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Wörterbuch des eingefleischten Agilisten (m/w/d)

Wer kennt sie nicht, Klassikerschlagworte aus der agilen Szene? Selbst in Zonen, in denen noch klassisch gearbeitet wird, sind Begriffe wie "Daily" und "Review" schon durchgedrungen. Bei der Zusammenstellung der Einträge habe ich mich sehr amüsiert (die eigenen Witze sind halt die besten), und ich hoffe, dass sie vielleicht auch anderswo für etwas Erheiterung sorgen.

Eines Tages, ich war schon eine Weile mit Scrum beschäftigt, fiel mir auf, dass mir im agilen Arbeitskontext immer wieder dieselben Floskeln, Sprichwörter oder Schlagworte begegneten. Als nun vor einiger Zeit in unserem Lean Coffee Karlsruhe/Frankfurt der Begriff "Schlangenöl" fiel, von einer Teilnehmerin, die gerne sehr griffige und einprägsame Bilder für Arbeitssituationen verwendet (gell, Corinna?! Da freut sich der Ex-Lektor sehr), dachte ich zum ersten Mal daran, eine Liste all dieser Begriffe zusammenzustellen. Daraus wurde dann die Idee, die Inhalte als Wörterbucheinträge zu organisieren, ursprünglich angedachter Titel "Agile Bullshit Bingo".

Die Begriffe sind alphabetisch sortiert. Die Zusammenstellung erhebt weder einen Anspruch auf Vollständigkeit (gerade in diesem Bereich schwierigst, da es ja zigtausend Modelle/Denkansätze/Methoden gibt) noch wurde in irgendeiner Weise wissenschaftlich fundiert oder gar nach objektiven (Igitt! Evidenzbasiert auch noch, oder was?) Kriterien ausgewählt.


Agile Werte

Ja, Werte gibt‘s auch in diesem Arbeitsumfeld - auch wenn man manchmal bei anderen und vielleicht system-bedingt bei sich selbst lange danach suchen muss; es sind aber im Grunde keine „agilen“ Werte, sondern mit diesem Etikett nur alter (guter, gereifter) Wein in neuen Schläuchen.
Selbstverpflichtung (ok, in manchen Ehen räumt die Gattin noch die Socken hinter dem Mann her…), Mut (eines meiner Kinder hat ein T-Shirt mit der Aufschrift „great things never came from comfort zones“), Fokus (der ADHS-Zeit von ständig herumwirbelnden Anforderungen etwas entgegensetzen und ein Fitzelchen Wert durch ein Fitzelchen Beständigkeit schaffen), Offenheit (siehe „sharing is caring“, wenn man bei jedem eigenen Beitrag nur an sein copyright oder Alleinstellungsmerkmale denkt, kann man das Konzept der Kooperation gleich zu Grabe tragen) und nicht zuletzt Respekt sind Werte, die es im Zusammenleben mit anderen Menschen schon lange gab und die uns auch früher schon halfen, es miteinander auszuhalten. Man vergleiche z. B. auch mit Jean-Jacques Rousseau /1/.

Augenhöhe

Hier ist auch schon der erste Begriff, der für mich in seiner Verwendung nicht immer, aber auch nicht selten mehr als Hülse denn als Orientierung für das eigene Handeln verwendet wird. Man denke hier an heute immer noch vermutete Heerscharen von Coaches (Synonym für alle Begleiter:innen, menschlichen Leuchttürme/Wegweiser:innen etc. pp.), die davon überzeugt sind, das Wissen mit Löffeln gefressen zu haben, und den dämlichen Teams da draußen mal zeigen müssen, wie es zu gehen hat. Auch Angehörige höherer Hierarchiestufen haben sicher schon mal entfernt etwas davon gehört, dass "Augenhöhe" zieht und die Fluktuationsrate kleinhalten helfen kann - des einen Augen sind dann schließlich aber doch auf anderer Höhe als diejenigen anderer.

