Direkt zum Hauptbereich

Dokumentenmanagement ist Prozessmanagement ist Vorgangsmanagement

Das Thema Dokumentenmanagement wirkt ein wenig angestaubt. Wer ein System sucht, um Dokumente im Unternehmen zu speichern, findet ein umfangreiches Angebot an Softwareprodukten. Dabei geht es aber gar nicht um Software, sondern um Prozesse. Wer seinen Umgang mit Dokumenten wirklich verbessern will, muss die Abläufe im Unternehmen verstehen. Das ist gar nicht so schwer.

Von Wolf stammt der Spruch: "Ein Dokumentenmanagementsystem (DMS) managt keine Dokumente, sondern den Umgang von Menschen mit Dokumenten." Diese Kurzbeschreibung finde ich sehr passend. Sie beschreibt, warum technisch geführte DMS-Einführungsprojekte scheitern: Aus technischer Sicht wird nur der Umgang mit Dokumenten beschrieben. Word-Datei rein, PDF raus. Aber die Anwender werden komplett ausgeblendet. Ablegen spart keine Zeit - aber Abschreiben schon.

Wann braucht ein Anwender Dokumente?

Dokumente sind die Spuren und Betriebsmittel unserer Arbeit. Immer, wenn wir etwas tun, entstehen Dokumente oder wir bekommen Dokumente:
  • Wir erstellen Pläne und Konzepte.
  • Wir fragen per E-Mail nach Informationen oder liefern solche.
  • Wir erstellen Lieferscheine und Rechnungen oder bekommen solche.
  • Wir dokumentieren unsere oder fremde Arbeit oder wir prüfen die Dokumentation.
Immer sind Dokumente beteiligt. Es ist egal, in welchem System sie liegen, wie wir sie versenden oder in welchem Format die Informationen gespeichert sind. Die wichtigste Metainformation ist, in welchem Prozess ein Dokument benutzt wird.

Sollten Sie in ein sog. DMS-Projekte verwickelt werden, erzählen Sie nicht, welche Dokumente sie benutzen, sondern zeigen Sie, wie Sie arbeiten. Die erste Stufe im Prozessmanagement ist, sich der unterschiedlichen und ähnlichen Prozesse im Unternehmen bewusst zu werden.

Prozess ist nicht gleich Workflow

In unserer Beratungspraxis teilen wir die Prozesse in stark und schwach strukturierte Prozesse ein. Der IT-Berater Rob England nennt sie Standard und Case /1/.
  • Stark strukturierte Prozesse lassen sich gut standardisieren. Es gibt wenig Interpretationsspielraum. Dafür kann man gute Workflows festlegen.
  • Schwach strukturierte Prozesse lassen sich nicht gut standardisieren. Es gibt viel Interpretationspielraum und viele Variationen. Es ist unmöglich, alle möglichen Varianten, z. B. für eine medizinische Untersuchung festzulegen und dafür einen Entscheidungsbaum zu erstellen. Jeder Vorgang ist ein Einzelfall, ein Case. (Teile der Arbeit können sehr wohl wieder stark strukturiert sein.)
Viele DMS-Hersteller fallen durch die Rechnungsbearbeitungstür ins Haus. Das ist ein Prozess, der sich gut standardisieren lässt. Daraus darf man aber nicht ableiten, dass dies für alle Prozesse im Unternehmen gilt.

Bei Standardabläufen kann ich Fehlerquoten und Durchlaufzeiten festlegen. Bei schwach strukturierten Prozessen - und das kommt aus Rob Englands Buch - kann ich das nicht. Ich kann nur festlegen, wie lange sich ein oder mehrere Mitarbeiter mit diesem Thema beschäftigen können. Ein Case belegt eben einen Mitarbeiter.

Es gibt keine Prozesse, nur Vorgänge

Vielleicht fragen Sie sich, wie Sie dann schwach strukturierte Prozesse beschreiben? Zunächst einmal gibt es aus meiner Sicht keine Prozesse. Prozesse sind ideale Abläufe, die so nie im Unternehmen vorkommen. Was aber vorkommt, sind die echten Vorgänge. Das echte DMS-Projekt von Wolf Steinbrecher, die echte Servicedesk-Beratung von James Lee, die echte Schichtmodellberechnung von meinem Kollegen Klaus Dirscherl, das echte Coaching von Peter Fischbach, die Scrum-Beratung von Markus Meuten, all dies sind konkrete Vorgänge.

Diese Vorgänge muss ich sammeln und der Kategorie bzw. dem Prozess "Kunden beraten" zuordnen. Dies ist der Oberordner für meine Vorgänge. Jeder Vorgang selbst bekommt einen eigenen Unterordner.

Wenn ich einen neuen Vorgang vom Typ "Kunden beraten" anlege, kann ich vom letzten Vorgang dieses Typs abschreiben:
  • Wolf hat einen Selbstbewertungsbogen erstellt. Vielleicht kann ich den ja nutzen.
  • Peter hat eine E-Mail geschrieben, in der er über den Scrum-Guide informiert. Cool, einen Satz daraus übernehme ich in meine E-Mail.
  • Klaus hat eine Präsentation für ein Schichtmodell gehalten. Solch einen Ablauf brauche ich gerade und ich sehe, nach welchen Daten ich beim Kunden fragen muss. Sieht gleich viel professioneller aus (und spart dem Kunden und mir Zeit).
Aus den konkreten Vorgängen kann ich lernen. Mit der Zeit erkenne ich Muster. Bestimmte Vorgänge lassen sich dann vielleicht doch etwas besser formalisieren, vielleicht auch nur Teile davon. Aber wichtig bleibt, dass ich zunächst die Vorgänge eigenständig sammeln muss.

