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Lean und agil in der Baubranche - geht das?

Agilität geht nur in der Softwareentwicklung und Lean geht nur in der Automobilproduktion. Diese Vorstellungen stimmen nicht ganz. Softwareentwicklung hat agile Praktiken geprägt, Automobilproduktion hat Techniken aus dem Lean Thinking verbreitet. Aber eigentlich geht es um etwas ganz anderes.

Lean bedeutet, Verschwendung zu vermeiden, ohne den Kunden zu frustrieren

Die Ursprünge von Lean Thinking liegen im Scientific Management. Bob Emiliani hat dazu eine Reihe von Hintergrundartikeln veröffentlicht. Ende des 19. Jahrhunderts entstanden in den industriellen Zentren in den USA, Europa und Japan viele Fabriken. Sie wurden größer und komplexer. Deshalb haben sich die Praktiker gefragt, wie man sie besser organisieren kann.

Die ersten Fabriken waren baulich bedingt noch nach Werkzeugen organisiert. Es gab nur eine Kraftquelle, die über Riemen Energie auf Bohrmaschinen, Pressen und andere Werkzeuge übertrug. Wer sich mit den ersten Fabriken von Henry Ford beschäftigt, wird feststellen, dass das Material noch kreuz und quer durch die Fabrik transportiert wurde, bis ein Auto fertig war.

Das ist alles kein Problem, solange die Stückzahlen noch gering sind. Als der Bedarf nach Autos bei Ford (und bei anderen) stieg, wurde die Fabrik neu organisiert, und zwar nach dem Flussprinzip. Material und Werkzeuge wurden so angeordnet, wie ein Auto produziert werden sollte. Andere Unternehmer, z. B. Kiichiro Toyoda oder André Citroën, haben sich die Fabrik von Ford am River Rouge angesehen und viele Ideen übernommen. Am bekanntesten ist sicher das Toyota Production System, das viele mit Lean Production gleichsetzen. In der Produktion von Gütern haben wir einiges gelernt: Organisation nach Fluss, Glättung der Produktion, Steuerung nach Kanban, 5S an den Arbeitsplätzen, gute Einarbeitung und kontinuierliche Verbesserung. 

Während eine Automobilproduktion jeden Tag gleich aussieht, - die Experten würden das natürlich verneinen -  sieht es in der Bauplanung und auf der Baustelle jeden Tag anders aus. Lean Construction Expert:innen würden dies wiederum verneinen. Was bedeutet also Lean Thinking im Bauwesen? Sicherlich kann man Methoden aus dem Lean Thinking anwenden und anpassen, um Planung und Bau zu organisieren. 

PO Construction hat sich ebenfalls diese Frage gestellt. Diese Firma kam zu der Erkenntnis, dass die größte Verschwendung auf Baustellen unfertige Arbeit und Nacharbeiten sind. Es gibt einen Plan, auf den sich die verschiedenen Gewerke verlassen. Wenn dann jemand nicht fertig ist, kann der Nachfolger nicht anfangen. Der CEO von PO Construction, Jean-Baptiste Bouthillon, hat seine Lean-Ideen in mehreren Beiträgen dokumentiert:

Einen ganz anderen Anwendungsfall schildern uns Wiebe Nijdam und Diana Uphof, die bei der niederländischen Behörde für Schleusen und Wasserbau (Rijkswaterstaat) die Bauprojekte neu organisieren. 

Die meisten Aufzeichnungen über Lean in der Baubranche sind übrigens bei der IGLC und beim LCI zu finden. In Fach- und Arbeitsgruppen des GLCI kommen Experten aus der Lean Construction Community zusammen, um gemeinsam an Konzepten und Publikationen im Zeichen der Förderung von Lean Construction zu arbeiten: https://glci.de/arbeits-und-fachgruppen/. Einen Lean Construction Blog gibt es natürlich auch.

Wir können also die Ideen von Lean Thinking auch im Hochbau benutzen. Die wichtigste Frage ist: Wie können wir uns noch besser organisieren, sodass wir unsere Ziele erreichen?

Agilität ist Lean mit Feedback

Scrum integriert seit den 1980er-Jahren Produktentwicklung und Prozesseffizienz in einem gemeinsamen Rahmen. Scrum basiert auf Lean Thinking. 

Es gibt eine Fallstudie von der Scrum Inc. aus einem Krankenhaus in Boston. In dem Artikel Scrum in Healthcare wird beschrieben, dass das Krankenhaus bereits sehr lean organisiert war. Aber eine Sache konnten sie seit 40 Jahren nicht verbessern: die Reinigungszeiten der OP-Säle. Operationen sind eine sehr wichtige Geldquelle für Krankenhäuser.

Die Kollegen von der Scrum Inc. haben eine diverses Scrum Team aufgesetzt. In ihm waren Ärzte (Operateure), Krankenschwestern und das Reinigungspersonal. Jede OP war ein Sprint. Mit jedem Sprint haben alle Beteiligten durch Beobachtung und Feedback gelernt, warum ein OP schmutzig wird. Bereits nach wenigen Wochen gelang es den Beteiligten die Reinigungszeiten zu verkürzen. Die finanzielle Auswirkung: 700 Mio. USD pro Jahr mehr Umsatz durch 20% mehr OP-Kapazität. Die Prinzipien lassen sich auch auf Baustellen übertragen.

Die Scrum Inc. hat tatsächlich mit Baufirmen gearbeitet. Der gemeinsame Überblick und die regelmäßigen Sprint Retrospektiven haben geholfen, die Lieferfähigkeit zu verbessern. Die Produktivität wurde mehr als verdoppelt. Auf der Webseite der Scrum Inc. gibt es den Beitrag "11 Simple Steps to Launch Your Scrum in Construction Pilot" von Felipe Engineer-Manriquez, der als Director of Lean Construction bei McCarthy Building Companies Inc. tätig ist.

Es gibt bei YouTube einen Vortrag von Dee Rhoda, in der sie Scrum in Construction genauer erläutert. Entsprechend ist auch bei der IGLC das Feld der Agilität „nichts Neues“. Mehr als 40 Conference Paper beschäftigen sich mit diesem Thema: https://iglc.net/Papers

Ich möchte an dieser Stelle auf das Thema Projektallianz erwähnen. Wie bei Agilität und Lean tun sich mehrere Unternehmen zusammen, um gemeinsam mehrere Gewerke zu liefern. 

Also, auch Agilität kann dazu beitragen, dass wir im Baubereich bessere Ergebnisse liefern. Hier ist die Frage: Welches Feedback können wir in welchem Rhythmus integrieren, damit wir schneller fertig werden?



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