Direkt zum Hauptbereich

Entweder oder. Das ist ja wohl... das LETZTE!

Zumindest ist‘s der letzte Blogpost, den Ihr, liebe Leserinnen und Leser, in diesem Jahr von uns zu lesen bekommt. Herzlichen Dank für Euer Interesse an unserem Blog und alles Gute für‘s kommende Jahr! Wie das wohl werden wird? Entweder so oder so. Oder doch sowohl so, als auch so?



Zeichnung vom Autor.


Vermutlich hatten wir als Einzelne und als Gemeinschaft noch nie so viele und so vielfältige Möglichkeiten wie heute. Unentwegt werden wir deshalb ermutigt, angeleitet, manchmal ermahnt und gelegentlich sogar handfest gedrängt, sie auch zu nutzen. Unser Zeitgeist verlangt, dass wir alle die vielen reichhaltigen, barrierefreien und rund um die Uhr verfügbaren Angebote nutzen, die sich uns allerorten auftun. Wir wollen und sollen uns damit gefälligst selbst verwirklichen und jederzeit das Beste aus uns und unserer Welt herausholen. (Zeitgeist heißt übrigens: Wir verlangen das von uns selbst und von anderen.) Es geht darum, unsere Fähigkeiten und Talente dauerhaft zu entwickeln und maximal zu nutzen! Und natürlich machen wir das. Gerne sogar. Schließlich ist dies ja wohl der Inbegriff einer freiheitlichen Lebensweise, die uns freiheitsliebenden Menschen doch so wichtig ist: „Ich verwirkliche mich, also bin ich.“

„Mach was draus! Nutze deine Möglichkeiten!“


Doch dieser verheißungsvolle Selbstverwirklichungs-Mechanismus der vielen Möglichkeiten hat einen Haken: Ausgerechnet eine sehr wichtige, vielleicht sogar die wichtigste Möglichkeit bleibt uns verwehrt. Nämlich einfach sein - so sein, wie wir eben sind. Das ist nicht mehr drin. Denn wenn wir nur (erfolgreich) sein dürfen bzw. können, wenn wir alle unsere Möglichkeiten maximal nutzen, heißt das umgekehrt auch, dass wir eben nicht (erfolgreich) sein dürfen oder können, wenn wir das nicht tun. Unser freiheitlicher Zeitgeist - zumal jener einer Leistungsgesellschaft aus Leidenschaft - wartet also mit einer ziemlich klaren Warnung auf, die sehr deutlich bei uns ankommt: Entweder du nutzt deine Möglichkeiten. Oder...

Menschen fühlen sich in Entweder-Oder-Situationen allgemein ungut und in die Enge getrieben. Und das zurecht. Vor allem dann, wenn es ums Ganze geht, also z.B. ihre wirtschaftliche Existenz, ihr Selbstbild oder ihre gesellschaftliche Reputation. Steckt dieses Gefühl, diese abstrakte Existenzangst, hinter all dem vielzitierten Stress, der heutzutage ja immer spürbarer ist? Vielleicht. Sicher ist jedenfalls, dass Menschen in solchen Zuständen dazu neigen, mit Tunnelblick unvernünftig und aggressiv (und auch: autoaggressiv) zu reagieren. Und eben genau nicht wie uns eigentlich aufgetragen, also indem wir alle uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, Talente und Fähigkeiten entspannt zu unserem Wohlbefinden nutzen. Denn wir sehen in solchen Sitationen nur: Entweder-oder. Ist das der Grund, warum es für uns immer öfter „alternativlos“ zugeht? Warum es für uns entweder Gewinner oder Verlierer gibt? Entweder Erfolg oder (totales) Scheitern? Entweder Wirtschaft oder Gemeinwohl? Entweder Reich oder Arm? Entweder richtig oder falsch? Entweder links oder rechts? Entweder super oder unterirdisch? Entweder „Wir. Und zwar zuerst. Quasi über alles!“ oder "Niemand sonst“?

Freiheit und gute Entscheidungen beginnen mit mindestens drei Wahlmöglichkeiten, sagt man aus gutem Grund. Es wäre also schlau, das "Entweder-Oder"-Weltbild durch ein "Sowohl-als auch"-Konzept zu ersetzen. Zumindest spricht einiges dafür, dass wir nur so zu sehr viel besseren Entscheidungen kommen und wirklich alle unsere Möglichkeiten nutzen. Bei Lichte betrachtet dürfte das auch die einzige Möglichkeit sein, unsere eigene und auch unser aller (Wahl-) Freiheit zu erhalten und etwas aus uns und unserem So-Sein zu machen. Nämlich hoffentlich das Beste.

Im Namen der Autorinnen und Autoren des Teamworkblogs wünsche ich allen Leserinnen und Lesern einen guten Rutsch ins neue Jahr und ein sowohl zufriedenes und gesundes als auch erfolgreiches, variantenreiches lebhaftes 2020! 



