Direkt zum Hauptbereich

Eine gute Priorisierung: Eins nach dem Anderen

Überall im Leben setzen wir Prioritäten , privat und beruflich, allein und gemeinsam. Was tue ich heute? Wo setzen wir unsere Zeit und unser Geld optimal ein? Welche Produkte wollen wir entwickeln? Keiner bestreitet die Wichtigkeit des Themas, ob für die Firmenstrategie oder Kleinprojekte. Aber, viele kämpfen mit der Priorisierung. Insofern, dass Priorisierung bedeutet, etwas als “erstes” zu setzen, dürfte die Kampf so viel Tränen kosten.  Lass uns gemeinsam schauen, wo die Schwierigkeiten liegen, und vielleicht finden wir einen anderen Ansatz.

Populär ist natürlich die Eisenhower-Methode./1/ Danach setzen wir Wichtigkeit und Dringlichkeit auf zwei Achsen mit “hoch und gering” als Skala. Damit entsteht ein Vier-Kästchen-Quadrat, in dem  “hoch-hoch” als das Wichtigste deklariert wird und “gering-gering” meistens ignoriert oder (wenn man General ist) delegiert wird. Die einfachere Variante achtet nur auf Wichtigkeit und stuft die Themen “1. hoch, 2. mittel, 3. gering” (HMG-Priorisierung) oder vielleicht nach “MoSCoW” ein./2/ Beide gehen schnell und schaffen Klarheit. Oder, doch nicht?

Die Tatsache, dass wir häufig das niedrigste Kästchen ignorieren, bringt einen wichtigen Aspekt ans Licht: Ohne Ressourcengrenzen hätten wir kein Bedarf zu priorisieren. Denken wir einfach darüber nach. Die Aufgaben, die wir “gering-gering” eingestuft haben, waren jedoch wichtig genug, dass wir an sie gedacht haben. Wenn wir unbegrenzte Zeit und Ressourcen hätten, könnten wir alles, auch die “gering-gering” Projekte, tun. Die Realität ist allerdings genau das Gegenteil. Unsere Ressourcen sind so begrenzt, dass viele Teams, Personen oder Firmen gar nicht aus der “hoch-hoch” Kästchen rauskommen. Hiermit fängt nach meiner Erfahrungen der Kampf um die Priorisierung an.

Neuerdings hat sich eine Führungskraft über das Priorisierungsschema (1, 2 , 3) in unserer Action List von über 50 Aufgaben gewundert: “Das Wort ‘Priorität’ bedeutet ‘erstes’. Deshalb ergibt der Begriff ‘zweite Priorität’ keinen Sinn. Außerdem verstehe ich nicht, warum wir uns mit den 2. und 3. Prio Items überhaupt beschäftigen.” Für ihn konnten ein paar Aufgaben Priorität haben, alle andere war nicht priorisiert.

Die Frage brachte das Thema auf dem Punkt: Mit der HMG-Priorisierung umgehen wir die wichtigste Frage, nämlich: welche eine Aufgabe erledigen wir als nächste? Diese Frage ist der Kern jeder guten Priorisierung.

Priorisierung ist eine Frage der Ressourcen

Wie oben schon angedeutet, landen nach einer Priorisierungsrunde ein Haufen Projekte in der höchsten Kategorie. Danach stellt das Team fest: sie haben unzureichende Ressourcen, um überhaupt alles in dieser Box umzusetzen, geschweige denn die anderen.  Dann fängt das Gerangel an, welche davon die wirklich “strategisch wichtigen” Projekte sind. Und am Ende haben wir Ressourcen für vielleicht 50-75% davon.

Ich wage die Hypothese, dass unser Kampf mit der Priorisierung eigentlich ein Kampf mit dem Mangel an Ressourcen im Verhältnis zu unseren Kreativität und Bedürfnisse ist. Die Ansätze wie Lean- und Agile-Methoden wie Kanban, Scrum, Just-in-Time etc. sind erfolgreich, weil sie die limitierte Ressourcenkapazität als wesentlichen Produktivitätsfaktor erkennen. Die wichtigste Erkenntnis lautet: Menschen sowie mechanische Systeme schaffen mehr und zwar schneller, wenn sie unter ihrer maximalen Kapazität bleiben. /3/.

