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Hilfe, meine Mitarbeiter denken nicht unternehmerisch!

In diesem Beitrag sehen wir uns einen Wunsch von Führungskräften an, der auf den ersten Blick plausibel scheint. Aber wenn man genau hinsieht, merkt man, dass es gerade die Führungskräfte sind, die unternehmerisches Denken erfolgreich verhindern. Und wenn man es weiterdenkt, ist es wirklich das, was Firmen wollen? Ein guter Unternehmer wird nämlich schnell die Firma verlassen und seine eigene gründen.

Ein häufiges Zitat von Führungskräften: "Die Mitarbeiter hier denken nicht unternehmerisch."

Ich erinnere mich, dass ich vor vielen Jahren selbst den Punkt "unternehmerisch handeln" zu Unternehmensleitlinien hinzufügen ließ. Damals war ich mächtig stolz darauf. Heute hinterfrage ich das.

Was bedeutet eigentlich unternehmerisches Denken?

Eine kurze Suche liefert in meiner Filterblase einen Beitrag von Winfried Berner /1/. Der Autor geht dort der Frage nach, was eigentlich unternehmerisches Denken ist. Er kommt zu dem Schluss, dass es sich bei diesem Begriff um eine rhetorische Nebelschwade handelt. Die Argumentation ist für mich gut nachvollziehbar.

Also muss ich weitersuchen. Ich gelange zu einem TED-Vortrag vom Cameron Herold /2/.



Er sagt: "Unternehmer sind Menschen ... die ... Ideen und diese Leidenschaften haben oder die Bedürfnisse der Welt wahrnehmen und sich entscheiden, aktiv zu werden. Und wir versuchen alles, um es zu ermöglichen." /2, Min 1:31/

Unternehmer haben also Ideen und erkennen die Bedürfnisse der Welt. Das erinnert mich an einen Aufsatz von Peter Drucker, worin er beschreibt, dass es der Zweck eines Unternehmens sei, Kunden zu finden /3, S. 35ff/.

Möchten alle Menschen überhaupt gern Unternehmer sein?

Die nächste Frage ist, ob überhaupt alle Menschen gern Unternehmer sein wollen. Ich finde es völlig in Ordnung, wenn jemand andere Prioritäten hat und seiner Arbeit "nur" zum Geldverdienen nachgeht. Es gibt auch andere Leute, die von sich aus sagen, dass sie lieber im Hintergrund mithelfen wollen, als im Vordergrund zu stehen. Davon profitieren die Unternehmer. Sie brauchen oft Leute, die Dinge wegarbeiten.

Ich finde es überzogen, von ALLEN Mitarbeitern zu erwarten, dass sie unternehmerisch denken sollen.

Können Mitarbeiter wirklich unternehmerisch handeln?

Nehmen wir an, alle Teammitglieder sind damit einverstanden, unternehmerisch zu handeln. (Was das genau ist, haben wir immer noch nicht geklärt.) Jeder aus dem Team erkennt nun andere echte Bedürfnisse und setzt sich mit viel Leidenschaft dafür ein. Da die Zeit im Team und die Mittel begrenzt sind, passieren folgende Dinge:
  • Es gibt zu viele Ideen. Das Team muss die Liste reduzieren.
  • Bei größeren Ideen gibt es keine Wahrheit. DER richtige Weg ist nicht zu erkennen. Selbst, wenn sich das Team auf EINE Idee geeinigt hat, muss es um den guten Weg zum Ziel streiten.
  • Die neue Arbeit geht zu Lasten von bestehenden Routinen oder Aufträgen. Irgendetwas muss gestrichen werden.
Wer unternehmerisches Handeln erwartet, muss jetzt also sicherstellen, dass diese Abläufe funktionieren. Wenn wir aber in die Betriebe schauen, finden wir dort nichts:
  • Wie können Mitarbeiter neue Ideen anmelden?
  • Wie läuft der Auswahlprozess für neue Ideen?
  • Können bestehende Aufträge, Projekte oder Routinen gestoppt werden?
  • Haben wir überhaupt einen Überblick über anstehende Aufträge, Projekte und Routinetätigkeiten?
  • Darf man bestehende Abläufe ändern oder Aufträge umformulieren, um Zeit zu gewinnen? Wer macht das? Wie wird darüber entschieden?
  • Wer prüft wie, ob neue Ideen zur Unternehmensstrategie passen? Gibt es überhaupt eine Strategie?
Sie sehen schon: für unternehmerisches Handeln brauchen wir ein paar Grundlagen.

Gehen wir noch einen Schritt weiter und nehmen wir an, auch diese Dinge seien alle gut geregelt. Was passiert nun? Ein Mitarbeiter hat eine gute Idee. Er hat die Umsetzung und Finanzierung geklärt. Seine Führungskraft muss nun entscheiden. Hier gibt es mehrere Fälle. Jeder kann die Idee unterstützen oder ablehnen. Er kann aber auch gar nicht handeln. Damit haben wir 9 unterschiedliche Fälle (siehe Abb. 1). Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass alle Fälle gleich häufig vorkommen können.

