Direkt zum Hauptbereich

Lean Coffee Frankfurt/Karlsruhe, Nachschau zum Termin 65

Hier wohnen Deine künftigen Lieblingsgruppen (hasst Du auch solche subversiven Werbesprüche? Noch besser: Hier MUSS man sich anmelden...), wenn Du Fragen rund um agiles Arbeiten hast und eine kleine, feine Community für einen offenen und respektvollen Austausch suchst:

https://www.xing.com/communities/groups/lean-coffee-frankfurt-am-main-99d1-1139176/about

https://www.xing.com/communities/groups/lean-coffee-karlsruhe-99d1-1139173/about

 

 

Dienstagmorgen, es geht wieder los. Einige Minuten vor acht sind die ersten da. Einer unserer treuen Gäste ist besonders gut gelaunt und summt verschmitzt: "In einer kleinen Konditorei, da saßen wir zwei und aßen für drei...", was für die erste Erheiterung in der Veranstaltung sorgt.

Bevor hier aber zu viel geredet wird, gleich das erste Thema:

Reden wir zu viel und machen zu wenig?

Beispiel Klimawandel

Als erstes Beispiel wird nicht Agilität im Allgemeinen und Besonderen, sondern der Klimawandel angeführt, der schon mindestens einmal Thema in unserem Lean Coffee war. Der Themengeber bekennt, er habe damals ein düsteres Bild gezeichnet, seiner Ansicht nach seien wir über den "point of no return" bereits hinweg. Wenn man sich das Machtgefüge der Welt ansehe, China, Russland, die U. S. A. und Europa, wo stehe Europa dann in 10 – 20 Jahren? "Wir reden uns zu Tode, im Großen wie im Kleinen", Entscheidungen, bis wir einmal vorankämen, brauchten lange, bis wir mal einen Wechsel vollzögen - diese Zeit hätten wir eigentlich gar nicht, wir seien zu wenig entschlossen. Der Mensch reagiere gerade hierzulande viel zu oft mit fünffacher Netzsicherung (gemeint: Sicherheitsnetz), es werde häufig mit "no risk" agiert. Wunsch des Themengebers ist, dieses Thema zu diskutieren und andere Standpunkte zu erfahren, nicht so sehr, gleich Lösungen zu finden. Der Teilnehmer fügt hinzu: "Was bringt uns da Agilität? Ist das vielleicht gar nicht der Fortschrittmacher?" Auch in puncto Digitalisierung seien wir in Deutschland ganz weit hinten.

Und täglich grüßt das Murmeltier

Ein anderer, streitbarer Teilnehmer hält dagegen, dass das das einzige sei, was man tun könne: Ständig an der Verbesserung arbeiten, "und täglich grüßt das Murmeltier. Und wenn wir zu langsam damit sind, dann verrecken wir halt, aber dann sind wir wenigstens mit Anstand aus der Welt entsorgt worden."

Ein anderer Gast wirft ein, dass alle agilen Communities, die werte- und evidenzbasiert arbeiteten, sich zusammentun und eine gemeinsame Linie finden müssten, "....dann kann man auch anpacken."
Nach Ansicht des nächsten Redners geht es um das Verständnis, wie man mit anderen Menschen und der gemeinsamen Arbeit umgeht. Die immer noch vorherrschende Sicht, dass man Manager brauche, die anderen vorgeben, was sie tun sollen, und sie bestrafen, wenn sie nicht wie gewünscht arbeiten, sei der Kreativitäts- und Innovationshemmer schlechthin. Es gehe um Bürokratie, Angst, Ego.