Burndown Chart

Ich habe nie verstanden, warum jemand so akribisch auf dieser Art der Arbeitsabarbeitungsdarstellung herumreitet. Solch ein Chart (warum nennt man es nicht einfach alt-deutsch Abarbeitungskurve oder ähnlich?) zeigt für mich allenfalls Tendenzen des Grades der Abarbeitung von Aufgaben über der Zeit. Zeit ist ja nach wie vor wichtig in den agilen Initiativen in Konzernen, da dort meist trotzdem fixe Endtermine bestehen und da zu diesen Zeitpunkten am besten auch ein relativ fixes Budget verbraucht worden sein soll - nämlich das vorher ganz klassisch genehmigte. Nicht nur das Management fragt dauernd stellvertretend für den Kunden "Wann kriege ich das?", sondern auch Umsetzer:innen fragen das untereinander, wenn sie auf Ergebnissen von anderen aufbauen müssen. Es soll ja Teams geben, deren Burndown Chart-Kurve regelmäßig während des gesamten Sprints kaum nach unten geht, sodass dem PO schon die Schweißperlen auf der Stirn stehen, in der Nacht zum Sprintwechsel aber steil nach unten fällt, weil alle unter Druck noch schnell "irgendwie" in Extra-Schichten ihre Aufgaben fertiggestellt haben (womöglich unter Ersetzung einer formellen "definition of done" durch eine individuelle Version davon, aber pscht! ;-)).

Daily

Auch Standup oder daily Standup genannt. Irgendwie denke ich dabei immer an meine direkte deutsche Witz-Übersetzung "Aufstand" (ein Hobby von mir, English for runaways sozusagen): der Aufstand der Entwickler, die in einen täglich stattfindenden Termin gezwungen werden, wo man auch noch sieht, ob sie sich an Absprachen halten, anstatt heimlich den goldenen Wasserhahn zu programmieren, weil sie immer schon mal ausprobieren wollten, ob und wie sie ihn hinkriegen. Bei einigen reicht vermuteterweise schon der Begriff "Daily", um ihre tägliche Stimmung zu vergrätzen.

Eat your own dogfood

Dieser Satz muss sehr ernst vorgebracht werden, besonders, um die eigene Integrität zu unterstreichen. Ursprünglich bedeutet diese Metapher, dass man seine selbst entwickelten Produkte auch selbst nutzen (wollen) muss. Übertragen gemeint bedeutet sie, dass Coaches und all die, die "begleiten", das, was sie anderen vorschlagen, auch für sich selbst anwenden müssen. Wir kennen das Prinzip aus der Baubranche: "Das erste Haus baust du für deinen Feind, das zweite für deinen Freund und das dritte für dich selbst" /2/. Eine ebenso hippe, weil natürlich ebenfalls englische Variante ist für mich "walk the talk", also nicht nur schwätzen wie ein Prediger, sondern sich selber an die eigenen Worte halten. Kürzlich durchbrach jemand mit Absicht das Drehbuch und reagierte auf den erstgenannten Spruch mit hochgezogenen Augenbrauen: "Also, ich will überhaupt kein Hundefutter essen..." Großartig!

Egocycle Planning

In einem der letzten Lean Coffees von Karlsruhe und Frankfurt gehört: "Die einzige Referenz ist die: Bin ich noch drin im Markt oder bin ich draußen?" Beim Egocycle Planning (danke für diesen Kracher-Begriff, Thorsten Speil!) geht es darum, den eigenen Marktwert möglichst hoch zu halten und im Ecocycle /3/ nicht hinterrücks auf den "Pfad der Verwesung" (Trägheitsfalle, [kreative] Zerstörung) zu geraten. Als erstes wird ordentlich Energie in die Phase "Wachstum" gepumpt, um später möglichst lange in der Ernte-Zone verweilen zu können. Sobald sich ernstzunehmende Trägheitszeichen zeigen, muss man allerspätestens aktiv werden, um das Steuer für sich noch mal herumreißen zu können.

Es kommt darauf an...

Taktisches Ausweichmanöver von Agilisten, die sich nicht auf etwas Bestimmtes festlegen lassen wollen und die Verantwortung der dringlich nach Inhalten oder Ratschlag fragenden Person auf diese selbst zurückschieben. Natürlich kommt im Leben immer alles darauf an, weil in jeder Situation zig Variablen enthalten sind (beteiligte Personen, deren Stimmungen und Erlebnisse am Vorabend, Müdigkeit oder nicht, das Wetter, die Schuhgröße, die Leberwerte,...), trotzdem kann man mit etwas gutem Willen von außen häufig erkennen, dass der/die Anfrager/in einfach gerne ein paar Anhaltspunkte haben möchte, wie er oder sie in einer bestimmten Situation entscheiden könnte. Vielleicht erhofft sich die ratsuchende Person auch einen Erfahrungsbericht des Silberrückens vor ihr, der dann aber einfach antwortet: "Es kommt darauf an..."

