Aus der Diskussion kommen wir ohne Messdaten nicht raus (/3/). Beispielsweise hat Edward Deming, wie Crosby ein Guru im Qualitätsmanagement, seine Kunden immer wieder aufgefordert, Daten über einen Prozess zu sammeln. Er hat damit erstaunliche Ergebnisse produziert. Deming ist der Erfinder des Deming-Zyklus, der aus meiner Sicht fälschlicherweise mit "PDCA - Plan - Do - Check - Act" wiedergegeben wird. Wenn man in Demings Bücher schaut, liest man dort "Plan - Do - STUDY - Act" (/5/). Es geht nicht um das Überprüfen eines Ablaufs, sondern um das Lernen aus den statistischen Daten des Prozesses. Wenn wir etwas verbessern wollen, brauchen wir eine Vorstellung über die Zusammenhänge. Dann überlegen wir, woran wir diese erkennen und wie wir sie messen können. Dazu brauchen wir die Daten.
Bei Scrum messen wir zum Beispiel die sog. Abarbeitungsgeschwindigkeit (engl. velocity). Jeder Anforderung wird ein relativer Wert für den Aufwand gegeben, die sog. Story Points. Am Ende eines Zyklus (ein Sprint in Scrum) zählt das Team, wie viele Story Points es bearbeiten konnte. Ebenfalls am Ende des Zyklus gibt es auch eine Feedback-Runde (die sog. Retrospektive), in der sich das Team auf ein bis zwei Verbesserungsmaßnahmen einigt. Wenn die Maßnahmen wirken, ist das an einer höheren Punktzahl im nächsten Durchlauf zu erkennen.
Eric Ries hat eine Arbeitsweise zur kontinuierlichen Anpassung an den Markt unter dem Titel "Lean Startup" veröffentlicht (/6/). Er nennt den Zyklus "Build - Measure - Learn". Er schlägt zum Beispiel vor, für ein Produkt 2 Webseiten zu erstellen. Auf einer Webseite spricht man vielleicht eher Privatpersonen an, auf der anderen eher Geschäftskunden. Beide Seiten werden abwechselnd den Kunden gezeigt (sog. A/B-Tests). Wenn sich mehr Privatkunden registrieren, scheint das Produkt für diese Gruppe interessanter zu sein. Die Idee ist die gleiche wie bei Deming.
Wenn Sie vor einer wichtigen Entscheidung im Unternehmen stehen, lohnt es sich vielleicht, ein kleines Experiment zu machen. Was wären beobachtbare Konsequenzen für die einzelnen Optionen?
Man könnte meinen, dass es doch sehr aufwändig sei, Experimente zu machen und Daten zu sammeln. Doch zum Glück belehrt uns Douglas Hubbard eines besseren. Seiner Meinung nach ist es ein großer Unterschied, ob wir Unsicherheit in unserer Entscheidungsfindung etwas reduzieren wollen oder ob wir eine klinische Studie in einem renommierten medizinischen Fachblatt veröffentlichen (/7/). Wenn man genau hinschaut, brauchen wir oft weniger Daten, als wir glauben und haben oft mehr Daten zur Verfügung als wir denken.
Messen statt Meinung - die Idee finde ich gut.
Aus meiner Sicht ist ein Erfolgsfaktor von Scrum, dass dort Wert auf ein empirisches Vorgehen gelegt wird. Das bedeutet, dass man arbeitet, sich verbessert und dann misst. Ändert sich die Produktivität oder nicht? Wenn ja, geänderte Arbeitsweise beibehalten; wenn nein, weiter anpassen (inspect and adapt). Zu solch einem Vorgehen gibt es gute Anregungen in Buchform.
Sie kennen sicherlich die Situation: Ein Teammitglied bringt eine neue Idee mit, die es gern umsetzen möchte. Nun beginnt die große Diskussion, ob die Idee wirklich so toll sei. Sicherlich funktioniere sie woanders gut, aber in diesem Unternehmen gehe das gar nicht.