Prototyp im losgelösten Team: 1 Monat, gleiche Arbeit im Unternehmen: 3 Jahre

Der Teilnehmer, der überdies einen langjährigen Entwicklungshintergrund besitzt, berichtet uns, dass eines der Teams, die er betreute, einmal losgelöst gearbeitet und einen Prototyp erstellt habe, der innerhalb gut eines Monats  bereits an den Markt gebracht wurde. Inzwischen arbeite das Team nicht mehr losgelöst von den übrigen Strukturen, da das Unternehmen gewachsen sei, und  der gleiche Workload wie damals brauche jetzt eine Zeitspanne von etwa drei Jahren.
Für einen der Gäste riecht die Diskussion nach "big bang": "Wir müssen vor zehn Jahren gewusst haben, was in zwanzig Jahren zu tun ist." Agilität könne hier helfen, um mit den Risiken umzugehen.

Vom Tunnelbau in der Schweiz

Während der Diskussion wirft noch jemand ein, da auch ein Gast aus der Schweiz zugegen war, dass die Schweizer z. B. im Tunnelbau glänzten, und es würde nicht, wie in Deutsvchland, drei Jahre dauern, bis etwas auf die Beine gestellt sei, und die Tunnelbauten seien auch nicht mit Agilität, sondern minutiös nach klassischer Vorgehensweise durchgeplant. Der Schweizer Gast erklärt uns, wieso das so sein kann. Die Schweizer arbeiteten anders, "...bereits vor dem Tunnelbau sind da schon alle Schweizer gefragt worden, da ist schon jeder mit dem Arsch dahinter...", dieses Commitment fördere die Sicht "das kriegen wir hin", die enthaltene Basisdemokratie ist für den Teilnehmer ein wichtiger Akzent in diesem Kontext.

Demokratie erfahrbar und erlernbar machen

Dies bringt einen anderen Teilnehmer auf die Frage, wo Leute denn Demokratie erfahren könnten. Eine gute Gemeinschaft, die den Menschen zeigt, wie man Entscheidungen zusammen trifft, sei vielen fremd. Die Skepsis komme daher, weil die Menschen die zugrundeliegenden Mechanismen nicht mehr sähen oder kennten. "Wir müssen uns mehr beteiligen." Als Beispiel wird die kommunale Verwaltung angeführt, für die man als Bürger sich nur in den wenigsten Fällen interessiert, wo man sich nur in den seltensten Fällen selbst engagiert.

Haben wir keinen drive?

Jemand vermutet, dass Tatenlosigkeit und mangelndes Engagement daran liegen, dass die Allgemeinheit keine große Krise erlebt habe bzw. selbst habe bewältigen müssen, ob Weltwirtschaftskrise oder Corona-Pandemie, "...der Staat greift immer ein. Der Welt geht’s schlecht, aber uns geht’s immer gut." Dies sei möglicherweise der Gund, warum wir nicht den drive hätten, etwas zu tun.

Unserer Psyche geht es schlecht

Ein anderer Teilnehmer widerspricht dem ausdrücklich. Wir hätten zwar viel Spielzeug, um uns abzulenken, das sei aber nur oberflächlich, psychisch gehe es den Menschen gar nicht gut. Er hat Kontakt zu Life Coaches, die diese Erfahrung mit ihren Klienten machen. Nach Ansicht dieses Teilnehmers gehe es uns am schlechtesten, was die Psyche angehe, "...wenn man die Dinge nur äußerlich verändert, z. B. eine künstliche Harmonie im Team schafft, ist das der größte Fail."
 

Digitalisierung - was muss ich den Leuten beibringen?

Der Themengeber stellt die Frage zur Disposition, welche Techniken Menschen - aus Sicht der Diskussionsrunde - lernen müssten/sollten, um "besser zu digitalisieren", was auch immer das heiße?
Jemand wirft ein, dass es doch darum gehe, die Lust an Neuem zu wecken, Digitalisierung habe auch damit zu tun, dass man spielerisch Neues entdecken möchte, z. B. verschiedene neue Tools, digitale Prozesse, digitale Spiele. Natürlich sei dafür eine gewisse Technik-Affinität nötig, die grundsätzliche Einstellung sei aber altersunabhängig. Man müsse Dinge ausprobieren wollen, neugierig sein. Einer Digitalisierung könne auch ein gewisser Vorschub geleistet werden, indem z. B. Post-Its nicht mehr gekauft werden. ;-)

