Direkt zum Hauptbereich

Büroanalyselabor: Das erste Reagenzglas

Das Teamworkblog hat sich bei seiner rastlosen Jagd auf Vermehrung des Lesernutzens ein neues Angebot ausgedacht: Das Büroanalyselabor. Damit sollen unsere Leser die Effizienz ihrer Büroprozesse und –strukturen analysieren und messen können. Heute ein erstes Tool: Die Festplattenanalyse.

Hatte jemand unter unseren Lesern in seiner Kindheit einen Chemiebaukasten? Ich jedenfalls hatte einen von Kosmos, und so im Alter von 10, 12 war er eines meiner beliebtesten Spielzeuge. Noch 20 Jahre später, wenn ich am Wochenende meinen Eltern einen Besuch abstattete, zeigte meine Mutter mit anklagender Gebärde auf den Perserteppich im Wohnzimmer. Der Chemiebaukasten hatte nicht nur kreisrunde, sauber schwarz umrandete Löcher im Teppich, sondern auch Spuren auf der Seele meiner Mutter hinterlassen.

Das Tool, was wir heute unseren Lesern zum Download anbieten, ist weniger gefährlich. Spannend soll es trotzdem sein. Es dient dazu, eine Altersverteilung der Dateien auf eurem Server zu erstellen und an einem geschätzten „Optimalwert“ zu messen. Hintergrund sind folgende Überlegungen:

  1. In den meisten Teams sind die Dateien stark überaltert. Ihr (informelles) Rentenalter wird ständig heraufgesetzt. Das liegt unter anderem daran, dass elektronische Ordner nie voll werden. Bei Papierordnern ist irgendwann eine Grenze erreicht und irgendjemand muss sie in den Keller schaffen oder schreddern. Elektronische Ordner wachsen ohne Ende.
  2. Das hat natürlich einen ständig steigenden und weitgehend überflüssigen Bedarf an Speicherplatz und Aufwand für die täglichen Datensicherungen zur Folge.
  3. Vor allem aber führt es zu einer Zunahme unserer Mikrozeitverschwendungen. Darunter verstehen wir folgendes Phänomen: Es gibt kleine unnütze Verrichtungen, die wir kaum bewusst wahrnehmen, weil sie quasi in den Poren unserer Arbeitsprozesse auftreten. Hier mal sieben Klicks in die unterste Ordnerebene, bis ich eine Datei habe. Da mal ein Scrollen des Bildschirms, weil der Ordner so viele Unterordner und Dateien enthält. Diese vielen kleinen Zeitverschwendungen summieren sich zu ungeahnten Größenordnungen. Nur mal eine Beispielrechnung:
Tab. 1: Beispielrechnung für Mikrozeitverschwendung

Ein Arbeitstag im Jahr entspricht aber etwa 0,5 % meiner Gesamtkapazität. Und wenn mehrere Arten von Mikrozeitverschwendungen zusammen kommen, bin ich schnell bei 5 oder 10% Verplemperungsfaktor. Umgekehrt: Gelingt es mir, hier zu einer Reduktion zu kommen, kann ich beträchtliche Produktivitätsreserven freisetzen.

Das hängt aber vom Team ab. Wie effizient und (un)aufgeräumt) die elektronischen Ordner sind, kann der Einzelne nur bedingt beeinflussen. Und reden tut auch niemand freiwillig über das Thema. Also kann eine Messung vielleicht das Team sensibilisieren, sich für diese dauernde unnütze Belastung seiner Teammitglieder zu interessieren. Hier setzt unser Tool ein, das erste unseres geplanten Büroanalyselabors. Es ist eine Excel-Datei mit Visual-Basic-Makros. Es erzeugt eine Altersverteilung eurer Dateien auf einem eurer Server oder einer Festplatte oder einem Windowsordner. Die Übersicht hat folgende Form:

Abb. 1: Beispiel für eine Altersverteilung von Dateien
Die orangen Säulen (ausgefüllt oder schraffiert) zeigen die Altersverteilung eurer Dateien. Der schraffierte Teil zeigt den Anteil an Dateien an, der im jeweiligen Intervall zu hoch ausfällt. Das ist im Beispiel vor allem bei den ein- bis zweijährigen Dateien der Fall. Das graue Kästchen über der Säule ganz rechts bedeutet, dass hier sogar weniger Dateien vorhanden sind als zu erwarten (liegt im Beispiel daran, dass der Server erst vor vier Jahren in Betrieb genommen wurde).