Phil Crosby hat die Situation so zusammengefasst /2, S. 50/:
I have had discussion with executives in hundreds of different businesses and industries. Regardless of the nation, product, service, or group I am never disappointed. Someone always says: 'You have to recognize that our business is different.'
Aus der Diskussion kommen wir ohne Messdaten nicht raus (/3/). Beispielsweise hat Edward Deming, wie Crosby ein Guru im Qualitätsmanagement, seine Kunden immer wieder aufgefordert, Daten über einen Prozess zu sammeln. Er hat damit erstaunliche Ergebnisse produziert. Deming ist der Erfinder des Deming-Zyklus, der aus meiner Sicht fälschlicherweise mit "PDCA - Plan - Do - Check - Act" wiedergegeben wird. Wenn man in Demings Bücher schaut, liest man dort "Plan - Do - STUDY - Act" (/5/). Es geht nicht um das Überprüfen eines Ablaufs, sondern um das Lernen aus den statistischen Daten des Prozesses. Wenn wir etwas verbessern wollen, brauchen wir eine Vorstellung über die Zusammenhänge. Dann überlegen wir, woran wir diese erkennen und wie wir sie messen können. Dazu brauchen wir die Daten.
Bei Scrum messen wir zum Beispiel die sog. Abarbeitungsgeschwindigkeit (engl. velocity). Jeder Anforderung wird ein relativer Wert für den Aufwand gegeben, die sog. Story Points. Am Ende eines Zyklus (ein Sprint in Scrum) zählt das Team, wie viele Story Points es bearbeiten konnte. Ebenfalls am Ende des Zyklus gibt es auch eine Feedback-Runde (die sog. Retrospektive), in der sich das Team auf ein bis zwei Verbesserungsmaßnahmen einigt. Wenn die Maßnahmen wirken, ist das an einer höheren Punktzahl im nächsten Durchlauf zu erkennen.
Eric Ries hat eine Arbeitsweise zur kontinuierlichen Anpassung an den Markt unter dem Titel "Lean Startup" veröffentlicht (/6/). Er nennt den Zyklus "Build - Measure - Learn". Er schlägt zum Beispiel vor, für ein Produkt 2 Webseiten zu erstellen. Auf einer Webseite spricht man vielleicht eher Privatpersonen an, auf der anderen eher Geschäftskunden. Beide Seiten werden abwechselnd den Kunden gezeigt (sog. A/B-Tests). Wenn sich mehr Privatkunden registrieren, scheint das Produkt für diese Gruppe interessanter zu sein. Die Idee ist die gleiche wie bei Deming.
Wenn Sie vor einer wichtigen Entscheidung im Unternehmen stehen, lohnt es sich vielleicht, ein kleines Experiment zu machen. Was wären beobachtbare Konsequenzen für die einzelnen Optionen?
Man könnte meinen, dass es doch sehr aufwändig sei, Experimente zu machen und Daten zu sammeln. Doch zum Glück belehrt uns Douglas Hubbard eines besseren. Seiner Meinung nach ist es ein großer Unterschied, ob wir Unsicherheit in unserer Entscheidungsfindung etwas reduzieren wollen oder ob wir eine klinische Studie in einem renommierten medizinischen Fachblatt veröffentlichen (/7/). Wenn man genau hinschaut, brauchen wir oft weniger Daten, als wir glauben und haben oft mehr Daten zur Verfügung als wir denken.
Messen statt Meinung - die Idee finde ich gut.
Anmerkungen
- /1/ Mit einer kognitiven Verzerrung sind verschiedene psychologische Mechanismen gemeint, die unser Denken in bestimmte Richtungen beeinflussen. Zum Beispiel erinnern wir uns oft nur an die guten Dinge von Ereignissen oder beschöningen sie. Mehr dazu in der Wikipedia, Stichwort "Kognitive Verzerrung", Version vom 31. Januar 2013, abrufbar unter http://de.wikipedia.org/wiki/Kognitive_Verzerrung
- /2/ Crosby, Philip B.: Quality is free : the art of making quality certain. New York: Mcgraw-Hill Professional, 1978, bestellbar unter http://www.amazon.de/Quality-Free-The-Making-Certain/dp/0070145121/
- /3/ Von Thomas Kuhn wissen wir ja bereits, dass selbst Wissenschaftler ihre Meinungen selten im Diskurs ändern (siehe /4/).