Abb. 1: Fallunterscheidungen
Im Idealfall (Fall 1) handelt ein Mitarbeiter unternehmerisch. Er setzt sich für seine Idee ein und seine Führungskraft unterstützt ihn dabei. Bei einer Gleichverteilung der Fälle, trifft das statistisch gesehen auf ein Neuntel, also etwas mehr als 10% bei allen Ideen zu. Oder umgekehrt ausgedrückt: in fast 90% der Fälle wird die Idee nicht weiterverfolgt (Fälle 2-9).

Das Gegenteil ist Fall 9: Die Führungskraft hat gute Gründe, der neuen Idee nicht zu folgen. Der Mitarbeiter versteht diese Gründe und zieht seine Idee zurück. Statistisch gesehen trifft dieser Fall ebenfalls in einem Neuntel der Fälle ein.

Viel wahrscheinlicher ist, dass das sog. Tagesgeschäft beim Mitarbeiter so viel Energie und Zeit beansprucht, dass er nicht dazu kommt, die Idee weiterzuverfolgen (Fälle 2, 5, 8). Das gleiche könnte auch der Führungskraft passieren. Sie ist zu 100% ausgelastet und hetzt von einem Meeting ins andere (Fälle 4, 5, 6).

Interessant sind jetzt noch die Möglichkeiten 3 und 7.
  • Fall 3 tritt dann ein, wenn der Mitarbeiter schlecht vorbereitet war. Beim Beginnen würde er feststellen, dass die Idee doch nicht so gut war und er zieht sie deshalb zurück.
  • Fall 7 ist aus meiner Sicht ein häufiger Fall: Führungskraft lehnt die Idee ab. Die Gründe können nur für die Führungskraft nachvollziehbar sein, denn der Mitarbeiter setzt sich ja weiterhin für seine Idee ein.
Das wirft neue Fragen auf:
  • Wieso hatte der Mitarbeiter keine Zeit und Mittel, um seine Idee vernünftig vorzubereiten?
  • Was hat eine Führungskraft für Gründe, die sein Mitarbeiter nicht nachvollziehen kann?
Fassen wir nocheinmal zusammen. Selbst in einem System, das gut neue unternehmerische Ideen identifizieren, vorbereiten und darüber abstimmen kann, passiert in mehr als 3/4 der Zeit NICHTS:
  • in 11 % der Fälle wird eine Idee umgesetzt, weil Führungskraft und Mitarbeiter sich gegenseitig unterstützen.
  • in 11% der Fälle ist es sinnvoll, die Idee nicht umzusetzen.
  • in 78% der Fälle ist es aus organisatorischen Gründen nicht möglich, die Idee umzusetzen (keine Zeit, schlechte Vorbereitung, Führungskraft verfolgt andere Ziele).
Der Fall 7 ist besonders, weil er dazu führen kann, dass der Mitarbeiter das Unternehmen verlässt. Wenn er wirklich Unternehmer ist, wird er eine andere Organisation finden, die ihn in seinen Plänen unterstützt oder er gründet tatsächlich ein eigenes Unternehmen.

Wie kann eine Organisation unternehmerisches Handeln unterstützen?

Da kommt also einiges zusammen, damit man in einer Organisation unternehmerisch handeln kann:
  1. Wir brauchen den Blick nach außen, um nicht gestillte Bedürfnisse zu erkennen. 
  2. Wir brauchen Menschen, die Ideen haben.
  3. Wir brauchen ein System, mit dem gute Ideen gesammelt werden.
  4. Wir brauchen eine Unternehmensstrategie, um zu prüfen, ob die neue Idee dazu passt. 
  5. Wir brauchen einen Priorisierungsmechanismus, mit dem neue Ideen in die Liste der bisherigen Aufträge, Projekte und Routinetätigkeiten eingefügt werden können.
  6. Wir brauchen Zeit, um neue Ideen einigermaßen inhaltlich gut vorzubereiten. Gute Vorbereitung bedeutet, dass man nicht beim Beginn der Arbeiten feststellt, dass die Idee doch Quatsch ist.
  7. Wir brauchen auf den Führungsebenen Zeit, um über neue Ideen entscheiden zu können.
  8. Wir brauchen Zeit, Energie, Geld und Mittel, um die neue Idee umzusetzen.
  9. Wir brauchen Mut zum Experimentieren. Bei vielen neuen Ideen gibt es ja keine erkennbare Wahrheit. Der gute Weg muss entdeckt werden. Das geht aber nicht, wenn man keine Fehler machen darf.
Wow. Das ist ganz schön viel. Andererseits sind das keine komplizierten Dinge. Wenn sich eine Führungskraft wirklich unternehmerisch denkende Mitarbeiter wünscht, können wir zusammen diese Liste durchgehen. Ich vermute, dass da noch einige Punkte offen sind.

Anmerkungen


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