Direkt zum Hauptbereich

Ziele setzen ohne die Vergangenheit zu kennen? Keine gute Idee!

Ein Jahreswechsel ist für viele Leute ein Anlass, sich etwas für das neue Jahr vorzunehmen. Ich finde es eine schöne Tradition, wenigstens einmal im Jahr darüber nachzudenken, was einem mittelfristig wichtig ist. Zu oft sind die selbst gesetzten Ziele unrealistisch. Blöd ist, dass wir nicht merken, dass sie unrealistisch sind. Am Ende ärgern wir uns über uns selbst, weil wir mal wieder nicht diszipliniert genug waren. Falsch! Wir hätten uns mit bestimmten Zielen gar nicht überfordern dürfen. Es gibt aber ein gutes Gegenmittel in Form von einer bestimmten Frage.

Irgendwie habe ich eine Vorliebe für Produktivitätsliteratur. Zum Beispiel schreibt Michael Hyatt im Evernote Blog, wie man diese tolle Evernote-Software dazu benutzt, seine Ziele für das Jahr zu verwalten /1/. Wow, der Mann hat Ziele: Er will bis zum Jahresende seinen Umsatz und seinen Gewinn verdoppeln.

Vor Jahren hat Gebhard Borck mich darauf hingewiesen, dass diese ganzen Produktivitäts- und Selbstverbesserungstitel nicht mehr als eine moderne Form von Märchen seien. Damals habe ich mich sehr darüber gewundert; heute schließe ich mich seiner Meinung an. Diese Titel verbreiten die Botschaft, dass man nur ein paar Dinge in seinem Leben ändern und dann diszipliniert bleiben müsse. Dann erreiche man jedes Ziel.

Wenn ich mich so umschaue, sehe ich das Gegenteil. Wo sind denn die ganzen Supermänner (und Superfrauen), wenn das alles so einfach ist? Aus meinem persönlichen Umfeld kann ich mehrere Fälle von berufsbedingtem Verlust von Beziehungen, Depression, Burn-Out und Selbstmord zitieren. In einigen Fällen haben Menschen den Job und den Wohnort gewechselt, in der Hoffnung, dass es diesmal besser werde. Es hört sich verlockend an, aber diese ganze Produktivitätsliteratur erhöht nur den Druck auf den einzelnen Menschen.

Es gibt eine Frage, mit der man diese modernen Sirenen entlarven kann: Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie das Ziel XY erreichen?

Das ist eine gute Frage. Jetzt müssen Sie nämlich nachdenken, welche Annahmen Sie über das vermeintlich attraktive Ziel haben. Nehmen wir an, Sie haben sich zum Ziel gesetzt, in den nächsten 12 Monaten 25 Bücher lesen. Hört sich noch nicht so schwierig an.

Wenn Sie wissen, dass Sie in den letzen 12 Monaten gerade mal 4 Bücher geschafft haben, müssen Sie zugeben, dass es sehr unrealistisch ist, die Leserate von 4 auf 25 Bücher/Jahr zu erhöhen.

Warum haben Sie denn nicht schon in den letzten 12 Monaten 25 Bücher geschafft? Machen wir uns mal klar, was es heißt 25 Bücher zu lesen:
  • 25 Bücher x 200 Seiten/Buch x 1 Seite/Leseminute / 60 Minuten/Stunde ergibt eine Lesezeit von 83 Stunden. 
Diese Zeit müssen Sie sich erst einmal freischaufeln. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Sie nur 13 Stunden Zeit hatten. Wie schaffen Sie sich also 70 Stunden zusätzliche freie Zeit?

Der nächste Punkt, der mich an der Produktivitätsliteratur nervt, ist der Blick auf den Einzelnen. Wir leben aber in Gemeinschaften. Das war für uns der Anlass, das Teamwork-Blog zu gründen. Fast alle Empfehlungen zur Verbesserung der Produktivität richten sich an einzelne Personen. Wenn Sie produktiver arbeiten, weniger Störungen und eine bessere Ablage wollen, bringt es Ihnen gar nichts, wenn Ihre Kollegen Sie ständig (und berechtigt) stören und chaotisch ablegen.

Bevor Sie produktiver werden können, müssen Sie im Team neue Regeln vereinbaren. Wie das geht, verraten die Bücher aber nicht. Bei Regeln im Team geht es nicht im individuelle, sondern um gemeinsame Werte für eine gemeinsame Handlungsbasis. Wie oft haben Sie denn in den letzten 12 Monaten im Team über den Common Ground gesprochen? /2/

Egal, was Sie ändern wollen: Stellen Sie sich selbst oder dem Team die Frage, wie wahrscheinlich der Erfolg ist, wenn Sie die konkrete Vergangenheit (die eigene oder die des Teams) betrachten. Oft ist das eigentliche Ziel gar nicht so wichtig. Viel wichtiger ist die gemeinsame Erfahrung eines Teams, etwas bewegen zu können. Wenn ein Team solche Erfahrungen noch nicht gemacht hat, brauchen wir über Ziele gar nicht reden. Fangen Sie erst einmal an, überhaupt etwas zu bewegen. Diese Erfahrung ist dann die Basis für die nächsten Schritte und erhöht die Wahrscheinlichkeit für den nächsten Erfolg.

