Direkt zum Hauptbereich

Wie adaptiv sind Ihre Prozesse? Teil 1: Der Strukturierungsgrad

Jan und ich sind gerade dabei, das Prozessmodell zu überarbeiten, das wir in unseren Projektberatungen verwenden. Vielleicht interessiert es ja den einen oder anderen Leser, einen Blick in unsere Werkstatt zu werfen.
Teamworkblog (Zensurabteilung): Wie blöd ist das denn?? Was ist das bitteschön für ein gähnlangweiliger Teaser?? Also mal ein bisschen zackiger, wenn ich bitten darf!
Die bekannten Vordenker Jan Fischbach und Wolf Steinbrecher der weltbesten Beratungsfirma Common Sense Team GmbH haben ein neues bahnbrechendes Prozessmodell entwickelt, dessen Siegeszug um den Globus nichts mehr im Wege steht. Teamworkblog fühlt sich geehrt, die Vorankündigung dieser ganz ganz klitzekurz vor der Vollendung stehenden Großtat auf seinen Seiten veröffentlichen zu dürfen.
TWB (ZA): Na also, geht doch! (Wenn man nicht dauernd aufpasst, läuft alles sofort aus dem Ruder.)

Stark strukturierte Prozesse

Bei dieser Unterscheidung geht es darum, wie gut ein Prozess bis in alle Details normiert werden kann. Stark strukturierte Prozesse sind solche, bei denen alle einzelnen Realisierungen – die einzelnen „Vorgänge“ – immer nach dem gleichen „Schema F“ ablaufen.
Ein Beispiel für einen stark strukturierten Prozess ist das Verbuchen von Lieferantenrechnungen im Unternehmen. Eine solche Rechnung durchläuft immer die gleichen Stationen mit immer den gleichen Arbeitsschritten.

Abbildung 1: Das Verbuchen von Rechnungen ist ein stark strukturierter Prozess



Stark strukturierte Prozesse sind solche mit sehr geringer Unsicherheit: die Wahrscheinlichkeit, dass ein von mir geplantes Ergebnis des Prozesses auch wirklich eintritt, liegt nahe 100%.

Schwach strukturierte Prozesse

Aber es gibt auch ganz andere Prozesse, und ihre Bedeutung wächst ständig. Bei schwach strukturierten Prozessen gleicht kein einzelner Fall genau dem anderen. Der Ablauf ändert sich ständig, unvorhergesehene Hindernisse treten auf. Die Zahl möglicher Prozessvarianten wächst ins Uferlose. Die Unsicherheit ist groß, welches Ergebnis am Ende stehen wird.
Ein Beispiel für einen schwach strukturierten Prozess sind z. B. Vertragsverhandlungen mit Kunden über ein Service Level Agreement: der Vertragsgegenstand ist schwierig, der Kunde ist schwierig, und wir selbst sind uns auch nicht einig.

Abbildung 2: Neben stark strukturierten Prozessen gibt es noch ganz andere




Eine Stufenleiter des Strukturierungsgrads

Snowden und Boon haben das sog. Cynefin-Modell vorgeschlagen (ausgesprochen "Kjunefin", /1/).  Mit diesem Modell teilen sie das Kontinuum zwischen ganz stark und ganz wenig strukturierten Prozessen in vier Stufen ein: einfach, kompliziert, komplex und chaotisch.

  • bei einfachen Prozessen gibt es immer einen eindeutigen, klar zutage liegende Weg, um vom Auslöser („Rechnung geht ein“) zum Ergebnis zu kommen („Rechnung wird bezahlt“). Es gibt best-practice-Lösungen.
  • bei komplizierten Prozessen gibt es auch einen eindeutigen Lösungsweg, er liegt aber nicht klar zutage. Man braucht Fachwissen. Schon das Reparieren eines Autos gehört dazu (vor allem, wenn es um Steuerungselektronik geht). Beim Behandeln von Patienten ist die Notwendigkeit, auf Expertenwissen zurückzugreifen, noch deutlicher. Es gibt good practice, aber nicht die richtige Lösung.
  • Komplexe Prozesse sind in der Regel solche mit Rückkopplungen. Vertragsverhandlungen sind ein Beispiel, bei dem beide Parteien aufeinander reagieren. Das genaue Ergebnis der Verhandlungen steht zu Beginn nicht fest.
  • Bei chaotischenProzessen gibt es gar keine Muster, sondern nur den Zwang zu schnellen Entscheidungen.
Der Artikel, in dem Snowden und Boon ihr Modell in der HBR vorstellten, wurde als das beste Praktiker-Papier dieses Jahres im Bereich Organizational Behavior von der Organizational Behavior Division der Academy of Management bezeichnet. /2/

Eine kurze und prägnante Einführung gibt Snowden in einem 9minütigen Video auf Youtube:
https://www.youtube.com/watch?v=N7oz366X0-8&feature=youtu.be

Diese Überlegungen zu schwach strukturierten Prozessen (wie auch parallel verlaufende Diskussionen über „Adaptive Case Management“ /3/) übersteigen den gegenwärtigen Horizont der deutschen Organisationswissenschaft bei Weitem (mit Ausnahme von einigen Blogs, siehe unter /4/).