Inspect & adapt

Die Gebetsmühlenartigkeit, mit der immer wieder an dieses wichtige Prinzip erinnert wird, lässt darauf schließen, dass es  offenbar einfach nicht in die Köpfe der verdammten Mitarbeiter:innen gehämmert werden kann, egal, wie oft man auf dem Begriff herumreitet. In einem unserer zeitgenössischen Remote-Lean Coffees kam gar der infame Verdacht auf, dass schon der erste Schritt, das "inspect", gar nicht gründlich durchgezogen wird. "Äh, was waren noch mal die Maßnahmen der letzten Retro vor 4 Wochen? - weil wir ja gleich wieder eine haben und der Scrum Master dann (erst) danach fragen wird..." Von der Anpassung soll in diesem Abschnitt gar nicht geredet werden.

Komfortzone

Vielbeschworene für den Menschen suggeriertermaßen total ungesunde psychische Landmarke, die nach den Beschwörungsformeln mancher Agilisten möglichst oft verlassen werden soll. Manch ein XYZ-Coach/Scrum Master/… zerrt unter Umständen bei sich deutlicher widersetzenden Personen noch ein bisschen nach - etwa, weil der Wert „Respekt“ (s. o.: Agile Werte) aus dem „Fokus“ geraten ist…

Kundenzentrierung

Boah hey, haltet Euch fest: Wir machen mal was ganz Krasses und stellen den Kunden, also den, der unser Geld zahlen soll, in den Mittelpunkt. Hammer, oder? Ausnahmsweise nehmen wir mal Abstand davon, ihn zu irgendeinem service-triefenden Produkt, das wir uns aber weitgehend selbst ausgedacht haben, überreden zu wollen (könnte klappen, falls nichts anderes Brauchbares da ist), sondern - jetzt aber wirklich und endlich - fragen ihn mal, was er denn "in echt" so braucht. Das ist ganz schön innovativ, oder? Wer mehr dazu wissen will, kann die Nuancen z. B. unter /4/ nachlesen.

Methodenkoffer

Beim Lesen dieses Wortes kommt schon eine dumpfe Vorahnung auf. Der Methodenkoffer lässt subtil durchschimmern, welches Arbeitsumfeld einen erwarten könnte: immer verzweifelter - mit großen "Pizzaflecken" unter den Achselhöhlen und zunehmend in Rage - alle möglichen Methoden auf das sich konsequent sperrende Team oder Umfeld abfeuern, bis der Koffer, das Team und man selber am Schluss völlig leer sind.

Mindset

Dieses Schlagwort - natürlich auf englisch - enthält bereits eine inoffizielle Schmähung, nämlich die Unterstellung, dass die Einstellung einer Person "die falsche" sei; der Begriff löst Allergien aus und führt inzwischen dazu, dass fast überall die Rolläden heruntergehen, damit nicht übergriffige Coaches am jeweiligen "mindset" von Personen herumzufummeln beginnen. Wer nicht so mitmacht, wie es sich die Heeresleitung oder ein Coach vorstellt, erhält schließlich zügig das Etikett "unmotiviert" (nicht etwa anders-motiviert).

OKR

Hier denke ich immer an Okra-Schoten, allerdings liegt OKR teilweise schwer im Magen, dann nämlich, wenn es durch Ziele glänzt, die so uninspiriert formuliert sind, dass sie keinen Schäferhund hinter dem Ofen hervorlocken. Bis heute habe ich zugegebenermaßen wenig Berührungspunkte mit dieser Methode gehabt, aber die bisherigen Kontakte zum Thema waren für mich zum Abgewöhnen. Mechanistischer Versuch, eine ganze Unternehmung in die gleiche Richtung zu schieben, vom Hausmeister bis zur Firmenchefin, oder, über Wikipedia ausgedrückt: "(...) Methode zur agilen Strategieumsetzung, eine Zielmanagement-Methode und ein Management-System zur zielgerichteten Mitarbeiterführung. Es ist ein Framework zur Zielsetzung (Objectives) und Messung von Ergebniskennzahlen (Key Results)." /5/ So beflügelnd, wie sich das anhört, hatte ich meine wenigen Einblicke in OKR-Umsetzungen immer erlebt...

