Direkt zum Hauptbereich

Selbstorganisation mit großen Gruppen (Open Space, Zukunftskonferenz, Appreciative Inquiry)

Bei vielen Themen lohnt es sich, die zu Wort kommen zu lassen, die das Thema betrifft, z. B. die Mitarbeiter eines Unternehmens. Aber wie organisiert man solche Veranstaltungen? Ich habe besonders drei Methoden zu schätzen gelernt.

Selbstorganisation ist nicht nur Scrum oder Agilität. Es gibt weitere Methoden. Der Kern ist immer, dass die Organisatoren lernen loszulassen und den Entscheidungs- und Planungsprozess der Gruppe zu übergeben. Damit man sich nicht sofort heillos zerstreitet, ist es gut, einen erprobten Rahmen zu haben, der einen durch diesen Prozess leitet. Dazu stelle ich mal drei Methoden vor:
  • Open Space Technology
  • Zukunftskonferenz (Future Search)
  • Wertschätzende Organisationsentwicklung (Appreciative Inquiry)
Diese Methoden sind sehr gut dokumentiert. Es gibt fertige Anleitungen. Bei allen gibt es Foren im Internet, über die man sich mit Gleichgesinnten austauschen kann. Die drei vorgestellten Methoden sind nur Beispiele für die Einbeziehung größerer Gruppen. Im Change Handbook werden 61 solcher Methoden vorgestellt (Holman, Peggy: The Change Handbook : The Definitive Resource on Today's Best Methods for Engaging Whole Systems: Easyread Large Edition. Lrg. Bouler, Colorado: ReadHowYouWant.com, 2009.)

Open Space Technology

Open Space (von Harrison Owen) ist von den dreien die einfachste Methode. Das Prinzip ist, dass die Gruppe selbst die Themen bestimmt, über die sie sprechen möchte. Dazu kann am Anfang ein Motto festgelegt werden, oder auch nicht.

Open Space besteht aus drei Teilen:
  • Zu Beginn wird Open Space erklärt. Danach werden die Teilnehmer aufgefordert, ein Thema zu nennen, für das Sie Leidenschaft entwickelt haben. Einer nach dem anderen kommt vor die Gruppe und nennt sein Thema. Alle Themen werden auf einer Art Stundenplan (der Anliegenwand) notiert.
  • Danach beginnt die Marktplatzphase: Alle Teilnehmer tragen sich mit ihrem Namen oder Kürzel bei den Themen ein, die sie interessieren. Wenn jemand zwei Sessions besuchen will, die gleichzeitig stattfinden, verhandelt er mit den Diskussionsleitern über Änderungen am Stundenplan.
  • Dann beginnen die eigentlichen Open Space Sessions. Dafür stellt der Organisator verschiedene Räume bereit. Dazu gibt es zum Beispiel einen Stundentakt, nach dem gewechselt wird.
Wer Open Space einmal selbst erleben will, kann das bei Konferenzen wie den Scrum-Days oder der Agile Cologne tun.

Der Erfinder von Open Space hat ein gutes Buch als Anleitung geschrieben, das ich sehr empfehle.
Für die Community gibt es die Plattform http://www.openspaceworld.org/

Zukunftskonferenz (Future Search)

Die Zukunftskonferenz (von Marvin Weisbord und Sandra Janoff) ist ein mindestens zweitägiges Ereignis (mit zwei Übernachtungen), das einem festen Format folgt.
  • Zunächst wird mit Zeitlinien die Vergangenheit untersucht (und abgeschlossen).
  • Dann werden die Trends gemeinsam aufgenommen und in Kleingruppen diskutiert.
  • Anschließend arbeitet die Gruppen an Zukunftsbildern.
  • Nach den Zukunftsbildern beschreibt die Gruppe ihre gemeinsamen Werte (Common Ground).
  • Schließlich wird die Umsetzung geplant.
Die Zukunftskonferenz gibt einen guten Rahmen für die Zusammenarbeit vor. Wenn man die Gruppe lässt, entwickelt sie wirklich erstaunliche Dinge. Allein die Zeitlinienübung und die gemeinsame Trendanalyse sind gute Übungen, die eine Gruppe nach vorn bringen.