Wo man auch hinschaut, was immer man liest – überall herrscht das Paradigma der stark strukturierten Prozesse vor. Ob im Prozessmanagement, im Qualitätsmanagement, im Design von Unternehmenssoftware: überall wird so getan, als ob man alle Prozesse stark strukturieren könnte. Taylorismus und Fordismus mit ihrem Fließbandmodell haben die deutsche Prozesskultur so tief geprägt, dass sie sich sehr schwer tut, andere Diskussionen auch nur wahrzunehmen. Ständig ist von Normierung, Best Practice, Workflows die Rede – Konzepte, die schon für komplizierte Prozesse nicht mehr anwendbar sind.

Aber es kommt noch schlimmer. Neben der Unterscheidung des Strukturierungsgrads von Prozessen muss man noch ihre Adaptivität beachten. Es gibt nämlich hoch und niedrig adaptive Prozesse.

Dazu heute Abend mehr.
Siehe: http://www.teamworkblog.de/2015/05/wie-adaptiv-sind-ihre-prozesse-teil-2.html


Anmerkungen


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das neue Outlook - One Outlook - erster Eindruck

Microsoft hat ein Problem: Outlook ist nicht gleich Outlook. Da ist das gute alte Outlook in der Desktop-Version. Das ist das, womit fast alle von uns im Alltag arbeiten und worüber ich hier schon oft berichtet habe. Outlook auf dem MAC sieht aber anders aus. Outlook auf Mobilgeräten sowieso. Dann gibt's noch Outlook im Web. Kein Wunder, dass Microsoft das alles entwirren, verschlanken und vereinheitlichen möchte. Gelingt es? Hier die interessantesten Funktionen des neuen Outlooks . 

Kategorien in Outlook - für das Team nutzen

Kennen Sie die Kategorien in Outlook? Nutzen Sie diese? Wenn ja wofür? Wenn ich diese Fragen im Seminar stelle, sehe ich oft hochgezogene Augenbrauen. Kaum jemand weiß, was man eigentlich mit diesen Kategorien machen kann und wofür sie nützlich sind. Dieser Blogartikel stellt sie Ihnen vor.

Und jetzt alle zusammen! Teams - OneNote - Aufgaben - To Do

Ein Meeting jagt das nächste. Sich da nicht zu verzetteln, wird  im Zeitalter virtueller Besprechungen  noch anspruchsvoller. Kein Wunder, dass  im Zusammenhang mit Microsoft 365  zwei Fragen besonders häufig auftauchen: Wie dokumentiert man Besprechungen gut? Was hilft, offene Aufgaben nachzuhalten? Eine gute Lösung: Das in MS Teams integrierte OneNote-Notizbuch als gemeinsame Plattform auch für den Aufgabenüberblick zu nutzen.

E-Mail-Vorlagen gemeinsam nutzen (Outlook)

Mittlerweile wird praktisch alle Routine-Korrespondenz in Outlook erledigt. Was liegt da näher, als ein gutes Set von Vorlagen zu erstellen und diese gemeinsam in Team zu nutzen? Leider hat Microsoft vor diesen – an sich simplen – Wunsch einige Hürden gebaut.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

"Denn sie wissen nicht was sie tun ...! Freigeben und teilen in OneDrive und SharePoint und per E-Mail

Neuerdings können Sie bei Ihren E-Mails entscheiden, ob Sie den Anhang als Datei (Kopie) anhängen wollen oder einen Link senden. Doch was kann dieser Link? Wie sicher ist er? Wer kann was damit tun? Lesen Sie hier was sinnvoll ist und was weniger.

Outlook-Aufgabenliste: bitte nicht die Aufgaben des ganzen Teams!

Am Tag der Arbeit kommt eine Lösung, nach der ich schon so oft gefragt wurde: Wie schaffe ich es, dass meine Outlook-Aufgabenliste nur meine eigenen Aufgaben anzeigt und nicht auch die E-Mails, die meine Kollegen gekennzeichnet haben oder Aufgaben, die einfach in einem gemeinsamen Postfach stehen?

Das Ubongo Flow Game

Spiele bieten eine gute Gelegenheit, zeitliche Erfahrungen zu verdichten und gemeinsam zu lernen. Karl Scotland und Sallyann Freudenberg haben im Mai 2014 das Lego Flow Game veröffentlicht. Wir haben die Spielidee übernommen, aber das Spielmaterial gewechselt. Statt Legosteinen benutzen wir Material aus Grzegorz Rejchtmans Ubongo-Spiel. Hier präsentieren wir die Anleitung für das Ubongo Flow Game.

Nie wieder Ärger mit Besprechungsserien in Outlook

Erstellen auch Sie Besprechungsserien in Outlook? Ärgern auch Sie sich manchmal darüber, wenn Sie etwas zu ändern haben? Falls nicht, versenden Sie entweder keine wiederkehrenden Outlook-Besprechungen (Serienterminen). Oder Sie ändern nie etwas daran. Dann ist dieser Artikel nichts für Sie. Lesen Sie aber bitte weiter, falls Sie sich schon immer mal gefragt haben, ob es eine Lösung gibt?