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"Und wie läuft es eigentlich bei Beratungsprojekten?"

Vor kurzem bin ich gefragt worden, ob und gegebenenfalls wie man Scrum bei Beratungsprojekten verwenden kann und sollte. Ich scheue davor zurück, eine klare Empfehlung abzugeben. Aus mehreren Gründen.

  1. Man muss die genauen Gegebenheiten kennen: Wie „tickt“ die Organisation? Stimmt das Mindset beim Team, bei den Führungskräften, bei den Stakeholdern? Wie sind die (wirtschaftlichen) und organisatorischen Rahmenbedingungen? Diese sind doch immer(!) von Organisation zu Organisation unterschiedlich.
  2. Fremdbestimmt statt selbstorganisiert: Eine „von außen“ vorgegebene Lösung ist per se organisationsfremd. Sie ist nicht selbst aus dem betroffenen Team erarbeitet. Sondern wird von außen „aufgedrückt“. Es fehlt zwangsläufig an der Akzeptanz bei den Betroffenen. Statt diese zu Beteiligten zu machen, werden sie zu blossen „Befehlsempfänger“ degradiert. Wie soll da das notwendige Teamgefühl und die Selbstorganisation wachsen?
  3. Best Practice vs. Trial-and-Error: Selbst wenn die ersten beiden Gründe nicht ziehen würden, hier noch ein weiterer Punkt: Wer sagt denn, dass ich richtig liege mit meiner Empfehlung? Die Frage kam: „Habe

 

Ausgangslage


Trotzdem war ich eine Antwort schuldig. Wir haben also erst einmal mit dem Gesamtteam versucht die Ist-Situation zu klären.

  • Warum? — Was bedeutet eigentlich „Beratungsprojekt“? Welcher Kunde wird „beraten“? Was bekommt er denn? Welchen Mehrwert (sic!) hat denn der Kunde von „der Beratung“? Warum wird von diesem Team überhaupt der Kunde beraten?
  • Wie? — Danach wollte ich wissen, wie die Beratung erfolgt? Das Team hat das schnell visualisieren können: Kleine Teams von meist 3-5 Kollegen arbeiten in einem Projekt zusammen. Fast alle davon an einem Ort. Häufig bräuchte man jedoch punktuell Spezialwissen, welches im Team nicht vorhanden ist. Die Aufgaben und die Art der Beratung seien stets individuell und könnten nicht standardisiert werden. Die Teams sind nicht stabil und werden pro Projekt zusammengestellt. Team-Mitglieder arbeiten an mehreren Projekten gleichzeitig, da häufig Wartezeiten dadurch gegeben sind, dass Stakeholder und Kunden nicht immer verfügbar sind. Die typische Beratungsprojektdauer lag nach eigenen Angaben bei ca. 2-3 Monaten.
  • Was? — Zum Schluss wollte ich vom Team wissen, was der Kunde denn in den Beratungsprojekt bekommen würde? Eine Präsentation, einen Workshop, eine Analyse? Ein Dokument? Ein Prototyp? Was muss das Team tun, um diese Liefereinheiten zu erstellen?

 

Auf der Suche: Wie wollen wir in Zukunft zusammenarbeiten?


Ich kann über die größten und wichtigsten Schwierigkeiten sowie „Pain-Points“ das Gesamtteams nur Mutmassungen anschliessen. Hier fehlte es im Prozeß. Welches Problem wollen wir lösen? Projektdauer zu lang? Zusammenarbeit klappt nicht richtig? Mangelnde Transparenz bei den Projekten? Daher hier ein paar Gedankenanstöße:

  1. Build the right thing! Ich bat das Gesamtteam, Vorschläge zu erarbeiten, welche Dienstleistungen und Beratungen sie anbieten. Für welche Kundengruppen erfolgt die Beratung? Welche Mehrwert liefert dieser Beratungsservice dem Kunden? Existieren Alleinstellungsmerkmale dieser Dienstleistungen? Was unterscheidet diese Dienstleistung von anderen Beratungen? Also eine Vision für Ihren Service!