- /4/ Kuhn, Thomas S.: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. : Taschenbuch-Wissenschaft.. 1. Aufl.. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2003, bestellbar unter http://www.amazon.de/Struktur-wissenschaftlicher-Revolutionen-taschenbuch-wissenschaft/dp/3518276255/
- /5/ Deming, W. Edwards: The New Economics : For Industry, Government, Education. 2 Sub. Cambridge: MIT Press, 200, bestellbar unter http://www.amazon.de/New-Economics-Industry-Government-Education/dp/0262541165/
- /6/ Ries, Eric: Lean Startup : Schnell, risikolos und erfolgreich Unternehmen gründen. München: Redline Wirtschaft, 2012, bestellbar unter http://www.amazon.de/Lean-Startup-risikolos-erfolgreich-Unternehmen/dp/3868813330/
- /7/ Hubbard, Douglas W.: How to Measure Anything : Finding the Value of Intangibles in Business. : John Wiley & Sons, 2010, bestellbar unter http://www.amazon.de/How-Measure-Anything-Intangibles-Business/dp/0470539399/
"Messen statt Meinung..."
AntwortenLöschenist mir plakativ zu nah an "management by numbers" (/1/) und liefert mir die falschen Signale.
In PDSA, also Plan - Do - STUDY - Act, sehe und erlebe ich mit dem aktiv geforderten Lern-Ansatz und den sich daraus ergebenden Chancen deutlich nachhaltigere Hebel-Wirkungen.
Just my 2 Cents.
CU
Boeffi
/1/ http://www.betacodex.org
Ja, Du hast recht. Management by numbers ist nicht anstrebenswert. Ich meine eher "Daten sammeln, um zu lernen".
LöschenIch finde den Ansatz inkrementeller Verbesserungen, gekoppelt mit der "Erlaubnis zum Experiment", sehr gut. Das hat nichts mit "management by numbers" zu tun, denn "Management" setzt eine übergeordnete Instanz voraus, die die Strippen zieht.
AntwortenLöschenDas gibt es hier nicht. Es ist ein evolutives Vorgehen. So wie die Evolution Mutationen zulässt und mal schaut was rauskommt, so werden hier auch Ideen als testenswert akzeptiert und auf Sinnhaftigkeit getestet.
Wir sind ja auch gerade dabei, zu viert ein neues Unternehmen zu gründen, und machen die Erfahrung: Pläne und Konzepte bringen viel weniger als das praktische Ausprobieren, gekoppelt mit Kritikschleifen. Wenn Pläne das praktische Ausprobieren verzögern, weil der Plan noch nicht ganz rund ist, sind sie sogar schädlich.
> Ansatz inkrementeller Verbesserungen [..] So wie die Evolution Mutationen zulässt und mal schaut was rauskommt, so werden hier auch Ideen als testenswert akzeptiert und auf Sinnhaftigkeit getestet
AntwortenLöschenGenau damit lassen sich in der Praxis große Erfolge erzielen. Erfolge, die bei den immer komplexer werdenden Systemen über ein jahrzehnte "bewährtes" BDUF (Big Design Up Front) immer seltener werden.
> "Erlaubnis zum Experiment"
Damit fühlt sich nur die Manager-Generation der "alten Schule" nicht sehr wohl (un-wohl!), da gerade dort "management by numbers" als Lösung(?) für Ungewissheiten gelehrt wurde.
"...lieber noch detaillierter planen, ein oder zwei Nachkomma-Stellen hinzufügen, und man kann alles noch präziser kontrollieren... höre ich aus diesem Lager immer wieder.
Und genau deshalb habe ich meinen o.g. Kommentar
> "Messen statt Meinung..." [..] plakativ zu nah an "management by numbers" [..] und liefert mir die falschen Signale
so formuliert. Ich weiss, dass Jan mit "Messen statt Meinung" genau nicht "management by numbers" meinte. Nur "verstehen" Manager es leider genau so.
CU
Boeffi