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Der Sinn von Boards (bei Scrum und Kanban)

Ein früher erster Schritt in Richtung agiles Arbeiten ist der Aufbau eines großen Boards, auf dem alle Teammitglieder den aktuellen Arbeitsstand nachvollziehen können. Einige Mitglieder sind aber auch skeptisch. Warum sollte man sich überhaupt die Mühe machen, ein Board zu pflegen? Lohnt sich der Aufwand? Wie kann ich selbst einschätzen, was ein angemessener Aufwand ist?

Brauchen wir ein gemeinsames Board?

Agiles Arbeiten lebt davon, dass das Team als Ganzes versteht, an welchen Themen jetzt gearbeitet wird. Da gibt es berechtigte Gegenfragen:
  • Ist das nicht mehr Bürokratie, wenn wir Karten und Status auf dem Board pflegen?
  • Werden wir mit dem Board von außen kontrolliert? Wird es benutzt, um Druck auf alle oder bestimmte Teammitglieder auszuüben?
Wie bei jedem Werkzeug fragen wir uns auch bei organisatorischen Hilfsmitteln immer, ob wir mit Werkzeug besser dran sind als ohne. Nur wenn etwas besser wird, lohnt sich der Einsatz. Das ist situationsabhänig.

Ab wann lohnt sich der Kauf eines Akkuschraubers?
  • Wenn ich nur einmal im Quartal eine Schraube rein- oder rausdrehe, ist mir der Kauf, die Lagerung und das regelmäßige Aufladen des Werkzeugs zu aufwändig. Ein Schraubendreher mit wechselbaren Einsätzen reicht dann. 
  • Wenn ich aber bei einem großen Wohnungsumzug helfe, bei dem mehr als einhundert Schrauben bewegt werden, sieht die Sache schon anders aus. Nun spare ich Kraft und Zeit. Dann lohnt sich der Kauf und das Aufladen der Akkus.

Sind wir mit Board besser oder ohne? Sparen wir unter dem Strich Zeit und Energie? Kein Team sollte sich ein Werkzeug anschaffen, wenn es den Sinn davon nicht versteht. Sehen wir uns verschiedene Einsatzmöglichkeiten an. Doch vorher stellen wir drei Arten von Boards vor.

Welche Boards gibt es?

Ein Board ist eine Tafel oder eine Wand, auf der alle wichtigen Informationen stehen (engl. information radiators). Sehr bekannt sind Scrum-, Kanban und Kamishibai-Boards.

Ein Scrum-Board (siehe Abb. 1) ist eine Tafel mit drei Spalten und mehreren Zeilen. In den Zeilen finden sich Arbeitspakete mit einzelnen Aufgaben. In der ersten Zeile ist das wichtigste Arbeitspaket, in der zweiten das zweitwichtigste usw.. Pro Arbeitspaket kann es mehrere Einzelaufgaben geben. Wenn jemand eine Aufgabe anfängt, hängt er den Zettel mit der Aufgabe in die Spalte "in Arbeit". So ist für alle erkennbar, dass sich schon jemand diese Aufgabe genommen hat. Wenn etwas fertig ist, wird die Karte (Arbeitspaket oder Aufgabe) in die Spalte "Erledigt" umgehängt.
Abb. 1: ein Scrum-Board
Ein Kanban-Board (siehe Abb. 2) hat ebenfalls mehrere Spalten. Die Aufgaben wandern durch diese Spalten von Station zu Station. Eine Besonderheit von Kanban-Boards ist, dass in jeder Spalte mit Ausnahme der äußeren beiden nur eine bestimmte Anzahl von Aufgaben liegen dürfen. Im Beispiel haben die Tester vereinbart, zu jeder Zeit nur an einer Aufgabe zu arbeiten. Sie nehmen erst eine neue Aufgabe in Bearbeitung, wenn eine andere fertig geworden ist.
Abb. 2: ein Kanban-Board
Ein Kamishibai-Board (siehe Abb. 3) listet Routineaufgaben auf. Jede Karte steht für eine wiederkehrende Aufgabe. Die Karten sind nach Bearbeitungszeitraum (einmal am Tag, einmal pro Woche, einmal pro Monat etc.) gebündelt. Um schnell zu sehen, ob eine Aufgabe schon erledigt ist, hat die Karte eine rote und eine grüne Seite. Ist die rote Seite oben, weiß jeder, dass diese Aufgabe nicht erledigt wurde. Am Beginn des nächsten Tages oder der nächsten Woche werden alle grünen Karten wieder auf die rote Seite gedreht.
Abb. 3: Kamishibai-Board
Was ist also mit Board einfacher als ohne?