Interessant ist das Büroanalyselabor für QMB, IT-Verantwortliche oder Teamleiter, die selbstständig untersuchen möchten, ob das Thema für ihre Organisation Potenzial bietet. Und die die anderen Teammitglieder oder die Entscheider darauf aufmerksam machen wollen.
Aber Büroanalyse tut jedem gut, der einmal einen Schritt neben das tägliche Rad treten und von außen schauen will: "Was tun wir eigentlich? Und wie tun wir es?" Das klärt den Kopf und bringt Ideen.
Viel Spaß beim Experimentieren. Aber passt auf den Perserteppich auf.

Die Datei findet ihr hier: http://www.balancex.de/edv-downloads0.html.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wie lassen sich Ergebnisse definieren? - Drei Beispiele (WBS, CBP und BDN)

Ich habe schon darüber geschrieben, warum das Definieren von Ergebnissen so wichtig ist. Es lenkt die Aufmerksamkeit des Projektteams auf die eigentlichen Ziele. Aber was sind eigentlich Projektergebnisse? In diesem Beitrag stelle ich drei Methoden vor, um leichter an Ergebnisse zu kommen.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Microsoft Copilot - Notebook, Pages, Agents und mehr

Es tut sich sehr viel an der Copilot Front. Gefühlt entwickelt Microsoft mit aller Kraft die KI-Anwendung weiter. Mit dem letzten Update hat sich die Microsoft-Startseite stark verändert. Hier zeige ich, was sich hinter all den Begrifflichkeiten verbirgt und was davon alltagstauglich ist.

Wenn es mal gerade etwas schwierig bei Kund:innen wird… Zwei Fragen, die uns helfen, unsere Strategie mit unseren Kund:innen abzusprechen.

Seit 2024 organisieren Bob Galen und ich eine Masterclass für agile Coaches. Wir möchten die Ausbildung von agilen Coaches verbessern und ihnen Techniken mitgeben, mit denen sie bei ihren Kund:innen etwas einfacher haben. Bisher haben wir in vier Durchgängen mit jeweils 14 Modulen ungefähr 70 Extraordinarily Badass Agile Coaches ausgebildet (/1/). In diesem Blogpost möchte ich ein paar Erfahrungen und simple Techniken aus der Masterclass teilen, wie wir unsere Strategie besser abstimmen können. Sie beschränken sich nicht auf agiles Coaching – das ist nur das Setting.

Schätzungen sind schätzungsweise überschätzte Schätze

"Wer viel misst, misst viel Mist." Zumindest ist diese Gefahr gegeben. Entweder misst man z. B. Mist, weil man zu früh zu KPIs zur Messung von Ergebnissen greift, oder aber man greift zu den falschen KPIs, die gar nicht das messen, was man wissen möchte. Einst war agiles Arbeiten der alternative Ansatz, aber inzwischen gibt es auch für einige Details dessen, was in Konzernen als "agil" praktiziert wird, einleuchtende alternative Ideen, die bis heute noch nicht so richtig auf die große Bühne vorgedrungen zu sein scheinen. 

Teamleitungen gesucht

Was macht Teams erfolgreich? Kann man das lernen? Ab Herbst starten unsere Kurse für aktuelle und künftige Teamleitungen. Jetzt gibt es die Gelegenheit, den Kurs zu testen.

Nachschau zum Lean Coffee-Spezial "Agil einfach machen" (Interaktive Buchvorstellung)

Bei unserem Lean Coffee-Spezial Ende Mai waren wir von Lean Coffee Karlsruhe/Frankfurt Zeugen einer Buchvorstellung, doch nicht nur das – natürlich gab es auch einen nicht unbeträchtlichen Anteil an eigener Aktion, denn bei unseren Spezialterminen ist traditionell „Teilgabe“ angesagt. Das Autorenduo Christian Baron und Janick Oswald zeigte uns, was es mit „Agil einfach machen“ auf sich hat.  

Wie überprüft man den aktuellen Stand einer neuen gemeinsamen Ablage?

Ihr habt in eurem Team die individuellen, unordentlichen Ablagen auf eine gemeinsame Ablage, die nach Vorgängen und Prozessen geordnet ist, umgestellt. Woher wisst ihr, ob das wirklich funktioniert? In diesem Beitrag gibt es 10 Auditfragen.

Kleine Organisationsveränderungen, die direktes Feedback erzeugen

Große Veränderungen sind in einer Organisation schwer zu messen. Oft liegt zwischen Ursache und Wirkung ein langer Zeitraum, sodass die Umsetzer:innen nicht wissen, was genau gewirkt hat. Hier ist eine Liste mit kleinen Maßnahmen, die schnell etwas zurückmelden.