Menschen zusammenhalten, ncht auseinanderbringen

Ein anderer stellt die Fragen, was die Menschen, was die Kunden wollten? Was brauchen sie (und manchmal glauben sie auch nur, etwas zu brauchen)? Es gebe bei Digitalisierungsbemühungen auch die Gefahr, dass man Menschen damit auseinanderbringen könne statt sie zusammenzuführen oder zusammenzuhalten.

Digitalisierung in Stufen - und am Schluss steht UBER

Ein weiterer Teilnehmer zeigt den Weg auf zwischen einfacher und komplexerer Digitalisierung. Die einfachste Form bestehe darin, Dinge in elektronischer Form vorzuhalten, beispielsweise mp3s statt Schallplatten. Hier könne man auch noch etwas optimieren, indem man einen Streamingdienst nutzt, statt die mp3-Dateien herunterzuladen. Was aber momentan wenig gesehen werde, das sei die nächste Stufe: man ruft nicht mehr physikalisch ein Taxi, bei beispielsweise der (umstrittenen - die Red.) Firma/Plattform UBER stecke inzwischen ein ganz anderes Geschäftsmodell dahinter.

Themen im Überblick

 Literaturhinweise aus der Veranstaltung

https://www.amazon.de/Speed-Scale-Action-Solving-Climate/dp/0593420470/

https://www.amazon.de/World-Safe-Democracy-Liberal-Internationalism/dp/0300230982/ 

https://agile-verwaltung.org/ 

https://blogs.nabu.de/warum-das-geschaeftsmodell-uber-problematisch-ist/ (als einziger Hinweis NICHT aus der Veranstaltung, nachgereicht - die Red.)

Werbeblock:

https://www.xing.com/events/design-thinking-workshop-widerstand-agilitat-3827837

https://www.xing.com/events/dialogische-unternehmenskultur-3813981

https://www.xing.com/events/game-based-learning-spielerisch-lernen-spass-3813977
 

Vielen Dank an alle Gäste für das an diesem Morgen wieder gezeigte Vertrauen und Engagement. Wir freuen uns wie immer schon auf den nächsten Termin.
 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wofür braucht man einen Aktenplan?

Es muss im Jahr 2000 gewesen sein. In meinem Job hatte ich ein breites Feld an Aufgaben und ich wollte den Überblick behalten. Ich kannte mich schon mit verschiedenen Zeitmanagementsystemen aus. Aber mein Schreibtisch und meine elektronische Ablage wurden immer unübersichtlicher. Wer könnte noch ein Problem in der Ablage haben? Die Lösung fand ich in einem Handbuch für Sekretärinnen: einen Aktenplan. Ohne ihn wäre mein Leben anders verlaufen.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Transparenz als Schlüssel zum Erfolg: 20 Reflexionsfragen für moderne Organisationen

Transparenz ist das Herzstück erfolgreicher Teams. Sie schafft Vertrauen und fördert Zusammenarbeit. Wenn alle Zugang zu den notwendigen Informationen haben, können sie fundierte Entscheidungen treffen und gemeinsam Lösungen erarbeiten. Dies führt zu höherer Effizienz, schnelleren Entscheidungsprozessen und besseren Arbeitsergebnissen. Transparenz ist mehr als ein Schlagwort – es gilt, sie greifbar zu machen, ein gemeinsames Verständnis davon zu entwickeln und es in die Praxis umzusetzen. Wie das gelingt und welche Vorteile es für Euer Team und Eure Organisation bringt, erkunden wir im Folgenden.

