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Was ich durch eine leere Inbox über mich gelernt habe

Jetzt habe ich es geschafft. Ein Ziel, das ich mir vor vielen Jahren gesetzt hatte, ist seit einigen Monaten Realität geworden: eine leere Inbox. Ich schaffe es täglich (oder spätestens am Ende einer Woche), mein Postfach wirklich leer zu räumen. Profitiert davon habe ich auf jeden Fall. Interessanter ist allerdings, was ich über mich selbst und meine Arbeitsweise daraus gelernt habe.

Vor gut fünf Jahren habe ich mit Erstauen die Inbox von Jan angeschaut. Der Korb war fast leer. Ich fragte Jan, wie er das wohl geschafft habe. Er erzählte mir von David Allen, Michael Linenberger und anderen /1, 2/. Durch ein Quäntchen Selbstdisziplin aber vor allem durch ein gutes System legt er eine E-Mail direkt ab und, wo notwendig, legt er eine Aufgabe in Outlook an. Jan meinte, dass das System viel Energie für wichtigere Themen frei setzt.

Das musste ich haben und auch schaffen können.

Zunächst, warum ist es so wichtig, die Inbox leer zu halten? Laut Allen und Linenberger liegt der Grund in die Entlastung der Psyche. Die Kernpunkte:
  • Wenn wir unsere “To Dos” (aller Art) im Kopf behalten, bindet dieses Management viel Energie. Wenn wir die Aufgabe vergäßen, hätte das schlechte Konsequenzen.
  • Wir entlasten unsere Köpfe psychologich durch ein verlässliches To-Do-System. Sind die To-Dos im System festgehalten, kann der Kopf sich entspannen.
  • Die volle Inbox ist häufig eine Sammlung unerledigter Aufgaben - ein To-Do-System ohne System. Die Masse verhindert den Überblick, und wir versuchen, sie dann im Kopf zu beherrschen.  Deshalb müssen die E-Mails nach erster Sichtung irgendwo geordnet abgelegt werden.

Es gibt viel mehr dazu zu sagen, insbesondere hinsichtlich der Umsetzung. Aber dafür ist ein Blick in die Texte von Linenberger oder bei meiner Teamwork-Blog-Kollegin, Sigrid Hess, hilfreich. Gestern hat Jan beschrieben, wie man ein volles Postfach nach Plan aufräumt.
Eine leere Inbox: Energie und Freiheit, oder Grund für Sorgen? 

Über die Jahre bin ich immer daran gescheitert, die Inbox zu leeren. Auch wenn ich besser mit dem Ablegen geworden bin. Der letzter Push kam letzten Herbst durch einen zufälligen Blick in den Inbox einer Kundin: 12.874 ungelesene E-Mails. (Kein Scherz, die Zahl in Klammern war eindeutig.) November 2014 habe ich es endlich doch geschafft, meine guten Vorsetzen umzusetzen. Mein System folgt generell dem von Linenberger, und alle E-Mails verschwinden aus der Inbox nach erster Sichtung (Details unten).

In der Tat spüre ich mehr Energie, weil ich keine Aufgaben im Kopf behalten müss. Ich spare eindeutig Zeit, weil ich nicht ständig die E-Mails aus der Inbox wiederholt lesen muss, um zu sehen, ob da doch etwas wichtiges liegt. Ähnliches haben sicher andere auch erlebt. Meine To-Do-Liste ist auch kürzer geworden, da ich mit der gewonnenen Energie und Zeit mehr jeden Tag schaffe.