Wo bin ich gerade? Boards als Orientierungshilfe.

In einem dynamischen Umfeld ist ständig etwas in Bewegung. Menschen, Mittel, Orte, Aufgaben - alles verändert sich. Um zu entscheiden, was JETZT wichtig ist, brauchen wir Orientierung. Wie könnten wir Orientierung bieten? Wir könnten zu jedem Teammitglied gehen und es fragen, was es gerade tut. Das ist ähnlich sinnvoll, wie am Bahnhof jeden Lokführer zu fragen, ob sein Zug nach Karlsruhe fährt.

Hier sind wir mit einem Board schneller. Wir sehen auf einen Blick, ob eine Aufgabe überhaupt bearbeitet wird und wie weit die Bearbeitung fortgeschritten ist. Scrum- und Kanbanboards zeigen an, welche Aufgaben gerade bearbeitet werden. Kamishibai-Boards zeigen an, welche Routineaufgaben noch nicht abgeschlossen sind.

Das ist praktisch, wenn ich wissen will, ob die Bearbeitung bereits begonnen hat oder ob ich noch umpriorisieren kann. Ich sehe auch, ob ich bald mit dem Abschluss der Aufgabe rechnen kann, um die nächsten Schritte einzuleiten.

Ein Board symbolisiert hier die wichtigen Zustände, die die Beobachtungsobjekte einnehmen können. Diese Orientierungshilfe ist natürlich nur dann sinnvoll, wenn sich ständig etwas ändert. Je höher die Veränderungsrate ist, desto häufiger muss das Team das Board aktualisieren. Zudem muss ich den Planungshorizont berücksichtigen. Orientierungshilfen im Alltag sind die dynamische Bahnhoftafel an großen Bahnhöfen oder die Fluganzeige an Flughäfen.

Welcher Weg führt micht zum Ziel? Wie weit ist das Ziel noch? Boards als Wegweiser.

In komplexen Systemen ist das relevante Wissen fragmentiert. Zu leicht blicken die Beteiligten nur auf ihren eigenen Teil. Wie können wir die passenden oder vereinbarten Wege anzeigen?

Wir könnten jeden Beteiligten fragen, was ein guter Weg zum Ziel ist. Wir könnten jedem Auftrag einen Laufzettel mitgeben, auf dem alle wichtigen Etappenziele abgehakt werden. Wir könnten auch jemanden abstellen, der alle Bewegungen beobachtet und uns Auskunft geben kann.

Die Alternative ist das Aufstellen eines Wegweisers. Ist er weit weg vom eigentlichen Ziel reicht eine grobe Richtung. Sind wir nah am Ziel, wird es detaillierter. Beispiele sind die blauen Richtungsschilder auf der Autobahn, die schematische Zeichnung eines U-Bahn-Netzes mit Linien in verschiedenen Farben oder das beleuchtete Notausgangschild in einem Gebäude. Wegweiser sind immer abstrakt. Das Abstraktionsniveau ist der Situation angemessen. Zu viele Informationen lenken ab.

Die Boards symbolisieren die verschiedenen Ziele und Wege, die erreichbar sind. Ein Board - ein Weg. Ein Company-Kanban-Board zeigt, welche Projekte bei welchem Team liegen. Ein Backlog zeigt an, welche Ideen wichtiger sind. Ein Kanban- oder Scrum-Board zeigt die wesentlichen Etappenziele pro Auftrag.

