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Wie Teams mit der MoSCoW-Priorisierung ihre Arbeit planen

„Alle meine Anforderungen haben höchste Priorität,“ sagt der Kunde fordernd. „Perfekt. Kriege ich hin,“ antwortet der eifrige Entwickler, der gerade ein „Good Customer Service“-Seminar besucht hat. Zurück am Schreibtisch fängt er an, den Projektplan zu schreiben. Nach dem dritten Startversuch stellt er fest, dass alle Prioritäten auch ganz niedrig sein hätten können, oder vielleicht in der Mitte, oder…

Fiktiv wie diese Szene ist, stellt sie den Kern eines Problems dar. Priorisierung bedeutet eine nach Rang sortierte Entscheidung über das, was wichtig ist. Es ist nicht kein Fremdwort, das Druck aufbaut. Die Priorisierung findet immer in einem wirtschaftlichen Kontext statt. Praktisch hat der Kunde immer eine feste Vorstellung von seinem Budget - egal ob er ein Festpreis-Projekt einfordert. Kurz gesagt: ich kann nicht alles im Leben haben.

Wir treffen täglich solche Entscheidungen. Können wir heute schon wieder Essen gehen? Wollen wir ein iPad kaufen oder lieber für das Haus sparen? Wollen wir das günstige oder das  hochwertige Navigationssystem mit dem automatischen „Senf-Spritzer gegen Verkehrssünder“?

In Projekten sieht es ähnlich aus. Die Kunden müssen sich entscheiden. Unklare Anforderungen bleiben das größte Projektproblem. Agile Methoden /1/ oder Methoden wie PRINCE2 /2/ geben uns ein einfaches Hilfsmittel an die Hand: die MoSCoW-Priorisierung. Der Name leitet sich aus den Anfangsbuchstaben der Prioritäten ab:
  • M - Must have: max. 60% des Gesamtaufwands, wesentlich für den Erfolg der Kosten/Nutzen-Betrachtung
  • S - Should have:  ca. 20% des Gesamtaufwands, sehr wichtig, aber nicht kriegsentscheidend
  • C - Could have:  ca. 20% des Gesamtaufwands, „Nice to have“
  • W - Won’t have this time: Können später zu einem M, S oder C werden, gehören momentan nicht zum Umfang
In einer Planungseinheit (Projekt, Phasen, Arbeitspaket, Sprint etc.) werden die Anforderungen wie oben priorisiert und ihr Aufwand geschätzt. Verantwortlich dafür ist der Kunde oder Product Owner. Die Entwickler liefern ihre Aufwandsschätzungen. Am Ende muss der Kunde entscheiden, was er für sein Budget bekommen will?

Nach diesem Ansatz sind der Lieferungstermin und das Budget für die Planungseinheit streng einzuhalten. Auch die Qualität ist heilig. Das Projekt wird über die Priorisierung des Umfangs (die Menge der verschiedenen Anforderungen) gesteuert. Damit wird die übliche Praxis zu Gunsten des Rufs der Entwickler auf den Kopf gestellt. Wichtig hierbei ist das Erkenntnis, dass eine „M“-Anforderung nur seine Bedeutung gewinnt, wenn es genügend „S“- und „C“-Anforderungen gibt.

Wie geht es in die Praxis?
  • Der Kunde muss die Eigentümerschaft über seine Anforderungen übernehmen (als ob es um sein eigenes Haus ginge)
  • Der Kunde bzw. Benutzervertreter muss aktiv mit dem Entwickler die Anforderungen diskutieren.
  • Die Entwickler können diese Methode ihren Kunden vorstellen und bitten, entsprechend zu priorisieren.
  • Die Entwickler tragen die Verantwortung dafür, „Stopp. Wir haben 60% erreicht. Oder möchten Sie lieber das Budget erweitern.“ zu sagen.
  • In umgewandelter Form kann auch MoSCoW für das persönliche Zeitmanagement angewendet werden. Die Zeit ist ein kostbares Gut, von dem es nie genug gibt.
Charmant an der MoSCoW-Methode ist seine vielfältige Anwendbarkeit, besonders in eingespielten Teams. Neben Produktanforderungen lassen auch Teamaufgaben durch "Must do, Should do, etc." sehr gut priorisieren. Gerade wo der Stress das Team überwältigt, kann diese Technik aus der Schublade gezogen werden und innerhalb einer Viertelstunde zu Klarheit führen. Allerdings muss der 60%-Regel bei Muss-Aufgaben eingehalten sein.

Fordern Sie noch, oder priorisieren Sie schon?

Literaturhinweise:

Kommentare

  1. Danke für die Beschreibung MoSCoW-Methode. Dieser Methode zufolge ergibt sich die Priorität der Anforderungen aus der Diskussion zwischen Kunde bzw. Benutzervertreter und dem Entwickler. Meines Erachtens ist jede diskussionsbasierte Bewertung ein Schwachpunkt, dem es zu begegnen gilt. Wie das gehen könnte schlagen wir auf der folgenden Seite vor:

    http://apliki.de/2015/03/02/die-kunst-anforderungen-zu-priorisieren/

    Weitere Vorschläge zur Vermeidung von Prioritätsdiskussionen sind willkommen.

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  2. Gibt es eine Möglichkeit eine Quantifizierung der MoSCoW-Methodik zu erstellen (insbesondere bei multiplen Ergebnisse unterschiedlicher Stakeholder) ?

    Danke

    AntwortenLöschen

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