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Optimierung von Interprozessen: Eine Umfrage mit Excel und Schampus

Die Verbesserung unserer Büroprozesse muss neue Wege gehen. Aber der Ruf nach „neuen Wegen“ ist ein alter Hut. Das Teamworkblog hat ein paar Ideen. Aber sind die wirklich neu? Dazu brauchen wir das Feedback unserer Leser.

Blick zurück

Ein Beispiel aus dem Jahre 1989. Ein damals veröffentlichtes Buch (/1/) berichtet über einen Großkonzern, der ein „umfassendes Qualitätsprogramm“ startet. Es soll sowohl die Produktion als auch die Unternehmensverwaltung ansprechen. „In der Produktion wird das neue Programm schnell aufgegriffen. (…) In der Verwaltung dagegen zeigen sich Schwierigkeiten:
  • Begriff wie ‚Qualität’, Produktivität und Fehlerfreiheit können nur schwer anschaulich gemacht und operationalisiert werden;
  • Es gelingt nur begrenzt, Qualitätsvorgaben zu entwickeln. Es bleibt bei eng begrenzten Zielsetzungen: etwa ‚weniger Tippfehler machen’; für die Tätigkeiten z. B. eines Referenten erweist sich dies als unzureichend.“
In der Folge wird das Programm im Bürobereich gestoppt.

Heute: Kein Schritt weiter

Zeitsprung um ein knappes Vierteljahrhundert, ins Jahr 2012. In einem Buch über Prozessoptimierung in den Verwaltungsprozessen (/2/) kann man lesen:

In der Lean Administration basiert der Grundgedanke der Prozessorientierung auf der Vermeidung von Verschwendung. Ein funktionierender Prozess ist Voraussetzung für den One Piece Flow, mit dem der Aufbau von Beständen vermieden und kurze Durchlaufzeiten sichergestellt werden. (…) Durch eine räumliche Zusammenlegung einzelner Funktionen werden Transport- und Liegezeiten vermieden.“ (/3/)

Das ist genau die gleiche Übertragung von Optimierungsmethoden aus der Produktion in die „Verwaltung“, wie sie schon im Jahre 1989 gescheitert war. Die Denkweise mag für viele Verwaltungsprozesse funktionieren, wie im Vertrieb oder im Einkauf, wenn – ja, wenn die Prozesse eben ähnlich sind. Aber was ist mit dem Bericht des Referenten, der in 1989 weniger Tippfehler machen sollte? Ist sein Problem der „Aufbau von Beständen“? Schreibt er Berichte auf Halde? Wie beurteilt man die Qualität in seinem Fall?
Die Prozesslandkarte der „Lean Administration“ sieht aus wie ein ordentlicher Besteckkasten der schwäbischen Hausfrau.

Diese Fragen werden einfach ausgeblendet. Die Denkweise erfolgt nur entlang der Prozesse, nie quer dazu. (siehe Abbildung)

Interprozesse

Viele Arbeitsplätze im Büro- oder „Verwaltungsbereich“ (/4/), sind heutzutage durch zahlreiche Unterbrechungen, Wartezeiten und/oder Zwang zu schnellen Entscheidungen gekennzeichnet. Drei Beispiele dafür haben wir in die Anmerkungen verbannt (/5, 6 und 7/).

An diesen Arbeitsplätzen treten charakteristische Herausforderungen auf:
    • ein Priorisierungsproblem: was erledigen wir und in welcher Reihenfolge?
    • ein Funktionsproblem: wer kann schnell diese Aufgabe übernehmen, wenn der „Zuständige“ sie nicht schafft?
    • ein Koordinationsproblem: Welche unserer Vorgänge stehen in welcher sachlichen Abhängigkeit von einander?
    • ein Synchronisationsproblem: Wie ordnen wir die Antworten auf die ersten drei Probleme widerspruchsfrei in der Zeit?
    Für diese Probleme gibt in der betrieblichen Praxis durchaus schon Verfahren, wie zum Beispiel GTD oder Kanban oder Scrum. Diese Verfahren werden jedoch vom herkömmlichen Qualitäts- und Prozessmanagement ignoriert, weil die zugrunde liegenden Fragestellungen dort nur als „Störungen“ betrachtet und der Thematisierung entzogen werden.

    Wir wollen dieses Thema künftig Interprozesse nennen. Das Wort ist der Computertechnologie entlehnt und bedeutet alle Verfahren, mit denen Prozesse im laufenden Betrieb gesteuert und umgesteuert, priorisiert und repriorisiert oder einzelnen Mitarbeitern zugewiesen oder entzogen werden.

    Der Begriff der Interprozesse soll Teams und Unternehmen dabei unterstützen, systematisch Verbesserungspotenziale herauszufinden, die in schwach strukturierten Prozessen schlummern, und diese Potenziale mit ganz spezifisch dem jeweiligen Problem angepassten Methoden zu heben.