Psychologische Sicherheit

War längere Zeit der neue Heilsbringer, um Menschen auf etwas sanftere Art dazu zu bringen, das zu tun, was andere von ihnen wollten. Tat (ggf. auch unterstellt: wollte) eine/r nicht, fehlte eben noch die "Psychologische Sicherheit", die es zu fördern galt. Wie das dann mit dem Gefummel am "Mindset" (s. o.: Mindset) von Menschen in Einklang zu bringen sei, bleibt nach meinem Kenntnisstand bisher eine Leerstelle in der agilen Methodenwelt. Dass Führungskräfte bei der Etablierung einer Kultur der Psychologischen Sicherheit eine "entscheidende Rolle" spielen /6/, wird entweder gern verdrängt, oder Coaches fummeln vielleicht am Mindset von Führungskräften herum... ;-)

Raketenwissenschaft (Rocket science)

Mann, was sind wir lässig. Alles, was getan werden soll/muss/..., ist doch eigentlich ganz einfach, man kann gar nicht verstehen, wieso sich Leute da ins Hemd machen, sich sperren, Angst davor haben oder das einfach nicht interessant genug finden. Auf agile Art gemeinsam zu arbeiten, ist ja weiß Gott keine Raketenwissenschaft (oder, wieder noch ein Stückchen cooler: "rocket science"). Und zack, hat man auch gleich subtil wieder Schuldige gefunden, wenn's nicht klappt (wir sind ja immer noch dieselben, die wir die letzten 40 Jahre lang waren): Diesmal wird Verantwortung von den Coaches auf die Ausführenden weitergewälzt.

Retro

Kurzform für ein in weiten Kreisen von Entwicklern und ähnlichen Zünften gefürchtetes Event, die "Retrospektive", in der man erstens schon wieder durch einen futzelkurzen Stückel-Termin (meist 1h) aus seiner Konzentration gerissen wird, zweitens weiß man meist gar nicht, was es seit dem letzten Termin für Verbesserungen gegeben hat, drittens weiß das manchmal noch nicht mal die Person, die den Termin einberuft bzw. die unsägliche Terminserie eingestellt hat, viertens muss man sich im Termin nach Verbesserungspotenzial bei der eigenen Arbeit oder der Zuammenarbeit mit anderen auswringen, dabei braucht man mindestens 1/2h, um sich gedanklich von seinem aktuellen Codier-Problem zu lösen, fünftens wird man auch noch gefragt, wie man sich "fühlt" und muss peinliche Aufwärmspielchen mit den anderen aus dem Team machen.

Schlangenöl

Dieser Ausdruck hat es sogar schon in Wikipedia /7/ geschafft. Es handelt sich um ein Produkt oder eine Dienstleistung, die in Wirklichkeit nichts bringt, aber als Allheilmittel vermarktet wird. Nicht im Artikel steht meine eigene Interpretation der Wortherkunft: Damit Schlangen schön glänzen, reibt man sie mit Schlangenöl ein (obwohl der Körper einer Schlange von alleine glänzt und zudem weder feucht noch fettig ist). Bei der Definition, welche Maßnahmen / Lösungen / Arbeitsschritte im Arbeitskontext "Schlangenöl" seien, gehen die (offiziell bekundeten) Meinungen vermutlich weit auseinander.

Schwarmintelligenz

Früher gab es intelligente Menschen oder vielleicht Mensa-Kandidat:innen (nein, damit ist keine Einrichtung zum Essenfassen gemeint), heute wird gerne, sobald mehr als ein Gegenüber gleichzeitig um Rat bzw. Erfahrungsberichte gebeten wird, direkt von „Schwarmintelligenz“ gesprochen. Damit ist einfach plump ein "Schwarm Menschen" gemeint, der möglichst nicht wie ein Vogelschwarm "in die gleiche Richtung" fliegt, sondern einen Sack unterschiedlichster Ideen und Impulse liefert. Vielleicht soll mit diesem Gießkannen-Kompliment "-Intelligenz" auch subtil auf den unten erwähnten Wert „Offenheit“ (s. o.: Agile Werte) gepocht bzw. ein "sharing is carig" aktiviert werden.