Edgars eigener Blog: www.trellisterium.de
Edgars Podcast: trellisterium.podbean.com 

Edgar Rodehack ist Teamwork-Enthusiast mit einem Faible für agile Formen der Zusammenarbeit. Da trifft es sich natürlich gut, dass er das beruflich macht. Er ist Organisationsberater, Business und Agile Coach, Teamentwickler und Moderator. Außerdem ist er ein Mensch mit Frau und drei Kindern, der viel Spaß am Musikmachen, Schreiben und Lesen hat. Mehr über ihn: www.rodehack.de



Literatur

  • Bude, Heinz: Gesellschaft der Angst. Hamburg, 2014.
  • Rosa, Hartmut: Unverfügbarkeit. Wien, 2018.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wie lassen sich Ergebnisse definieren? - Drei Beispiele (WBS, CBP und BDN)

Ich habe schon darüber geschrieben, warum das Definieren von Ergebnissen so wichtig ist. Es lenkt die Aufmerksamkeit des Projektteams auf die eigentlichen Ziele. Aber was sind eigentlich Projektergebnisse? In diesem Beitrag stelle ich drei Methoden vor, um leichter an Ergebnisse zu kommen.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Wie Agilität den Kundennutzen steigert - Einige Argumente für Berater:innen

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit fragen sich viele, ob agile Beratung noch eine Zukunft hat. Die Antwort liegt in der konsequenten Orientierung am Kundennutzen. Qualität setzt sich durch, wenn sie messbare Verbesserungen bei Umsatz, Kosten und Leistungsfähigkeit bewirkt, anstatt sich in Methoden und zirkulären Fragen zu verlieren. Dieser Artikel zeigt, wie agile Beratung nachhaltige Veränderungen in Unternehmen schafft und warum gerade jetzt gute Berater:innen gebraucht werden, um Organisationen widerstandsfähiger zu machen.

Warum eine Agile Transformation keine Reise ist

Die agile Transformation wird oft als eine Reise beschrieben. Doch dieser Vergleich kann viele Unternehmen in die Irre führen oder Bilder von unpassenden Vergleichen erzeugen. Transformationen sind keine linearen Prozesse mit einem klaren Ziel, sondern komplexe und dynamische Entwicklungen. Dieser Artikel zeigt, warum Agilität kein Weg mit einem festen Endpunkt ist.

Kleine Organisationsveränderungen, die direktes Feedback erzeugen

Große Veränderungen sind in einer Organisation schwer zu messen. Oft liegt zwischen Ursache und Wirkung ein langer Zeitraum, sodass die Umsetzer:innen nicht wissen, was genau gewirkt hat. Hier ist eine Liste mit kleinen Maßnahmen, die schnell etwas zurückmelden.

Agile Leadership – Führst du noch oder dienst du schon?

Die Arbeitswelt verändert sich. Und das spüren nicht nur Führungskräfte, sondern vor allem Mitarbeitende. Immer mehr Menschen hinterfragen den Sinn ihrer Arbeit, erwarten Respekt, Vertrauen und eine Unternehmenskultur, die echte Zusammenarbeit ermöglicht. Studien wie die Gallup-Studie 2025 oder die EY-Jobstudie zeigen: Der Frust am Arbeitsplatz wächst – und mit ihm die Unzufriedenheit mit der Führung. Höchste Zeit, umzudenken. Genau hier setzt agile Führung an. 1. Warum agile Führung heute entscheidend ist  Klassische Führung – hierarchisch, kontrollierend, top-down – funktioniert immer weniger. Die Zahlen sind eindeutig:  Laut Gallup fühlen sich nur noch 45 % der deutschen Beschäftigten mit ihrem Leben zufrieden. Fast jede dritte Kündigung erfolgt wegen der Führungskraft. Nicht das Gehalt, sondern mangelnde Wertschätzung, fehlendes Vertrauen und ein schlechtes Arbeitsumfeld treiben Menschen aus Unternehmen.  Agile Führung bietet eine Alternative, die auf Vertrauen, Selbs...

Ent-Spannen statt Platzen: Erste Hilfe für mehr Vertrauen und Resilienz im Team

Zwei Themen die mir in den letzten Wochen immer wieder über den Weg laufen sind Vertrauen und Resilienz. Vertrauen als das Fundament für gemeinsame Zusammenarbeit und Resilienz als die Fähigkeit, Herausforderungen, Stress und Rückschläge zu bewältigen und gestärkt daraus hervorzugehen.  In dem Blogpost möchte ich ein paar Erste-Hilfe Interventionen teilen, die zu mehr Vertrauen und Resilienz im Team führen können - gerade wenn die Emotionen hochkochen und es heiss her geht im Team. Die „Mist-Runde“: Ärger Raum geben. In konfliktbeladenen oder belasteten Teams kann es eine große Herausforderung sein, eine offene Kommunikation und ein respektvolles Miteinander zu fördern. Eine einfache, aber äußerst effektive Methode, um Spannungen abzubauen, ist die „Mist-Runde“ . Diese Intervention, die ich zuerst bei Veronika Jungwirth und Ralph Miarka kennengelernt habe, gibt den Teilnehmern einen geschützten Raum, in dem sie ihre Frustrationen und negativen Gedanken ohne Zensur äußern können un...

Microsoft Lists: mit Forms und Power Apps komfortabel mobil arbeiten

In meinem Kundenkreis sind viele Menschen, die den Arbeitsalltag nicht vorwiegend auf dem Bürostuhl sitzend verbringen, sondern "draußen" unterwegs sind. Vielleicht in Werkstätten oder im Facility-Management. Es ist so wichtig, dass die Schnittstellen zu den Abläufen im Büro gut abgestimmt sind. Microsoft 365 hat so einiges im Baukasten, man muss es nur finden und nutzen.  In diesem Artikel spiele ich ein Szenario durch, das auf Microsoft Lists, Forms und - für die Ambitionierteren - Power Apps setzt.

Selbstbewertungsfragen für den Alltag in Arbeitsgruppen aus Sicht von Mitarbeitenden

Welche Fragen können wir Mitarbeiter:innen stellen, um herauszufinden, ob agiles Arbeiten wirkt? Es gibt bereits eine Menge an Fragebögen. Aber ich bin nicht immer zufrieden damit.