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Toll, ein anderer macht’s - Warum sich Kooperation doch lohnt

„Toll, ein anderer macht’s“ – Die Definition von Team ist für den Zyniker klar.  Außer dieser Einstellung erleben wir jede Art eigennützigen Verhaltens, häufig genug von nächsten Kollegen.  Wenn Kollegen so nervig und unverlässlich sind, kann Teamarbeit noch klappen? Wir haben hier im Teamworkblog schon darüber reflektiert, ob Personen alleine nicht besser mit ihrer Arbeit vorankommen als in Teams /1/.  Aber jetzt stellen wir die Frage noch provokativer:  In einer Welt, wo jeder seinen eigenen Vorteil zu suchen scheint, welche Motive habe ich überhaupt zu kooperieren?



Wir sind in einer Unterhaltung mit einer Psychologin auf einige faszinierende Aspekte der Evolutionspsychologie gestoßen, die uns mit der Frage hilft, warum Teamarbeit immer zwischen Kooperation und Egoismus pendelt, aber auch, warum die Kooperation am Ende siegt.

Zunächst ein paar Erkenntnisse aus der Wissenschaft

Sozialwissenschaftler scheinen einig darüber, dass reiner Altruismus außerhalb der Familie kaum existiert.  Purer Altruismus kann sich evolutionär nicht durchsetzen, da Egoisten diese “Naivität” ausnutzen.  Wenn das so ist, warum kooperieren wir dennoch?  Gehen wir nicht durch einen Vertrauensvorschuss oder durch Hilfsbereitschaft das Risiko ein, von gnadenlosen Egoisten überrollt zu werden?  Das Risiko besteht durchaus.  Spannend ist jedoch, dass Kooperation auch evolutionärer vorteilhaft ist.  Auch in einer durch Egoismus geprägten Umgebung können sich kleine Gruppen von kooperativen Individuen behaupten.

Die Logik dahinter haben der Politikwissenschaftler Robert Axelrod und der Biologe William Hamilton 1981 durch Computersimulationen des Prisoner’s Dilemma entdeckt /2/.  Beim klassischen Prisoner’s Dilemma verspricht die Polizei zwei Komplizen jeweils eine mildere Strafe, wenn der eine gegen den anderen aussagt.  Wenn beide schweigen (= miteinander kooperieren), bekommen beide nur eine geringe Strafe.  Wenn beide aussagen (= nicht miteinander kooperieren), wird die Strafe größer.  Wenn allerdings nur ein Gefangener aussagt, kommt er frei, und der Komplize erhält eine sehr harte Strafe (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Strafen


Wenn nur eine Runde gespielt wird, ist Verrat klar die beste Alternative, weil dann meine Strafe milder ausfällt, als wenn ich mich als einziger kooperativ verhalte.  Werden aber eine unbekannte Anzahl von Runden gespielt, so ist “Wie du mir, so ich dir” die erfolgreichste Strategie.  Ich verhalte mich immer so wie mein Mitspieler in der Vorrunde. So entsteht eine Mischung aus kooperativen und nicht kooperativen Zügen in Reaktion auf das Verhalten des anderen.

Die Implikationen des Dilemmas sind vielfältig.  Nur zwei Strategien sind langfristig evolutionär stabil: "immer Verrat" und “wie du mir, so ich dir” (engl. !@#$%^&*-for-tat).  Letztere bedeutet Kooperation, solange der andere auch kooperiert, also ein reziproker Altruismus.  Dies ist am Ende stabiler /3/.

Erfolgreiche Strategien

In seiner Simulation analysierte Axelrod 3 Millionen Entscheidungen von hunderten von Spielern. Am Ende kristallisierten sich vier erfolgreiche Strategien heraus:
  • Nett sein:  Man sollte nie der erste sein, der nicht kooperiert.
  • Bereitschaft für Vergeltung:  Wer immer kooperiert, egal wie sich sein Gegenüber verhält, wird ausgenutzt.
  • Bereitschaft zur Verzeihung:  Es ist wichtig, aus Teufelskreisen von Vergeltung auszubrechen.
  • Kein Neid:  Das Streben nach einer höheren Punktzahl als die anderen ist weniger erfolgreich als der Versuch, einfach das optimale Ergebnis für mich zu erreichen.
Eine weitere psychologische Erkenntnis in diesem Zusammenhang ist unser ausgeprägter Sinn, Betrüger zu erkennen.  Formuliert man eine Aufgabe als abstraktes Problem (wie die Aufdeckung von Karten mit Zahlen nach einer logischen Regel), sind unsere Erfolgschancen nur mittelmäßig.  Formuliert man dieselbe Aufgabe als einen Betrugsfall unter Menschen (anstatt Zahlen stehen auf den Karten Aussagen wie “er hat nicht gezahlt”), wird die Aufgabe von den meisten Menschen schnell gelöst /4/.  Diese Betrugssensibilität ermöglicht uns, kooperativ zu sein, ohne ausgenutzt zu werden, und macht damit Kooperation zu einer evolutionär stabilen Strategie.

Bedeutung für Teamwork

Was lernen wir für unsere Zusammenarbeit im Team aus der Spieltheorie?
  1. Es untermauert die alte Weisheit: “man trifft sich immer zweimal im Leben”.  Die Kooperationslogik des Prisoner’s Dilemmas funktioniert, wenn Chancen für eine spätere Begegnung mit der Person bestehen.  In einem Organisationskontext gehen wir davon aus, dass wir jemanden nochmal treffen.  Deshalb kooperieren wir.
  2. Zusammenarbeit steht evolutionsbedingt in einem Gleichgewicht zwischen Kooperation und Egoismus.  Einerseits ist reiner Altruismus nicht zu erwarten und wäre langfristig keine stabile Strategie.  Ich sollte mich nicht komplett für das Team opfern und dies auch nicht von anderen erwarten.  Ich darf nein sagen und meine Bedürfnisse formulieren, und ich sollte akzeptieren, dass meine Kollegen das auch tun. Andererseits müssen wir keinen Kampf unter Egoisten befürchten, weil kooperative Gruppen sich gegen reinen Egoismus durchsetzen können.  “Toll, ein anderer macht’s” wird als egoistische Einstellung schnell von der Gruppe aufgedeckt.  Kooperatives Verhalten liefert dagegen immer wieder Vorteile, z.B. sind diejenigen beruflich erfolgreicher, die ihr Wissen großzügig verteilen.  Das Bunkern von Wissen ist eine egoistische Strategie, die langfristig im Team nicht haltbar ist.
  3. Ein Vertrauensvorschuss und die Bereitschaft zu verzeihen sind wichtige kooperative Strategien. Wenn ich Vertrauen zeige, tut mein Gegenüber dies auch.  Ebenso, wenn ich mich egoistisch verhalte. Nur wenn ich bereit bin, dem anderen trotz unkooperativen Verhaltens noch eine Chance zu geben, können wir aus dem Teufelskreis des Nicht-kooperierens ausbrechen.  Dies hat sich als die wertvollste Strategie behauptet. 

Anmerkungen


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