Die Autoren haben eine gute Beschreibung der Zukunftskonferenz veröffentlicht:
Für die Community gibt es die Plattform https://www.futuresearch.net

Wertschätzende Organisationsentwicklung (Appreciative Inquiry - AI)

AI gefällt mir auch sehr gut. Der Ansatz ist, eine Organisation aus ihren Stärken heraus weiter zu entwickeln. David Cooperrider hat diesen Ansatz in den 1980er-Jahren entwickelt. Die Hintergründe sind ziemlich interessant. Der Blick in die Handbücher lohnt sind. Trotz der umfangreichen Forschung wurde AI auf einen einfachen Zyklus reduziert:
  • Discover: Entdecke die Stärken der Organisation
  • Dream: Täume, was alles möglich ist.
  • Design: Entwerfe einen Grundriss für die neue Organisation
  • Destiny: Erarbeite einen konkreten Plan für die Umsetzung
Wie bei der Zukunftskonferenz kann man auch bei AI eine mehrtägige Veranstaltung, den AI Summit organisieren. Das Format ist dabei etwas offener und es gibt verschiedenen Vorschläge für den Ablauf.

David Cooperrider und andere haben mehrere Bücher veröffentlicht. Mit gefällt das aktuelle AI-Handbuch ganz gut. Dort gibt es auch genug Quellen für die weitere Recherche.
Die Community-Plattform ist AI Commons und wird bei der Uni gehostet, an der David Cooperrider lehrt: http://appreciativeinquiry.case.edu/

Wann nutze ich welche Methode?

Open Space ist die Methode, da sich am schnellsten umsetzen lässt. Man bietet einen großen Raum an, lädt eine große Zahl von Teilnehmern ein und lässt diese die interessanten Themen nennen. Das funktioniert gut.

Manchmal tun sich Gruppen schwer, wenn sie spontan Themen nennen sollen. Gerade wenn Organisationen gewöhnt sind, dass viel vorbereitet und geplant wird. Deswegen mache ich vorher irgendeine Übung zum Auflockern oder Kennenlernen. Vor dem Open Space mache ich dann die Trendanalyse, wie sie bei der Zukunftskonferenz beschrieben ist. Dann hat man auf jeden Fall Gesprächsstoff für die Open Space Sessions.

Die Zukunftskonferenz finde ich gut, um mit einer Organisation eine strategische Richtung auszuarbeiten. Das Format ist wirklich erprobt und es kommen gute Zukunftsbilder dabei heraus. Die Gruppe entwickelt Lust und Leidenschaft für Zukunft. Sehr gut gefällt mir die Arbeit an den gemeinsamen Werten. Seit "Tribal Leadership" ist mir aufgefallen, wie wichtig das ist.

Die Ergebnisse aus der Zukunftskonferenz sind manchmal noch zu unkonkret für die Umsetzung. Hier kommt AI ins Spiel. Damit kann man ziemlich gut Umsetzungspläne erarbeiten.

Wenn ich als Berater tätig bin, sehe ich es nicht als meine Aufgabe, der Gruppe zu sagen, was sie tun soll. Auch wenn ich bestimmt viel Fachwissen habe und viele Bücher gelesen habe, glaube ich, dass eine Gruppe selbst ihren Weg in die Zukunft finden muss. Die Lösung, die sie selbst entwickelt, ist viel motivierender und nachhaltiger in der Umsetzung. Deswegen finde ich diese Methoden so gut. Sie zeigen der Gruppe, welche Erfahrungsschätze sie besitzt.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Agile Sternbilder: Die Entdeckung kosmischer Agilitäts-Superkräfte

