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Aufruf zur Europawahl

Anlässlich der Europawahl am 23. bis 26. Mai 2019 rufen wir, die Autorinnen und Autoren des Teamworkblogs, zur Verbreitung des europäischen Gedankens auf. In Form von Einzelbeiträgen, also dem Inhalt angemessen.

Zwei Ideen im Dialog (Wolf Steinbrecher)


Ich bin ein begeisterter Agilist, und die Idee Europas erfüllt mein Herz (oder umgekehrt). An den agilen Methoden fesseln mich weniger die ökonomischen Versprechen („das Doppelte in halber Zeit leisten“), sondern mitreißend finde ich die Erfahrungen selbstorganisierter, von vielen äußeren Fesseln befreiter Teamarbeit. Dieses „Raus aus den Silos!“, „crossfunktionale Teams bilden!“ – die Erfahrung großer Freude, in solchen Teams zu arbeiten – das bildet für mich das Kernversprechen der Agilität.

Davon, so meine ich, könnte eine Strategie zum Aufbau Europas lernen. Auch hier geht es darum, sich nicht in nationalen Silos zu vermauern und nur das Interesse des je eigenen Landes kurzsichtig nach vorne zu stellen. Europa ist nicht nur eine Vertriebsplattform für den Weltmarkt. Sondern es bietet die Chancen zur Grenzüberschreitung, innerhalb Europas und darüber hinaus, zum offenen 360°-Blick, zum kakaphonen Dialog. Dazu gehört, Entscheidungen nach unten zu verlagern – nicht zurück auf die Nationen, sondern in die Kontaktzonen in Europa, die (limitrophen) Regionen.

Im neuen Aachener Vertrag ist festgelegt: „[Frankreich und Deutschland] beabsichtigen, in Grenzregionen die Beseitigung von Hindernissen zu erleichtern, um grenzüberschreitende Vorhaben umzusetzen … Zu diesem Zweck statten beide Staaten (…) die Gebietskörperschaften der Grenzregionen sowie grenzüberschreitende Einheiten wie Eurodistrikte mit angemessenen Kompetenzen, zweckgerichteten Mitteln und beschleunigten Verfahren aus, um Hindernisse bei der Umsetzung grenzüberschreitender Vorhaben, insbesondere in den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Umwelt, Gesundheit, Energie und Transport zu überwinden.“ (Artikel 13)

Neue Töne. Aber realisiert werden müssen sie von unten. Ansätze dazu gibt es viele – gerade auch im „Dreieckland“ in Deutsch-Südwest, wo ich wohne. Eine hohe Wahlbeteiligung und Stimmen für pro-europäische Kräfte können hier ein symbolisches Zeichen setzen – nicht mehr.
Aber immerhin.


Sicht eines Ausländers zur Identifikation mit Europa (James Lee)


Die Grundwerte der Europäische Union—Gerechtigkeit, Freiheit, Menschenwürde, Frieden und gegenseitiges Respekt—werden heute innerhalb und außerhalb der EU in Frage gestellt. Die Menschen fühlen sich heute nicht ausreichend geschützt: ökonomisch, gesundheitlich oder vor der Geschwindigkeit und Komplexität der Gegenwart. Sie sehnen sich nach einer einfacheren Welt, wo vielleicht eine „Nation“ diesen Schutz bietet. Meine Heimat allerdings, die USA, bieten als Nation seinen Bürgern viel weniger Schutz, als die Europäer der EU genießen. Für mich ist also zweifelhaft, ob einzelne Nationen auf sich gestellt seine Bürger besser schützen können.

Europa als Bündelung von Nationen mit unterschiedlichen Traditionen wird immer als abstrakt empfunden. In der Nahrungs-, bzw. Näherungskette, von Familie zu Lokalität zu Region zu Nation zu Supra-Nation bleibt Europa am Ende der Reihe. Deshalb wird es eine dauerhafte Aufgabe bleiben, ein Europa vor- und darzustellen, mit der wir uns identifizieren können. Die Herausforderungen zu der Integrität und die Werte der EU haben Euch (uns) allerdings einen klaren Fokus gegeben.  Brexit, Polens oder Ungarns Angriffe auf den Rechtsstaat oder auch die Anzweifelungen der europäischen Grundwerte von außerhalb der EU bringen die Vorteile einer Identifikation mit der EU zum Vorschein. Wenn die Bewohner der EU nicht für diese Grundwerte kämpfen, wer sonst?