Die Konsequenz der limitierten Ressourcen zwingt uns zu einer seriellen Priorisierung, weil wir endlich erkennen, dass wir nicht alles schaffen werden. Automatisch reihen wir die Themen eindeutig auf, weil wir sicher sein wollen, dass eine wirklich wichtige Sache umgesetzt wird./4/ Die HMG-Stapel liefern uns diese Sicherheit nicht.

Deshalb muss eine gute Priorisierung die präzisere Frage beantworten: welches eine Projekt machen wir als nächstes? Die Projekte liegen nicht in Stapeln, sondern sie stehen in eine Schlange. Wie beim Einchecken am Flughafen: “Der Nächste, bitte”.

Wie geht es konkret?

Als allgemeiner Hinweis kann es zunächst hilfreich sein, die Priorisierungsfrage anders herum zustellen. Wir reden immer davon, Aufgaben oder Projekte zu priorisieren. Alternativ können wir von der Priorisierung unserer Ressourcen. Wenn wir im Team 8 FTE haben, teilen wir diese 8 FTE auf die wichtigsten Projekten zu. Wenn sie erschöpft sind, können wir ohne Neueinstellung oder externe Einkauf keine Aufgaben mehr annehmen. Wenn wir es versuchen, wirkt diese Überlastung negative auf die Lieferzeiten aller Aufgaben./5/

Kanban Boards im Team: Der Backlog sollte immer oben eine 1 bis 9 Rangliste haben. Selbstverständlich können wir spontan oder beim Sprint Planning der Backlog, inkl. Rangliste umsortieren. Erkenntnisse, Erfahrungen, Test-Ergebnisse, neue strategische Orientierung etc. sind alle gute Gründe die Priorisierung regelmäßig neu durchzudenken.

Projekte: Hier muss ebenfalls eine Rangliste her. Es gibt unterschiedliche Güter, welche abgewogen werden können: Kostenreduktion, Qualitätsverbesserung, Marktanteil, systemische Stabilität, Flexibilität, Coolness etc. Insofern alle ihre Berechtigungen haben, müssen sie aber vergleichbar werden, um die Projekte aufreihen zu können. Die Vergleichbarkeit erfolgt am besten über den potenziellen Business Value jedes Projekts für das Unternehmen und in Betrachtung von Cost-of-Delay./6/ Nachdem wir das Projekt mit dem höchsten Wertbeitrag mit Zeit und Geld finanziert haben, können wir noch schauen, ob genug für ein weiteres Projekt übrig bleibt. Eine einfache Pareto-Ranking reicht./7/

Persönliche Aufgabenlisten: Hier unterstütze ich ein Aspekt der Eisenhower-Methode. Eisenhower hat seinen Vormittag dafür reserviert, die Wichtigste – nicht die Dringendste – Themen zu erledigen, weil er sich am effektivsten zu dieser Uhrzeit arbeiten konnte. Sicherlich hat er allerdings eine intuitive (wenn nicht explizite) Rangliste innerhalb der Wichtigsten Aufgaben gehabt, wonach er sich führte.

 “Der Nächste, bitte.”