Selbstorganisation

Einer der Kernbegriffe in dieser Zusammenstellung, der darf natürlich nicht fehlen. Es geht darum, Menschen, die als "Experten" bezahlt werden, aber immer von ihren Chefs, die von der Materie eigentlich gar keine genaue Ahnung haben, gesagt bekommen, was sie tun sollen, zu erretten und in ein Stadium aktiven Mitdenkens und eigenverantwortlichen Handelns auf Basis gesunden Menschenverstandes und gerne auch einer Prise unternehmerischen Denkens zurückzubringen.
In meiner "agilen" Anfangszeit, und das war 2020, also eigentlich erst gestern, da redeten in Online-Veranstaltungen ständig Menschen davon, dass Teams zur Selbstorganisation gebracht werden sollten. Wenn ich dann nachfragte, wie man das denn konkret machen sollte, wusste oft niemand mehr weiter, manchmal gab es immerhin noch ein verständnisvolles Nicken. Selbstorganisation heißt, dass Ihr nicht darauf wartet, dass Mutti Eure Socken wegräumt, sondern dass Ihr das selber macht. (Ok, zuhause funktioniert das nur mit Drohungen, Incentive-Entzug, in ganz harten Fällen mit Bestechungen).

Sharing is caring

Immer gut gelaunt vorzubringende Mahnung, Wissen doch auch mal mit anderen zu teilen, um modern und cool zu sein und zum Club dazuzugehören. So gesehen also ein Versuch, Anflüge von Silodenke (s. u.: Silodenke) im Keim zu ersticken und die Teams zu einer großen einzigartigen und familienähnlichen Community zu machen, in der es von fliegenden digitalen Herzchen nur so wimmelt und niemand andere hängen lässt. (Wobei es auch Familien geben soll, bei denen das nicht zutrifft.)

Silodenke

Ernüchtert und/oder leicht gereizt geäußerter Vorwurf gegenüber vormaligen Strukturen oder real noch existierenden Bereichen, Abteilungen, sonstigen Organisationseinheiten oder auch Einzelpersonen, die sich allen Bemühungen um Agilität erfolgreich widersetzen und sich einen Kehricht darum kümmern, was direkt hinter ihrer Schnittstelle zur Außenwelt, jenseits ihres definierten Verantwortungsbereiches, passiert.

VUCA-Welt

Dieser Begriff geistert noch immer herum, dabei gibt es das doch jetzt angeblich gar nicht mehr, weil ja ein viel besseres Modell "BANI" am Markt ist (so ist das mit dem Egocycle, und da hat dann wohl wieder etwas mit dem "inspect&adapt" nicht geklappt...)

Apropos VUCA/BANI...

Sind die fetten Jahre vorbei?

Noch ein paar Überlegungen zur derzeitigen Lage auf dem Markt der agilen Arbeit. Es sind ja offenbar neue Zeiten angebrochen, man kann dazu Artikel auf LinkedIn lesen, in Onlie-Veranstaltungen wird darüber gesprochen, vielleicht sagt's auch einfach nur eine:r dem/der anderen: Der letzte Hype hat sich wohl endgültig verflüchtigt, und Unternehmen und Scrum Master, Agile Coaches und andere sind auf dem harten Boden der Realität aufgeschlagen. Ich denke wieder an die Metapher des "Kathedralenbaus" für agiles Arbeiten in bislang klassischen Unternehmen (danke nochmal, Jan Fischbach, passt einfach so gut). Wenn man die Phasen des Abschieds oder von Trennungen hernimmt, sind wir vermutlich gerade in der Phase der Depression durch die Erkenntnis der Realität angelangt (?), also noch ziemlich am Anfang.