Deswegen ist Dokumentenmanagement Vorgangsmanagement. Ein Dokumentenmanagementsystem hat die Aufgabe, den Anwendern beim Bearbeiten ihrer Vorgänge zu helfen.

Anmerkungen

  • /1/ England, Rob: Plus! the Standard+Case Approach : See Service Response in a New Light. 1. Aufl.. Ort: CreateSpace Independent Publishing Platform, 2013.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wie lassen sich Ergebnisse definieren? - Drei Beispiele (WBS, CBP und BDN)

Ich habe schon darüber geschrieben, warum das Definieren von Ergebnissen so wichtig ist. Es lenkt die Aufmerksamkeit des Projektteams auf die eigentlichen Ziele. Aber was sind eigentlich Projektergebnisse? In diesem Beitrag stelle ich drei Methoden vor, um leichter an Ergebnisse zu kommen.

Teamleitungen gesucht

Was macht Teams erfolgreich? Kann man das lernen? Ab Herbst starten unsere Kurse für aktuelle und künftige Teamleitungen. Jetzt gibt es die Gelegenheit, den Kurs zu testen.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Microsoft Copilot - Notebook, Pages, Agents und mehr

Es tut sich sehr viel an der Copilot Front. Gefühlt entwickelt Microsoft mit aller Kraft die KI-Anwendung weiter. Mit dem letzten Update hat sich die Microsoft-Startseite stark verändert. Hier zeige ich, was sich hinter all den Begrifflichkeiten verbirgt und was davon alltagstauglich ist.

Nachschau zum Lean Coffee-Spezial "Agil einfach machen" (Interaktive Buchvorstellung)

Bei unserem Lean Coffee-Spezial Ende Mai waren wir von Lean Coffee Karlsruhe/Frankfurt Zeugen einer Buchvorstellung, doch nicht nur das – natürlich gab es auch einen nicht unbeträchtlichen Anteil an eigener Aktion, denn bei unseren Spezialterminen ist traditionell „Teilgabe“ angesagt. Das Autorenduo Christian Baron und Janick Oswald zeigte uns, was es mit „Agil einfach machen“ auf sich hat.  

Wenn es mal gerade etwas schwierig bei Kund:innen wird… Zwei Fragen, die uns helfen, unsere Strategie mit unseren Kund:innen abzusprechen.

Seit 2024 organisieren Bob Galen und ich eine Masterclass für agile Coaches. Wir möchten die Ausbildung von agilen Coaches verbessern und ihnen Techniken mitgeben, mit denen sie bei ihren Kund:innen etwas einfacher haben. Bisher haben wir in vier Durchgängen mit jeweils 14 Modulen ungefähr 70 Extraordinarily Badass Agile Coaches ausgebildet (/1/). In diesem Blogpost möchte ich ein paar Erfahrungen und simple Techniken aus der Masterclass teilen, wie wir unsere Strategie besser abstimmen können. Sie beschränken sich nicht auf agiles Coaching – das ist nur das Setting.

Schätzungen sind schätzungsweise überschätzte Schätze

"Wer viel misst, misst viel Mist." Zumindest ist diese Gefahr gegeben. Entweder misst man z. B. Mist, weil man zu früh zu KPIs zur Messung von Ergebnissen greift, oder aber man greift zu den falschen KPIs, die gar nicht das messen, was man wissen möchte. Einst war agiles Arbeiten der alternative Ansatz, aber inzwischen gibt es auch für einige Details dessen, was in Konzernen als "agil" praktiziert wird, einleuchtende alternative Ideen, die bis heute noch nicht so richtig auf die große Bühne vorgedrungen zu sein scheinen. 

Kleine Organisationsveränderungen, die direktes Feedback erzeugen

Große Veränderungen sind in einer Organisation schwer zu messen. Oft liegt zwischen Ursache und Wirkung ein langer Zeitraum, sodass die Umsetzer:innen nicht wissen, was genau gewirkt hat. Hier ist eine Liste mit kleinen Maßnahmen, die schnell etwas zurückmelden.

Wie Agilität den Kundennutzen steigert - Einige Argumente für Berater:innen

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit fragen sich viele, ob agile Beratung noch eine Zukunft hat. Die Antwort liegt in der konsequenten Orientierung am Kundennutzen. Qualität setzt sich durch, wenn sie messbare Verbesserungen bei Umsatz, Kosten und Leistungsfähigkeit bewirkt, anstatt sich in Methoden und zirkulären Fragen zu verlieren. Dieser Artikel zeigt, wie agile Beratung nachhaltige Veränderungen in Unternehmen schafft und warum gerade jetzt gute Berater:innen gebraucht werden, um Organisationen widerstandsfähiger zu machen.