Hast du dich je gefragt, ob dein Sternzeichen deine Fähigkeiten in einer agilen Arbeitsumgebung beeinflusst? In diesem Blogpost tauchen wir ein in die faszinierende Welt der Astrologie und ihre mögliche Verbindung zu modernen Arbeitsweisen. Entdecke, wie die Sterne deine agilen Stärken prägen könnten. Ob überzeugter Agilist oder neugieriger Sternzeichenliebhaber – dieser Artikel kann dir neue Perspektiven eröffnen und vielleicht sogar dein nächstes Teamprojekt inspirieren!

Den passenden Job finden

Hier teile ich, wie ich daran arbeite, endlich den richtigen Job zu finden. Kleingedrucktes: Dieser Artikel richtet sich (natürlich) an jene, die gerade in der luxuriösen Position sind, dass sie nicht jedes Angebot annehmen müssen. Anstatt von Engagement zu Engagement zu hetzen und frustriert zu sein über Konzernstrukturen, fehlende Ausrichtung und die Erkenntnis, dass in einem selbst beständig die Hintergrundfrage nagt, ob es das ist, womit man seine immer knapper werdende Lebenszeit wirklich verbringen möchte, gibt es manchmal auch die Möglichkeit, die nächste berufliche Station etwas nachhaltiger auszusuchen - auch, um tatsächlich (etwas) mehr beitragen zu können.

Die Microsoft Teams-Not-To-Do-Liste

Viele hoffen, dass es  für die Einrichtung von Microsoft Teams  den Königsweg gibt, den perfekten Plan – doch den gibt es leider (oder glücklicherweise?) nicht. Genauso wenig, wie es jemals einen Masterplan für die Organisation von Gruppenlaufwerken gab, gibt oder je geben wird. Was gut und vernünftig ist hängt von vielen Faktoren und ganz besonders den Unternehmensprozessen ab. Sicher ist nur eines: Von alleine entsteht keine vernünftige Struktur und schon gar keine Ordnung. Dafür braucht es klare Entscheidungen.

Agilität ist tot. Ausgerechnet jetzt?

Agilität wird zurückgefahren, Hierarchien kehren zurück. Doch ist das wirklich der richtige Weg in einer Welt, die immer unberechenbarer wird? Oder erleben wir gerade eine riskante Rolle rückwärts?

Wie beschreibt man einen Workshop für eine Konferenz?

Konferenzen bieten immer ein gutes Forum, um sein Wissen und seine Erfahrungen zu teilen. Was für die Vortragenden selbstverständlich scheint, ist für die Besucher:innen oft unverständlich. Wie können Vortragende ihren Workshop in 2-3 Sätzen beschreiben, damit die Besucher:innen schnell einschätzen können, er sich für sie lohnt?

Gemeinsam eine Anwenderdokumentation erstellen

Unternehmenssoftware ist ein wichtiges Bindeglied zwischen Anwenderinnen und Anwendern, den Unternehmensprozessen und den Ergebnissen. Normalerweise schreibt der Hersteller der Software die Dokumentation für diejenigen, die die Software benutzen. Wenn die Software allerdings stark angepasst wurde, muss die Dokumentation von denen kommen, die die Prozessmaschine am besten verstehen - den Anwenderinnen und Anwendern. Wie könnte man das praktisch machen?

Der Softwareeisberg, die Softwarepyramide - Wie sprechen wir über neue Software?

Software ist aus den Geschäftsprozessen vieler Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Sie verwaltet Kunden- und Produktdaten. Sie automatisiert Abläufe und verhindert Fehler. Aber Software veraltet. Was machen wir, wenn wir Unternehmenssoftware erneuern müssen? Von den ersten Konzepten bis zum ersten Release ist es ein weiter Weg, mit vielen Entscheidungen. Wie sprechen wir über diese Entscheidungen?