Wegweiser sind dann sinnvoll, wenn ich unter vielen Möglichkeiten auswählen kann. Eine falsche Auswahl kann zu Umwegen führen und wertvolle Zeit kosten. Wenn sich alle auskennen oder es eh nur einen Weg gibt, braucht man natürlich keine Wegweiser. Ich brauche auch keinen Wegweiser, wenn ich unendlich Zeit habe, um den richtigen Weg herauszufinden.

Was nehme ich mir vor? Boards als Begrenzer.

Ein wichtiges Thema in agilen Teams ist die Begrenzung der gleichzeitigen Arbeit. Wir wissen, dass Multitasking mehr Zeit kostet und zu hohen Verzugskosten führt als die serielle Abarbeitung. Wie begrenzen wir die Arbeit ganz praktisch? Wir könnten an jeden Schreibtisch genauso viele Postkörbe stellen, wie dort Aufgaben erlaubt sind. Oder wir stellen eine rote Ampel an Arbeitsplätzen auf, die gerade belegt sind. Wer nichts zu tun hat, könnte sich auch ein grünes T-Shirt anziehen oder eine grüne Mütze aufsetzen. Wenn jemand wissen will, ob man die nächste Aufgabe annehmen kann, müsste er an jedem Arbeitsplatz nachsehen, ob der frei oder besetzt ist.

Mit einem Board ist das schneller zu sehen. Das Board symbolisiert die Warteschlangen des Teams. Bei Scrum füllt das Team im Sprint Planning das Board mit einer vernünftigen Arbeitsmenge. Nach der Planung werden keine neuen Arbeitspakete mehr angenommen. Bei Kanban gibt es keine Sprintplanung. Um die Arbeitsmenge trotzdem zu begrenzen, lassen wir pro Spalte nicht mehr als eine vereinbarte Zahl an Aufgaben zu. Wenn alle Pufferplätze belegt sind, muss der nächste Job warten, bis der nächste Platz frei wird.

Die Begrenzung der Arbeit ist natürlich nur dann sinnvoll, wenn irgendetwas für das Team begrenzt ist (Zeit, Anzahl Mitarbeiter, Platz). Begrenzer im echten Leben sind zum Beispiel Ampeln oder Parkplatzanzeiger bei Parkhäusern. Wenn ein Team endlos Zeit hat, ist es ja auch egal, wenn etwas fertig ist. Dann brauche ich keine Begrenzung und damit auch kein Board.

Fragen zur Boardgestaltung

Praktischerweise kommen Arbeitsweisen wie Scrum und Kanban schon mit Empfehlungen oder Erfahrungswerten, wie Teams ihr Board aufbauen und pflegen können. Wie könnten wir selbst prüfen, ob diese Board-Vorschläge zu unserem Team passen? Dazu einige Fragen.
  • Haben wir mehr zu tun, als wir schaffen können? Dann brauchen wir eine Begrenzung für die Arbeit.
  • Kennen wir die relevanten Ziele und den Weg zum Ziel? Haben alle die gleiche Karte im Kopf?
  • Wie hoch ist die Unsicherheit in den Aufgaben (Anforderungen, Technologie)? Je höher die Unsicherheit ist, desto größer ist der Planungsanteil und desto häufiger braucht das Team Feedback. Das besagt, welcher Zeitraum mit dem Board abgebildet wird und wie lange das Planungsmeeting dauert.
  • Wie hoch ist der Zeitdruck? Je höher der Zeitdruck, desto genauer muss das Team die aktuelle Situation abschätzen können. Was sind die wirklich relevanten Informationen, die der Einzelne beobachten muss? Dabei geht es nicht um die Beschäftigung, sondern darum, wie viel noch fehlt, um die Aufgabe in Sicherheit oder nach Hause zu bringen.
  • Wie viele Störungen gibt es von außen? Ein Teil der Störungen kann vielleicht durch bessere Wegweiser oder Orientierungshilfen abgefangen werden.
In Boards stecken also viele Ideen. Probieren Sie aus, was Ihnen am besten hilft.

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