Unternehmen haben offenbar bemerkt, dass sie den Nutzen, den ein Scrum Master bringt, manchmal nicht so gut beziffern können, während sie aber ordentlich Geld für ihn oder sie ausgeben. Jetzt wollen sie was Handfestes für ihren Taler haben. Diese vermutete Haltung spiegelt sich in meinen Augen auch in den aktuellen Stellenanzeigen wider - ja, ich liebe dieses Thema! Es ist ein Evergreen wie manche der oben aufgeführten Begriffe, allerdings nicht so nervig, sondern unterhaltsam - wenn man noch eine Auswahl hat und woandershin gehen kann....

Reflex in die alte Welt

Erst vor wenigen Wochen las ich eine Anzeige, in der Folgendes stand:
„Sicherstellen, dass das Team die Software in der geforderten Qualität unter Einhaltung aller vorgegebenen Standards liefert."
Damit schlägt das Unternehmen zwei Fliegen mit einer Klappe: Es hat endlich jemanden, der für die Einhaltung der Standards sorgt, während Manager und IT-Architekten den Entwicklern den Rücken kehren, und wenn das dann nicht klappt, hat es auch gleich die verantwortliche Person in Schlafittchenweite, die schuld an der Misere ist (kommt, wir kennen doch die alt-eingeübte Fehlerkultur in deutschen größeren Unternehmen). Der Scrum Master oder Agile Coach als eierlegende Wollmilchsau, die sich am besten noch hinsetzt und selber Codezeilen generiert, anstatt nur den Entwicklern in die Arbeit zu quatschen.

Der Versuch, wirtschaftliche Verantwortung greifbar zu machen

Anderswo habe ich schon den Auftrag gelesen „Lieferfähigkeit des Teams sicherstellen“, ohne weitere Details. Hier kann man noch eine gewisse Flexibilität ablesen, weil offen bleibt, worin genau diese Lieferfähigkeit bestehen kann. Gesunder Menschenverstand hilft natürlich, man muss sich dazu ansehen, wozu das Team jeden Tag ins home office oder Büro kommt und wer von den Resultaten dieser Arbeit etwas hat bzw. deren Erstellung bezahlt. Auch die Arbeitsatmosphäre im Unternehmen sollte m. E. für die Interpretation einer solchen Stellenanzeige bzw. eines solchen Auftrags herangezogen werden.

Wo ist denn bloß meine agile Zwangsjacke?...

In der oben beschriebenen Stellenausschreibung sind sechs Listenpunkte mit Anforderungen an Kandidat:innen enthalten, und drei davon, also die Hälfte, beginnen mit „Sicherstellen, dass…“ (Achtung, die Scrum-Polizei stürmt den Saal, alle unter die Tische in Deckung!)

Es handelt sich allerdings auch um die Position „Senior Scrum Master“ - also, da kann man ja wirklich schon etwas mehr erwarten als bei einem popeligen Scrum Master…

Quellen:

/1/ https://de.wikipedia.org/wiki/Vom_Gesellschaftsvertrag_oder_Prinzipien_des_Staatsrechtes (abgerufen am 18.05.2024)

/2/ Hierzu kann leider keine valide Quelle gefunden werden; auf manchen Seiten wird das Zitat Konfuzius zugeschrieben, jedoch konnte auch diese Information nicht verifiziert werden. ChatGPT sagt dazu: "(...) stammt vermutlich aus dem englischen Sprachraum (...). Es gibt Hinweise darauf, dass dieses Sprichwort in verschiedenen Kulturen und in leicht abgewandelten Formen existiert (...). Eine konkrete Quelle oder einen eindeutigen Urheber für dieses Sprichwort gibt es jedoch nicht; es ist eher ein Stück Volksweisheit, das im Laufe der Zeit weitergegeben wurde." (Unterhaltung mit ChatGPT am 18.05.2024)

/3/ https://liberatingstructures.de/ecocycle-planning/ 

/4/ https://de.linkedin.com/learning/customer-centricity-unternehmerisches-handeln-an-kund-innen-ausrichten/kundenzentrierung-vs-kundenorientierung

/5/ https://de.wikipedia.org/wiki/Objectives_and_Key_Results (abgerufen am 18.05.2024)

/6/ vgl. Amy C. Edmondson: Die angstfreie Organisation, ISBN 978-3-8006-6067-4

/7/ https://de.wikipedia.org/wiki/Schlangen%C3%B6l (abgerufen am 18.05.2024) 


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