Anmerkungen

  • /1/ Genannt nach seinem weltbekannten anwender General und Präsident Dwight Eisenhower ist die Methode so bekannt, dass ich einfach auf eine Internet-Suche verweise.
  • /2/ MoSCoW steht für “must, should, could and won’t”. Dieses Schema ist ein Quäntchen besser als HMG, weil es häufig mit klaren Regeln versehen wird, z.B. es darf für ein Sprint nicht mehr als 60% der Stories als “Must Haves” eingestuft werden.
  • /3/ Das Eingrenzen von work-in-progress ist ein Kernbotschaft aus Lean/Agile Ansätze. Für eine lustige Ausarbeitung der Mathematische Hintergrund siehe: Gunter Dueck, “Schlangenbeschwörer: Alles am Limit,” Informatik-Spektrum 27, no. 2 (April 2004): 186–91, unter: https://doi.org/10.1007/s00287-004-0384-y. Für die praktischen Anwendung mit Kanban siehe David J Anderson, Kanban: evolutionäres Change Management für IT-Organisationen, trans. Arne Roock (Heidelberg: dpunkt-Verl., 2011). Für die beste Ausarbeitung das Thema, s. Donald G Reinertsen, The Principles of Product Development Flow: Second Generation Lean Product Development (Redondo Beach, Calif.: Celeritas, 2009). Reinertsen
  • /4/ Zur der Konsequenzen aus seriellen vs. parallelen Projekten und zur einen Methode diese Effekte zu messen, siehe meine Serie zu Time Efficiency in Projects hier in Teamworkblog.
  • /5/ Siehe Gunter Dueck, “Schlangenbeschwörer: Alles am Limit”, oben.
  • /6/ Manche Leser werden die Reduktion auf Business Value bzw. Gewinn unangenehm finden. Aber jedes Unternehmen muss sich finanziell über Wasser halten. Die Frage ist wie bzw. mit welchen Projekten, Aufgaben etc. wollen wir diese Notwendigkeit begegnen. Der einzige ehrliche Vergleich – unter Berücksichtigung der limitierten Ressourcen – ist dann Business Value bzw. Gewinn. Alles andere ist entweder Politik oder dummheit.
  • Auch nicht-gewinn-orientierte Organisationen müssen den höchsten Mehrwert aus ihrer begrenzten Budgets holen. Nehmen wir ein hartes Beispiel: die World Health Organization hat auch ein limitiertes Budget. Sie mussten vor einigen Jahren unerwartet ein Teil ihres Budgets für die Ebola-Krise in Afrika umverteilen. Stellen wir uns vor, dass sie kein Geld dafür gehabt, weil sie die notwendige Summe schon an einem Marketing-Projekt ausgegeben hatten, nur weil der Chef es “cool” fand.
  • /7/ Eine gute Priorisierung von Projekten ist vielseitig. Z.B. bei der Kalkulation von Business Value haben kleine Projekte keine Chance gegen großen Projekten, obwohl beide notwendig sind. Deshalb müssen Techniken wie Unterschiedliche Swimlanes bzw. Projektgrößen verwendet werden. Siehe z.B. Anderson zu der Möglichkeiten hier in einem Kanban-Kontext.


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Transparenz als Schlüssel zum Erfolg: 20 Reflexionsfragen für moderne Organisationen

Transparenz ist das Herzstück erfolgreicher Teams. Sie schafft Vertrauen und fördert Zusammenarbeit. Wenn alle Zugang zu den notwendigen Informationen haben, können sie fundierte Entscheidungen treffen und gemeinsam Lösungen erarbeiten. Dies führt zu höherer Effizienz, schnelleren Entscheidungsprozessen und besseren Arbeitsergebnissen. Transparenz ist mehr als ein Schlagwort – es gilt, sie greifbar zu machen, ein gemeinsames Verständnis davon zu entwickeln und es in die Praxis umzusetzen. Wie das gelingt und welche Vorteile es für Euer Team und Eure Organisation bringt, erkunden wir im Folgenden.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Zu viel zu tun? Planen Sie Ihre ideale Woche

Wir hören immer wieder, dass Teams zu viel zu tun haben. Aber woher wissen wir eigentlich, was zu viel genau bedeutet? Hier ist ein ungewöhnlicher Tipp: Treffen Sie Annahmen über eine gute Menge. Planen Sie eine ideale Woche.

Wenn dein Team die Anforderungen blockt: 12 Tipps für Product Owner*innen

Liebe Product Owners, wir müssen reden. Schon wieder eine Anforderung, die im Nirgendwo landet? Zeit, das Ganze anders anzugehen. Ihr kennt das Spiel: Anforderungen sind ausgearbeitet, und doch läuft es im Team holprig. Was fehlt? Oft sind es Klarheit, realistische Erwartungen und ein bisschen Fingerspitzengefühl. Doch keine Sorge! Mit ein paar praktischen Tipps könnt ihr Missverständnisse vermeiden, Blockaden umgehen und den Entwicklungsprozess so richtig in Fahrt bringen – natürlich in Zusammenarbeit mit eurem Scrum Master. Hier sind zwölf Regeln, die euch helfen, das Team auf Kurs zu bringen und das Chaos in produktive Zusammenarbeit zu verwandeln. Wir zeigen dabei auch, wo der Scrum Master unterstützen kann, damit ihr eure Rolle als Product Owner noch besser erfüllen könnt. Häufige Stolperfallen: Warum Anforderungen oft scheitern Bevor wir ins Eingemachte gehen, kurz zu den typischen Stolperfallen. „Klare Anforderungen“? Klingt gut, scheitert aber sehr häufig an der realen Praxis. ...