    Call for helpers

    Wir möchten gerne herausfinden, wie praxisnah diese Denkweise ist. Dazu brauchen wir die Unterstützung unserer Leser. Wir haben einen Selbstbewertungsbogen entwickelt. Das ist eine Excel-Datei zum Downloaden (http://www.balancex.de/dl_sb-und-analyse-tools.html). Darin könnt Ihr eure konkreten Erfahrungen an eurem jeweiligen Arbeitsplatz eintragen.

    Wer dies tut, erhält eine Rückmeldung mit einem statistischen Benchmark der Ergebnisse aller Einsender. Und unter jeweils 100 Einsendern verlosen wir ein Buch (/8/) und eine Flasche Champagner (/9/). Ihr könnt also eure Gewinnchancen erhöhen, wenn ihr in der Excel-Datei dasjenige Geschenk auswählt, das möglichst viele andere Leser nicht wählen. Die natürlich das Gleiche versuchen. Das ist die Art von selbstreferentiellen Prozessen, wie Teamworkblog sie gerne mag.

    Anmerkungen

    • /1/ F. Weltz u.a.: Qualitätsförderung im Büro. Konzepte und Praxisbeispiele, Campus-Verlag, 1989
    • /2/ Ingo Laqua: Lean Administration. Das Ergebnis zählt. Der Weg zu nachhaltig schlanken Prozessen auf den Teppichetagen, LOG_X Verlag, 2012
    • /3/ das., Seite 50
    • /4/ Unserer Meinung nach ist es nicht der Unterschied zwischen „Werkhalle“ und „Büro“, der die neuartigen Herausforderungen kennzeichnet. Sondern es geht um eine neue Art von Prozessen – die schwach strukturierten Prozesse. In den letzten drei Jahrzehnten haben sich diese Prozesse rasant verbreitet und drücken ganzen Abteilungen ihren Stempel auf: Bereiche wie die Produktentwicklung (auch z. B. der Softwareprogrammierung), die Steuerung und Planung, sowieso alle Führungs- und Managementprozesse (u. a. in Stabsstellen, Assistenzen der Geschäftsführung und Chefsekretariaten).
    • /5/ Beispiel 1: Ein Softwareentwickler programmiert gerade am Quellcode einer größeren Anwendung, als er eine Nachricht am unteren Bildschirmrand erhält. Er öffnet sie und überfliegt den Text. Von einem Kunden ist ein dringendes Ticket ein-gegangen: ein Baustein einer anderen Software, für die er verantwortlich ist, hat einen Fehlerstatus produziert. – Schnell muss er den aktuellen Status seiner laufenden Arbeit sichern, den Quellcode der anderen Software aufrufen und sich auf die Fehlersuche machen.
    • /6/ Beispiel 2: Ein Sachbearbeiter in der Finanzbuchhaltung eines Unternehmens ist neben seinen normalen Aufgaben auch an einem Projekt beteiligt, in dem es um die Einführung eines neuen SAP-Moduls geht. Ein Arbeitspaket, für das er verantwortlich zeichnet, erweist sich als sehr viel aufwendiger als geplant. Soll er das Arbeitspaket trotzdem fertig stellen, mit der Gefahr, dass der nächste Buchhaltungslauf in großen Zeitdruck gerät? Oder das Projekt verschieben und sich jede Menge Ärger in der Projektgruppe einhandeln?
    • /7/ Beispiel 3: Die Leiterin eines Wohnbereichs in einem Alten- und Pflegeheim ist gerade dabei, den Schichtplan für den nächsten Monat auszurechnen – eine sehr schwierige Aufgabe, die höchste Konzentration erfordert. Da steht eine Bewohnerin in der Tür mit einem dringenden persönlichen Anliegen: Bei ihrem letzten Besuch hat sich die Tochter mit ihr erzürnt und sich seit zwei Wochen nicht gemeldet. Ob die Leiterin dort nicht mal anrufen könnte und sie bei der Versöhnung unterstützen? – Für die Leiterin ist das die dritte Unterbrechung in zwei Stunden und der Schichtplan ist nicht fertig, aber sie kann doch die alte Frau nicht einfach abfertigen. Und was würde ihre Chefin sagen, wenn die Tochter sich später beschwert? Drei ganz verschiedene Arbeitsplätze in drei verschiedenen Branchen, die dennoch erstaunliche Ähnlichkeiten in ihrem Belastungsprofil aufweisen. Und: diese Belastungen in ihren Ähnlichkeiten sind relativ neu – vor einigen Jahrzehnten gab es sie fast nicht. In der heutigen Arbeitswelt aber sind sie außerordentlich weit verbreitet.
    • /8/ Wolf Steinbrecher, Martina Müll-Schnurr: Prozessorientierte Ablage, 2. Auflage, 2010, Gabler-Verlag.
    • /9/ Das heißt, die erste Verlosung findet statt, wenn wir 100 Einsendungen haben. Dann erfolgt auch die erste Benchmark-Rückmeldung. Die zweite Verlosung betrifft den 101. bis 200. Einsender usw.

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