Direkt zum Hauptbereich

Prozesse aufräumen: Wie geht das? (Teil 2)

Jeder ist einsichtig, dass Prozesse möglichst schlank sein sollen. Schließlich wollen wir mit der Zeit unserer Kollegen und Kunden und unserem Geld sparsam umgehen. Doch warum sind die Prozesse in den meisten Organisationen immer noch so schwierig? Ich glaube, wir wissen einfach noch nicht, wie das praktisch geht. Zeit für eine Anleitung.

Im ersten Teil /1/ habe ich mir ein paar Fragen gestellt, warum es gar nicht so einfach ist Prozesse zu optimieren. Wir sollten uns klar machen, was wir tun.

Wir optimieren nicht Prozesse, sondern künftige Vorgänge


Aus unserer Sicht gibt es keine Prozesse, sondern nur Vorgänge. Wir wollen nicht den Prozess "Angebote erstellen" verbessern, sondern wir wollen eigentlich etwas Konkreteres erreichen: Wenn wir das nächste Mal  eine Anfrage für ein Beratungsprojekt bekommen, wollen wir weniger Arbeit mit dem Erstellen dieses Angebots haben. Prozesse sind ein Idealisierung von bestimmten Vorgängen. Wolf hat dazu eine gute Unterscheidung getroffen:
  • Der konkrete Vorgang beschreibt das WAS, das Ergebnis, das wir erreichen wollen, z. B. ein Angebot an die Firma Müller, damit wir dort einen Auftrag bekommen.
  • Die Prozessvorlage gibt uns Hinweise auf das WIE. Ich brauche nicht bei Null anzufangen. Ich muss mir nicht alles überlegen.
  • Das Vorgangsteam erledigt die Arbeit. Damit ist auch das WER klar.
Wolfs Hinweis auf das Vorgangsteam ist für mich eine wichtige Erkenntnis. Denn jetzt weiß ich, was das übergeordnete Optimierungsziel ist: Ein Vorgangsteam sollte jeden Vorgang so schnell wie möglich erfolgreich abschließen. Wenn es den Vorgang bearbeitet, ist das Team für andere Aufgaben blockiert. Das Ziel ist es, dass dieses Team schnellstmöglich wieder zur Verfügung steht.

Als Product Owner für das Prozessverbesserungsprojekt müsste ich streng nach Wert vorgehen. Ich fange mit dem Prozess an, wo ich das größte Verbesserungspotenzial hebe. Falls Sie das wissen, gratuliere ich. Mir fällt es schwer, dieses Potenzial sofort zu sehen. Deswegen finde ich es einfacher, schritteweise zu lernen, wie man Prozesse verbessert.

Marie Kondo schlägt vor, die Sachen in der Wohnung nach Kategorien aufzuräumen.

Wie fangen wir an? Mit den unterstützenden Prozessen


Ich übertrage den Gedanken mal auf Prozesse. Üblicherweise wird empfohlen, mit den Kernprozessen des Unternehmens zu beginnen, weil dort der größte Mehrwert zu holen ist. Die Kernprozesse sind aber auch die schwierigsten Prozesse und erzeugen die größten Diskussionen und Emotionen.

Hier wäre es besser, zunächst mit einfachen Prozessen zu beginnen, um im Team zu lernen, wie man mit Prozessen umgeht. Dazu eignen sich oft unterstützende Prozesse, z. B. Buchhaltung, Rechnungen schreiben, Reisekosten abrechnen oder Urlaub beantragen. Das hat mehrere Vorteile:
  • Die Optimierungsziele klar: schnell und wenig Aufwand.
  • Die Prozesse lassen sich leicht abgrenzen.
  • Für diese Art von Prozessen gibt es viele Beispiele, bei denen man abschreiben kann.
  • Zudem kann man leicht Dinge zählen und Zeiten messen.
  • Die Vorgänge kommen regelmäßig vor. Wir schreiben häufiger Rechnungen, als dass wir neue Produkte entwickeln.
Wie gesagt: Die besseren Prozesse sind nur Nebeneffekte. Wichtiger ist, dass das Team lernt, wie es Prozesse verbessert und die Verbesserung umsetzt. Dazu muss es sich mit neuen Werkzeugen wie Story Maps /2/ oder SDCA /3/ auseinandersetzen.

Was wäre die nächste sinnvolle Kategorie? Die kompletten Kernprozesse sind noch zu schwierig. Welche Prozesse kommen häufig genug vor, dass wir etwas dazulernen können? Darum geht es im nächsten Teil.