Rebellieren für den Wandel: die 8 Regeln des totalen Stillstandes von Prof. Dr. Peter Kruse

In einem legendärem Vortrag skizzierte Peter Kruse 8 Regeln des totalen Stillstands. Ihm zufolge wurden die Regeln entwickelt, um Managern und Führungskräften dabei zu helfen, Bereiche mit potenziellem Widerstand gegen Veränderungen zu erkennen und Menschen auf strukturierte Weise durch den Veränderungsprozess zu führen.

Pragmatisch oder nur “Quick and Dirty”?

“Wir müssen aber pragmatisch vorgehen”, drängt der Kollege. Hm… Im Wörterbuch finde ich für “pragmatisch” in etwa: sachbezogenes, praktisches Handeln. Klingt gut. Leider zeigt sich in meinen Erfahrungen, dass pragmatisch für viele doch eher “quick and dirty” bedeutet. Es soll schnell fertig werden. Aber auf welche oder wessen Kosten? Wo ist die Grenze? Warum steht “praktisch” im Konflikt mit einem langfristigen “Nützlich”? Muss das sein?

Und jetzt alle zusammen! Teams - OneNote - Aufgaben - To Do

Ein Meeting jagt das nächste. Sich da nicht zu verzetteln, wird  im Zeitalter virtueller Besprechungen  noch anspruchsvoller. Kein Wunder, dass  im Zusammenhang mit Microsoft 365  zwei Fragen besonders häufig auftauchen: Wie dokumentiert man Besprechungen gut? Was hilft, offene Aufgaben nachzuhalten? Eine gute Lösung: Das in MS Teams integrierte OneNote-Notizbuch als gemeinsame Plattform auch für den Aufgabenüberblick zu nutzen.

Kategorien in Outlook - für das Team nutzen

Kennen Sie die Kategorien in Outlook? Nutzen Sie diese? Wenn ja wofür? Wenn ich diese Fragen im Seminar stelle, sehe ich oft hochgezogene Augenbrauen. Kaum jemand weiß, was man eigentlich mit diesen Kategorien machen kann und wofür sie nützlich sind. Dieser Blogartikel stellt sie Ihnen vor.

5 Gründe, warum wir jetzt über die Zukunft nachdenken sollten

Wer hätte im Jahr 2019 gedacht, dass so viele Menschen heute im Home-Office arbeiten können und dass die Firma trotzdem funktioniert? Wer hätte damals gedacht, dass wir heute wie selbstverständlich KI-Werkzeuge nutzen können? Ich will mich nicht der Aussage anschließen, dass sich die Welt immer schneller dreht. Es ist egal, wie schnell sie sich dreht, weil es sich immer lohnt, über die Zukunft nachzudenken. Und das muss nicht kompliziert sein.

Meetings in Scrum Teams: Mehr Fokus, weniger Kontextwechsel

  Meetings in Scrum Teams: Mehr Fokus, weniger Kontextwechsel  „Wir arbeiten agil“ – das bedeutet für viele von uns: Daily Stand-up am Morgen, dann Refinement, dazwischen eine Demovorbereitung, später noch ein kurzes Scrum of Scrums (SoS) und am Nachmittag ein Community-Meeting. Gleichzeitig soll ich an meinen Sprint-Aufgaben arbeiten. Wenn dir diese Situation bekannt vorkommt, les dir gerne meinen Beitrag an. Hier sprechen wir über den Einfluss von häufigen Kontextwechseln auf die Arbeit in agilen Teams und zeigen Best Practices, um diese Wechsel zu minimieren. Viel Spaß & Let’s grow, Michi.  Foto von Matt Bero auf Unsplash