Rebellieren für den Wandel: die 8 Regeln des totalen Stillstandes von Prof. Dr. Peter Kruse

In einem legendärem Vortrag skizzierte Peter Kruse 8 Regeln des totalen Stillstands. Ihm zufolge wurden die Regeln entwickelt, um Managern und Führungskräften dabei zu helfen, Bereiche mit potenziellem Widerstand gegen Veränderungen zu erkennen und Menschen auf strukturierte Weise durch den Veränderungsprozess zu führen.

Remote Energizer – Frische Energie für Online-Meetings (Teil 1)

Remote Meetings können anstrengend sein – müde Augen, sinkende Konzentration und ein angespanntes Team. Aber keine Sorge: Mit den richtigen Energizern bringst du Schwung und Motivation in jede Online-Session! In diesem ersten Teil zeige ich dir vier Übungen, die schnell für gute Laune sorgen und deinen Meetings neuen Schwung verleihen.

Der Call for Workshops für den Scrum Day 2025 ist geöffnet

Der persönliche Austausch auf einer Konferenz hilft beim Lösen der eigenen Probleme im Unternehmen. Hier sind ein paar Vorschläge aus der Community für den nächsten Scrum Day. Ihr könnt jetzt Vorschläge für das Programm einreichen.

Kategorien in Outlook - für das Team nutzen

Kennen Sie die Kategorien in Outlook? Nutzen Sie diese? Wenn ja wofür? Wenn ich diese Fragen im Seminar stelle, sehe ich oft hochgezogene Augenbrauen. Kaum jemand weiß, was man eigentlich mit diesen Kategorien machen kann und wofür sie nützlich sind. Dieser Blogartikel stellt sie Ihnen vor.

Die Stimmung in Deinem Team drehen? So wird’s gemacht.

Oder ähnlich. Mir gefiel der Titel. Vor ein paar Tagen hat mich jemand angesprochen und von einem, wohl etwas frustrierenden, virtuellen Teammeeting erzählt. Die Teammitglieder zogen lange Gesichter, schauten grimmig in ihre Kameras. Ich habe mich dann gefragt, was ich tun würde, wenn ich in so einer Situation wäre. In diesem Blogpost beschreibe ich ein paar Tipps mit denen Du die Stimmung in Deinem Team (und Deine eigene) verbessern kannst.

Wenn dein Team die Anforderungen blockt: 12 Tipps für Product Owner*innen

Liebe Product Owners, wir müssen reden. Schon wieder eine Anforderung, die im Nirgendwo landet? Zeit, das Ganze anders anzugehen. Ihr kennt das Spiel: Anforderungen sind ausgearbeitet, und doch läuft es im Team holprig. Was fehlt? Oft sind es Klarheit, realistische Erwartungen und ein bisschen Fingerspitzengefühl. Doch keine Sorge! Mit ein paar praktischen Tipps könnt ihr Missverständnisse vermeiden, Blockaden umgehen und den Entwicklungsprozess so richtig in Fahrt bringen – natürlich in Zusammenarbeit mit eurem Scrum Master. Hier sind zwölf Regeln, die euch helfen, das Team auf Kurs zu bringen und das Chaos in produktive Zusammenarbeit zu verwandeln. Wir zeigen dabei auch, wo der Scrum Master unterstützen kann, damit ihr eure Rolle als Product Owner noch besser erfüllen könnt. Häufige Stolperfallen: Warum Anforderungen oft scheitern Bevor wir ins Eingemachte gehen, kurz zu den typischen Stolperfallen. „Klare Anforderungen“? Klingt gut, scheitert aber sehr häufig an der realen Praxis. ...

Als Team innehalten für ein neues Jahr

Es ist eine schöne Tradition, den Jahreswechsel für das persönliche Innehalten zu nutzen. Als einzelne Person blickt man zurück, reflektiert und wünscht sich etwas für das neue Jahr. Einige Menschen nehmen sich etwas für das neue Jahr vor. Aber geht es auch auf der Ebene eines Teams?