Interessanter finde ich ein paar Phänomene, die ich an mir selbst beobachtet habe:
  • Wenn ich keine neue E-Mails seit dem letzten Check bekommen habe, habe ich gefragt, ob die Welt mich noch liebt und braucht. Der Satz ist übertrieben, aber die Grundtendenz stimmt. Alle wollen nützlich sein und geliebt werden - ein Zustand, den wir vielleicht anhand unserer Arbeitslast messen.  Wenn viele E-Mails in der Inbox liegen, erleben wir das Gefühl, dass wir gebraucht werden.
  • Mein Ziel ist es, 3-4 Mal am Tag meine E-Mails zu checken, damit ich mich auf wichtige Arbeit konzentrieren kann. Aber ich stellte fest, dass ich es viel häufiger tue. Durch meine fast leere Inbox habe ich erst erkannt, wie häufig.  
  • Das ständige Checken von E-Mails könnte einfach alte Gewohnheit sein. Ich befürchte, dass der Grund darin liegt, Ablenkung zu suchen. Wenn doch etwas Wichtiges in der Inbox liegen würde, könnte ich meine aktuelle Aufgabe verschieben. Warum will ich diese Aufgabe vor mir her verschieben? Gute Frage, Dr. Freud.  
  • Darüber hinaus hat das Durchwühlen meiner vollen Inbox immer einigen Minuten gekostet, bis ich sicher war, dass doch keine brennende Aufgabe dort lag, und dass ich doch wieder Arbeiten sollte. D.h. das Checken der E-Mails war auch wie eine Pause. Aber ist nicht eine echte Pause fern vom Schreibtisch effektiver?
  • Letztens: was tut man, wenn die Inbox leer ist und die für heutig geplanten Aufgaben erledigt sind? Man muss doch arbeiten, richtig? Oder vielleicht nicht. Ich könnte auch ein Buch lesen – etwas für die Arbeit natürlich. Oder vielleicht nicht. Oder ein Blog-Artikel schreiben?  Na ja, für ein Workaholic hätte ich mich nicht gehalten. Aber öffensichtlich genieße ich doch das Gefühl ständig unter Last zu sein. 
Viel Erfolg!
— James Lee

Anmerkungen


Hier die Details zu meinem System:

Ordnerstruktur:

  • Inbox: (siehe Prozedere unten).  Eine E-Mail darf hier nur verweilen, wenn es eine Aufgabe für heute beinhaltet.
  • Action: für E-Mails, die eine größere Aktion von mir fordern.
  • CC: E-Mails, wo ich in CC: stehe.  Dieser Korb wird automatisch durch einen Filter befüllt.  Ich lese diesen Korb nur 1-2 Mal pro Tag, und zwar mit dem Finger eher auf der Löschtaste
  • Processed: E-Mails, bei denen keine weitere Aktion von mir notwendig sind, und die ich langfristig behalten möchte. Wegen der heutigen Suchfunktionalitäten empfinde ich keinen Vorteil, eine tiefere Ablagestuktur zu pflegen. 98% der E-Mails schaue ich nie wieder an.
  • Temp: E-Mails, die ich eine Weile brauchen werde, aber prinzipiell gelöscht werden können. Beispiel: Online gekauften Bahn-Tickets. Ich brauche die E-Mails, bis ich meine Reisekosten eingereicht habe. Diesen Korb leere ich einmal pro Monat.

Prozedere:

  • Ich sichte meine Inbox 3-4 Mal täglich :-).  Alle “you have mail”-Benachrichtigungen sind bei mir ausgeschaltet.
  • Beim Checken meiner Inbox ist das Löschen meine Standardreaktion auf eine E-Mail. Als alter Historiker habe ich lange gebraucht, den Archivar in mir zu beruhigen. 
  • Ich folge dann der “2-Minuten-Regel” von David Allen, bei der alle Aufgaben bzw. E-Mails sofort erledigt werden, die innerhalb 2-5 Minuten erledigt werden können.
  • Sonst wird die E-Mail in einem der o. g. Körbe (Action, Processed, Temp) gespeichert.
  • Regelmäßig (einmal täglich) muss ich die Action-Korb durchgehen.
  • Ich reserviere in meinem Kalender bzw. in Aufgaben/Reminders eine Zeit für längere Aufgaben. In dieser Hinsicht halte ich die “Start-Datum” Idee von Linenberger für die Beste.

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