Die EU als Institution ist nicht besonders effizient, die EU hat noch nicht einmal eine Fußball-Mannschaft, die wir bei einer Weltmeisterschaft anfeuern könnten. Dennoch liefert sie einen besseren Schutz als ihre Alternativen - wenn auch keinen perfekten. Als amerikanischer Staatsbürger ohne europäischen Pass werde ich bei der Europawahl nicht wählen dürfen. Umso lauter appelliere ich an Euch, liebe Leserinnen und Leser, Parteien zu unterstützen, die sich für die Stärkung Europas und seine Grundwerte einsetzen.


Lasst uns kooperieren! Let’s do Teamplay! (Edgar Rodehack)


Immer schon bin ich ein überzeugter Teamplayer. Wenig erfüllt mich mehr, als zu erleben, wenn sich aus dem, was sich Menschen gemeinsam vornehmen, plötzlich mehr ergibt als jede/r Einzelne in jeweiligen Einzelleistungen hätte schaffen können. In dieser Beziehung halte ich mich für ziemlich normal. Denn es ist ja unbestritten genau diese, beim Menschen besonders ausgeprägte Eigenschaft zur kooperativen Zusammenarbeit, die uns immer schon beste Dienste geleistet hat. Es handelt sich um das älteste Muster der Natur: Es ist die Erfolgsformel für Leben und Erfolg. Auch - und wahrscheinlich besonders - für den menschlichen Erfolg.

Das wird besonders deutlich, wenn man die ganz große evolutionäre Perspektive einnimmt. Hier wird die gesamte gestalterische Macht des kooperativen Handelns sichtbar. Überall in der Natur verspricht zielgerichtetes abgestimmtes Handeln, das auf Kooperation und Zusammenarbeit setzt, mehr Erfolg als abrenzende und eigenbrödlerische Ansätze. Das gilt sicher in besonderem Maße für den Menschen und seine gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Kulturen und Institutionen. Wir alle wissen das. Jeden Tag unseres Lebens finden wir uns aufs neue in hunderten von Alltagssituationen, in dem wir von diesem Solidar-Prinzip profitieren.

Wenn nur ein Bruchteil von den bedrohlichen Zukunftsszenarien realistisch sind, die uns allerorten entgegenschallen, sollten wir uns das besonders oft vor Augen führen. Denn gerade heute werden uns ja oft verführerisch einfache, einseitig ausgerichtete Lösungen für die kleinen und großen unübersichtlichen Herausforderungen angeboten, vor denen wir als Gesellschaft und Gemeinschaft und wahrscheinlich sogar als Spezies stehen. Mit einfachen und extremen Hauruck-Lösungen zu hantieren, die lokal wirken und gemeinsame Ziele außer Acht lassen, ist meist eine schlechte Idee.

Lasst und also die Möglichkeiten nutzen, die wir haben, um bessere, gemeinschaftliche Ansätze zu finden: Gehen wir zur Wahl! Sorgen wir dafür, dass alles, was unser großes gemeinsame Projekt behindert - Lobbyismus, Korruption, Hinterzimmerdiplomatie, Spezlwirtschaft - möglichst bald der Vergangenheit angehört.


Europa braucht sozialen Ausgleich, in den Nationalstaaten (Jan Fischbach)


Mir gefällt Europa. Ich genieße die Freizügigkeit, mich selbst in Europa zu bewegen oder Waren aus einem anderen EU-Land zu bestellen. Haben Sie schon einmal ein zu verzollendes Paket aus den Vereinigten Staaten beim Zoll abgeholt? Dann wissen Sie, was ich meine.

Mir gefällt Europa. Ich habe mir viele europäische Sprachen beigebracht, um die Menschen in den anderen EU-Ländern besser zu verstehen. Wir werden die europäische Vielfalt noch gut brauchen, um die anstehenden großen Probleme zu lösen.

Aber nicht alle Menschen können meine Begeisterung für Europa teilen. Da gibt es eine Gruppe von gut ausgebildeten Menschen, die vom gemeinsamen Markt profitieren. Und es gibt eine genauso große Gruppe von Leuten, die vielleicht nicht so viele Chancen hatten. Ihr Leben spielt sich lokal ab und ist ganz stark darauf angewiesen, dass das soziale Netz um sie herum gut funktioniert. Und gerade hier fand eher ein Wettlauf nach unten statt. Ein starkes Europaparlament kann dazu beitragen, dass die sozialen Standards wieder nach oben gehen.

Europa ist dort, wo Menschen teilhaben können. Europa ist ein Versprechen für mehr Rechtsstaatlichkeit und dass Märkte gebändigt sind. Damit die Bürger*innen in der EU gut leben können, brauchen wir nicht nur eine starke EZB, sondern auch ein Sozialprotokoll. Der soziale Ausgleich fängt in den Nationalstaaten an. Bitte nehmen Sie an der Europawahl teil. Geben Sie Ihre Stimme einer Partei, die sich für Demokratie, soziale Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit einsetzt.

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