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Verträge für Projekte mit agilem Vorgehen (Teil 1/4)

Ein Thema, mit dem agile Projektmanager Abende füllen können, ist die Frage: Wie gestalte ich die Vertragsbeziehung zwischen Kunde und agilem Dienstleister? Wie gehe ich mit Leistungen um, die (eigentlich) als Festpreis ausgeschrieben werden müssen? In der agilen Community gibt es in paar Ideen. Hier sind meine.

Was ist eigentlich das Problem? Folgendes Vorgehen ist weit verbreitet: Ein Kunde hat eine Idee für eine neue Software. Er schreibt mehrere Dienstleister an und bittet um Aufwandsschätzungen. Es wird dann über Preis und Aufwand verhandelt und ein Werksvertrag geschlossen. Häufig ist allerdings am Ende von Geld und Zeit noch viel Projekt übrig und nun beginnt die Streiterei.

Zu den Gründen und möglichen Alternativen wurde viel geschrieben (/1/). Da kann ich nichts neues beitragen. Ich durfte aber viele Fehler machen und so Erfahrungen bei Verträgen sammeln. In dieser Serie stelle ich meine Empfehlungen vor.

Bevor wir zu irgendwelchen Schlüssen kommen, müssen wir uns drei Dinge ansehen:
  1. Welche Vertragsarten gibt es überhaupt?
  2. Wie sieht das Profil des Projekts aus?
  3. Wie lässt sich der Business Case für ein IT-System ausrechnen?
Wenn man diese drei Punkte versteht, ist auch klar, was die Verhandlungspartner in den Vertrag schreiben sollen. Es geht ja nicht um den Vertrag per se, sondern um Ergebnisse, die beide Seiten erreichen wollen.

Sehen wir uns nochmal die Ausgangssituation an. Ein Kunde hat eine Idee und möchte eine Software in Auftrag geben. Ich denke dabei an Unternehmen zwischen 5 und 500 Mitarbeitern und an eine Projektdauer zwischen 6 Monaten und 2 Jahren.

Das deutsche Recht bietet drei Vertragsarten an:
  1. Er kauft eine bereits fertige Software. Das ist ein Kaufvertrag.
  2. Er beauftragt jemanden, eine Software nach seinen Wünschen zu bauen. Dazu beschreibt er das, was er haben will. Der Lieferant stimmt der Spezifikation zu und baut. Später wird das Werk gegen die Spezifikation geprüft. Das ist ein Werkvertrag.
  3. Er beauftragt jemanden, für ihn zu arbeiten und dabei eine Software zu erstellen. Der Lieferant wird für die Zeit bezahlt, in der er für den Kunden tätig ist. Das ist ein Dienstleistungsvertrag.

Ich halte das deutsche Recht gut für IT-Verträge geeignet (/2/).

Kaufvertrag schließe ich jetzt mal aus. Ich gehe davon aus, dass der Kunde sich am Markt umgesehen hat. Die Software, die er möchte, gibt es aus seiner Sicht nicht am Markt.

Bleiben noch Werk- und Dienstvertrag im Rennen. Erfahrungsgemäß kann der Kunde zu einem frühen Zeitpunkt die Software gar nicht spezifizieren, die er genau braucht. Jetzt wird es interessant. Wenn der Kunde keine Spezifikation abgibt und die Lieferant nach gründlicher Prüfung der Spezifikation nicht bestätigt, dann ist es auch kein Werkvertrag.

Viele Kunden glauben, dass sie nach einer groben Spezifikation ein Anrecht auf ganz genaue Funktionen haben. Rechtlich geht das gar nicht. Nicht einmal, wenn es dem Einkäufer gelingt, dass der Lieferant im Vertrag einer einseitigen Übernahme von Risiken zustimmt. Wenn es zum Streit vor Gericht käme, würde der Richter beide Parteien daran erinnern, dass jede Seite die Dinge erfüllen müsse, die sie am besten könne. Nach der Aufforderung, die unterzeichnete Spezifikation vorzulegen, beginnt auf Kundenseite eine hektische Suche nach E-Mails und Dokumenten, die angeblich beweisen, dass der Lieferant zu irgendetwas zugestimmt hat.

Selbst wenn er etwas findet, dass als Zustimmung auszulegen wäre, muss auch bewiesen werden, dass der Lieferant die Spezifikation mit Sinn und Verstand und der Art des Auftrags angemessen gründlich geprüft hat. Geben Sie etwa Ihre Autoschlüssel einem sehr angetrunkenen Freund, der sagt, er könne noch fahren? Selbst wenn es Ihr Freund ist, der den Wagen beschädigt, so tragen auch Sie eine Mitschuld.

Der Lieferant darf sich aber auch nicht rausreden. Wenn er ein Angebot abgibt, muss er die Leistungen auch erbringen. Auch wenn auf dem Vertrag das Wort "Dienstvertrag" steht, muss er werk- oder kaufvertragliche Pflichten erfüllen, wenn die Arbeit de facto als Werk geliefert wird. Diese Unterscheidung spielte früher bei Haftung und Gewährleistung eine wichtige Rolle; heute nicht mehr. Wenn jemand im Rahmen eines Dienstvertrags ein spezifiziertes Werk liefert, hat er die von ihm zugesicherten Eigenschaften des Werks zu gewährleisten.

Wir müssen es also mit einem Dienstvertrag versuchen, wenn wir im Projekt agil zusammenarbeiten wollen. Denkbar wäre noch, zwei unterschiedliche Verträge abzuschließen: einen Werkvertrag für den Teil, der sich tatsächlich gut spezifizieren lässt und einen Dienstvertrag für alles andere.

Aber wie gehen wir denn nun genau vor, wenn wir Leistungen nicht von vorn herein spezifizieren können? Dazu sollten wir erstmal einen Blick auf die Natur des Projekts werfen, dass beide Parteien planen. Dies behandle ich in Teil 2.

Anmerkungen

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