Anmerkungen

  • /1/ Jan Fischbach: Prozesse aufräumen: Wie geht das? (Teil 1), erschienen im Teamwork-Blog am 20. Juli 2015, abrufbar unter http://www.teamworkblog.de/2015/07/prozesse-aufraumen-wie-geht-das-teil-1.html
  • /2/ Story Maps werden in der Software-Entwicklung benutzt, um sich einen Überblick über die Prozesse zu verschaffen, die in der Software abgebildet werden sollen. Story Maps lassen sich schnell im Team erarbeiten. Mehr Informationen dazu gibt es im Buch von Jeff Patton /4/.
  • /3/ Sie kennen sicher schon den PDSA-Zyklus von Deming (Plan-Do-Study-Act; auch bekannt als PDCA, Plan-Do-Check-Act). Daneben gibt es den SDCA-Zyklus. Standardize-Do-Check-Act. Der kommt bei der Prozessverbesserung immer vor dem PDCA.
  • /4/ Patton, Jeff ; Economy, Peter: User Story Mapping : Discover the Whole Story, Build the Right Product. Sebastopol: "O'Reilly Media, Inc.", 2014.
 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wie lassen sich Ergebnisse definieren? - Drei Beispiele (WBS, CBP und BDN)

Ich habe schon darüber geschrieben, warum das Definieren von Ergebnissen so wichtig ist. Es lenkt die Aufmerksamkeit des Projektteams auf die eigentlichen Ziele. Aber was sind eigentlich Projektergebnisse? In diesem Beitrag stelle ich drei Methoden vor, um leichter an Ergebnisse zu kommen.

Teamleitungen gesucht

Was macht Teams erfolgreich? Kann man das lernen? Ab Herbst starten unsere Kurse für aktuelle und künftige Teamleitungen. Jetzt gibt es die Gelegenheit, den Kurs zu testen.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Microsoft Copilot - Notebook, Pages, Agents und mehr

Es tut sich sehr viel an der Copilot Front. Gefühlt entwickelt Microsoft mit aller Kraft die KI-Anwendung weiter. Mit dem letzten Update hat sich die Microsoft-Startseite stark verändert. Hier zeige ich, was sich hinter all den Begrifflichkeiten verbirgt und was davon alltagstauglich ist.

Nachschau zum Lean Coffee-Spezial "Agil einfach machen" (Interaktive Buchvorstellung)

Bei unserem Lean Coffee-Spezial Ende Mai waren wir von Lean Coffee Karlsruhe/Frankfurt Zeugen einer Buchvorstellung, doch nicht nur das – natürlich gab es auch einen nicht unbeträchtlichen Anteil an eigener Aktion, denn bei unseren Spezialterminen ist traditionell „Teilgabe“ angesagt. Das Autorenduo Christian Baron und Janick Oswald zeigte uns, was es mit „Agil einfach machen“ auf sich hat.  

Wenn es mal gerade etwas schwierig bei Kund:innen wird… Zwei Fragen, die uns helfen, unsere Strategie mit unseren Kund:innen abzusprechen.

Seit 2024 organisieren Bob Galen und ich eine Masterclass für agile Coaches. Wir möchten die Ausbildung von agilen Coaches verbessern und ihnen Techniken mitgeben, mit denen sie bei ihren Kund:innen etwas einfacher haben. Bisher haben wir in vier Durchgängen mit jeweils 14 Modulen ungefähr 70 Extraordinarily Badass Agile Coaches ausgebildet (/1/). In diesem Blogpost möchte ich ein paar Erfahrungen und simple Techniken aus der Masterclass teilen, wie wir unsere Strategie besser abstimmen können. Sie beschränken sich nicht auf agiles Coaching – das ist nur das Setting.

Kleine Organisationsveränderungen, die direktes Feedback erzeugen

Große Veränderungen sind in einer Organisation schwer zu messen. Oft liegt zwischen Ursache und Wirkung ein langer Zeitraum, sodass die Umsetzer:innen nicht wissen, was genau gewirkt hat. Hier ist eine Liste mit kleinen Maßnahmen, die schnell etwas zurückmelden.

Schätzungen sind schätzungsweise überschätzte Schätze

"Wer viel misst, misst viel Mist." Zumindest ist diese Gefahr gegeben. Entweder misst man z. B. Mist, weil man zu früh zu KPIs zur Messung von Ergebnissen greift, oder aber man greift zu den falschen KPIs, die gar nicht das messen, was man wissen möchte. Einst war agiles Arbeiten der alternative Ansatz, aber inzwischen gibt es auch für einige Details dessen, was in Konzernen als "agil" praktiziert wird, einleuchtende alternative Ideen, die bis heute noch nicht so richtig auf die große Bühne vorgedrungen zu sein scheinen. 

Agil sein heißt nicht, unternehmerisch zu denken

 Die Diskussion, ob Agilität ein „Hype“ war, der nun vorüber ist. Ob wir schon im „Post-agilen Zeitalter“ leben. Und wenn ja, wer dafür verantwortlich ist: diese Diskussion nehme ich jetzt schon seit etwa anderthalb Jahren wahr, und sie geht auch aktuell weiter. In meiner Branche wird Agilität weiter gebraucht Ich bin in der speziellen Situation, dass ich beruflich aus dem öffentlichen Dienst komme und auch seit meinem Ausscheiden vor 15 Jahren weiterhin vor allem Kunden im öffentlichen Bereich berate. Also auf einem Parkett, das normalerweise nicht mit den Anliegen des Agilen Manifests verbunden wird: der Produktion von Software für gewerbliche Kunden in einem unsicheren Umfeld. Auf diesem scheinbar „exotischen“ Feld hat sich in den vergangenen sechs bis acht Jahren bei vielen Verwaltungen die Erkenntnis verbreitet, dass agile Vorgehensweisen bei den anstehenden Transformationen für sie sinnvoll sein können. Denn auch Projekte z.B. die „Digitalisierung der Verwaltung“ (ein völlig ...