Anmerkungen

  • /1/ Michael Hyatt: How Evernote can Help you Achieve Your Goals in 2015, Evernote Blog, erschienen am 29. Dezember 2014, abrufbar unter https://blog.evernote.com/blog/2014/12/29/evernote-can-help-achieve-goals-2015/
  • /2/ Sehr gut eignet sich dafür übrigens das Format der Zukunftskonferenz /3/
  • /3/ Weisbord, Marvin Ross ; Weisbord, Marvin ; Janoff, Sandra: Future Search : Getting the Whole System in the Room for Vision, Commitment, and Action. San Francisco: Berrett-Koehler Publishers, 2010.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das neue Outlook - One Outlook - erster Eindruck

Microsoft hat ein Problem: Outlook ist nicht gleich Outlook. Da ist das gute alte Outlook in der Desktop-Version. Das ist das, womit fast alle von uns im Alltag arbeiten und worüber ich hier schon oft berichtet habe. Outlook auf dem MAC sieht aber anders aus. Outlook auf Mobilgeräten sowieso. Dann gibt's noch Outlook im Web. Kein Wunder, dass Microsoft das alles entwirren, verschlanken und vereinheitlichen möchte. Gelingt es? Hier die interessantesten Funktionen des neuen Outlooks . 

Kategorien in Outlook - für das Team nutzen

Kennen Sie die Kategorien in Outlook? Nutzen Sie diese? Wenn ja wofür? Wenn ich diese Fragen im Seminar stelle, sehe ich oft hochgezogene Augenbrauen. Kaum jemand weiß, was man eigentlich mit diesen Kategorien machen kann und wofür sie nützlich sind. Dieser Blogartikel stellt sie Ihnen vor.

Und jetzt alle zusammen! Teams - OneNote - Aufgaben - To Do

Ein Meeting jagt das nächste. Sich da nicht zu verzetteln, wird  im Zeitalter virtueller Besprechungen  noch anspruchsvoller. Kein Wunder, dass  im Zusammenhang mit Microsoft 365  zwei Fragen besonders häufig auftauchen: Wie dokumentiert man Besprechungen gut? Was hilft, offene Aufgaben nachzuhalten? Eine gute Lösung: Das in MS Teams integrierte OneNote-Notizbuch als gemeinsame Plattform auch für den Aufgabenüberblick zu nutzen.

E-Mail-Vorlagen gemeinsam nutzen (Outlook)

Mittlerweile wird praktisch alle Routine-Korrespondenz in Outlook erledigt. Was liegt da näher, als ein gutes Set von Vorlagen zu erstellen und diese gemeinsam in Team zu nutzen? Leider hat Microsoft vor diesen – an sich simplen – Wunsch einige Hürden gebaut.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

"Denn sie wissen nicht was sie tun ...! Freigeben und teilen in OneDrive und SharePoint und per E-Mail

Neuerdings können Sie bei Ihren E-Mails entscheiden, ob Sie den Anhang als Datei (Kopie) anhängen wollen oder einen Link senden. Doch was kann dieser Link? Wie sicher ist er? Wer kann was damit tun? Lesen Sie hier was sinnvoll ist und was weniger.

Outlook-Aufgabenliste: bitte nicht die Aufgaben des ganzen Teams!

Am Tag der Arbeit kommt eine Lösung, nach der ich schon so oft gefragt wurde: Wie schaffe ich es, dass meine Outlook-Aufgabenliste nur meine eigenen Aufgaben anzeigt und nicht auch die E-Mails, die meine Kollegen gekennzeichnet haben oder Aufgaben, die einfach in einem gemeinsamen Postfach stehen?

Das Ubongo Flow Game

Spiele bieten eine gute Gelegenheit, zeitliche Erfahrungen zu verdichten und gemeinsam zu lernen. Karl Scotland und Sallyann Freudenberg haben im Mai 2014 das Lego Flow Game veröffentlicht. Wir haben die Spielidee übernommen, aber das Spielmaterial gewechselt. Statt Legosteinen benutzen wir Material aus Grzegorz Rejchtmans Ubongo-Spiel. Hier präsentieren wir die Anleitung für das Ubongo Flow Game.

Nie wieder Ärger mit Besprechungsserien in Outlook

Erstellen auch Sie Besprechungsserien in Outlook? Ärgern auch Sie sich manchmal darüber, wenn Sie etwas zu ändern haben? Falls nicht, versenden Sie entweder keine wiederkehrenden Outlook-Besprechungen (Serienterminen). Oder Sie ändern nie etwas daran. Dann ist dieser Artikel nichts für Sie. Lesen Sie aber bitte weiter, falls Sie sich schon immer mal gefragt haben, ob es eine Lösung gibt?