    Im 2. Schritt bat ich zu klären: „Wenn man mehrere Beratungsprojekt-Anfragen gleichzeitig auf dem Tisch hat: Welche nimmt man?“ Alle? Die erste? Diejenige mit dem meisten Mehrwert für den Kunden (Umsatz steigern, Kosten sparen, Bekanntheitsgrad steigern)? Die vom größten Kunden? Die vom kleinsten Kunden? Diejenige mit dem meisten Nutzen für den Kunden des Kunden?

    Fazit: Was ich versucht habe zu erklären ist: Es braucht jemanden, der die Beratungsprojekte managt! Wieviele Beratungsprojekte können wir annehmen und gleichzeitig bearbeoten? Nehmen wir die richtigen Projekte an?Zu welchen Anfragen muss ich „Nein“ sagen!

    Im Sinne von Scrum bedarf es also einen Product Owner, der die Beratungsanfragen im Vorfeld klärt, priorisiert und dann in eine Pipeline aufnimmt. Im Sinne von Scrum also ein „Product-Backlog“ erzeugt!
  2. Build the things right! - Ich habe dann das Gesamtteam gebeten, typische und derzeit laufende Beratungsprojekte als Backlog-Items aufzuschreiben. Was braucht der Kunde? Was bekommt er geliefert?

    Diese Backlogitems sind naturgemäß groß. Sie bilden den „Beratungsauftrag“, der aber dann vom Team heruntergebrochen werden kann.

    Die Umsetzung eines Beratungsprojektes erfolgt dann durch ein von 3-5 Personen, die sich dann ein Beratungsprojekt nehmen („pull“) und umsetzen. Was müssen wir liefern? Was erwartet der Kunde? Wann, wo und wie kommunizieren wir mit dem Kunden? Dies kann nur in enger Abstimmung mit dem Kunden selbst erfolgen, und erinnert an ein Backlog Item (den Beratungsauftrag), der sukzessive in kleinere, abarbeitbare Einheiten verfeinert wird. Im Sinne von Scrum also Backlog Refinement.
  3. Build it fast! — Der derzeit stattfindende Wechsel zwischen mehreren Projekten bei einzelnen Teammitgliedern führt zur Verzögerungen im Gesamtsystem (Weinberg Studie).: Wichtige Kollegen sind nicht erreichbar, weil sie zum Beispiel in anderen Aktivitäten / Projekten stecken. Eine Einzelperson muss sich beim Wechsel von Projekt zu Projekt die Frage stellen: Wo waren wir, als ich das letzte mal hier mitgearbeitet habe? Was hat sich in der Zwischenzeit getan? Was muss ich jetzt noch einmal tun? Mit anderen Worten: Es kommt wieder zur Verzögerung. Diese Kontextwechsel sind teuer und kosten Zeit! /1/

    Fazit: Vielleicht ergibt sich ja die Möglichkeit die Anzahl der gleichzeitig laufendenden Projekte pro Teammitglied schrittweise zu reduzieren? Feedback-Schleifen und regelmäßige Reflexion im Team, wie man besser werden kann können dies ermöglichen. Im Sinne von Scrum also die Sprint-Retrospektive.

Dies waren nur Gedankenanstöße auf die einfache Frage „Und wie läuft es bei Beratungsprojekten“? Die Verantwortung der Umsetzung, die Einleitung des nächsten Schrittes liegt in meinen Augen beim Team selbst. Wo liegen die Prioritäten? Welches Problem will man gemeinsam als erstes angehen.

Mit der Unterstützung vom Management bin ich mir sicher, dass dieser nächste Schritt auch realisierbar ist: Es wird sicherlich nicht alles sofort klappen! Aber das soll es ja auch nicht. Wichtig ist aus jedem Schritt zu lernen. Offen, mutig und fokussiert auf den Mehrwert für den Kunden!







Anmerkungen

  • /1/ Zum Thema Kosten bei Kontext Switching: Weinberg, Gerald M.: Quality Software Management, 1 : Systems Thinking. New York: Dorset House Pub., 1992

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