Ein ganz normaler Morgen
9:15 Uhr. Sie sitzen in Ihrem Büro und starren auf drei Bildschirme. Outlook blinkt nervös, Teams zeigt 17 ungelesene Nachrichten, und das neue Dokumentenmanagementsystem verweigert schon wieder die Zusammenarbeit mit der Fachanwendung. Ihr Team ist frustriert, die Bürger sind es auch.
"Menschen, die keine Zeichen haben zu beschreiben, was mit ihnen geschieht, werden zu Bestandteilen der Probleme"
Dieser Satz der Komplexitätsforscherin Gitta Peyn trifft den Kern der Verwaltungsrealität: Wir operieren in selbsterhaltenden Systemmustern. die ihre eigenen Blockaden reproduzieren – wie Hamsterräder der Ineffizienz.
Einmal Klartext bitte!
68% der Digitalisierungsprojekte* scheitern nicht an der Technik, sondern am Systemblindflug. Wir lösen Einzelprobleme, während die eigentlichen Störungen in den Schnittstellen zwischen Menschen, Prozessen und Technik lauern.
- IT: Neue Fachanwendungen als Allheilmittel verwaltungsspezifischer Probleme
- Organisation: Silokreative Abstimmung im Einbahnstraßen-Modus
- Führung: Symptombekämpfung durch starre Home-Office-Regelungen
Ein klassisches Subsystem-Dilemma: Jede Abteilung optimiert ihr eigenes Universum – das Gesamtsystem driftet auseinander.
Die Wertschätzungsfalle
- Dogmatische Empathie: Wenn Wertschätzung zur zwanghaften Ritualistik erstarrt, erstickt sie den produktiven Konflikt. Systeme verlieren ihre Selbstkorrekturfähigkeit.
- Resilienz-Verlust: Überangepasste Teams entwickeln Harmonie-Allergien - sie reagieren auf echte Krisen wie überforderte Immunsysteme.
Konkrete Systemeffekte:
- Schweigespiralen statt Lösungsdialoge
- Entscheidungslähmung durch Konsenszwang statt konstruktiver Kritik
- Realitätsverzerrung durch Filterblasen
Der Weg zur Transformation
Echte Veränderung lässt sich nicht einfach anordnen oder planen. Sie entsteht, wenn alle Teile eines Systems – Menschen, Abläufe und Regeln – gemeinsam wirken.
- Keine Top-down-Steuerung: Man kann nicht per Befehl ("Wir werden jetzt transformiert!") nachhaltige Veränderung erzwingen.
- Selbstorganisation: Systeme (Teams, Unternehmen, Gesellschaft) entwickeln sich durch ihre internen Wechselwirkungen – wie ein lebender Organismus.
- Emergenzprinzip: Veränderung "brodelt" aus vielen kleinen Anpassungen, nicht aus Masterplänen
Wenn eine Firma Digitalisierung einfach per Software-Update anordnet, aber gleichzeitig starre Hierarchien beibehält, scheitert sie. Erst wenn Kommunikation, Prozesse und Technik gemeinsam evolvieren, entsteht echte Transformation.
Handlungsempfehlungen für Führungskräfte
Empfehlung | Umsetzungshilfe | Systemwirkung |
---|---|---|
Wöchentliches Real-Time-Feedback | 15-minütige Teamchecks mit Fokus auf konkrete Arbeitshindernisse ("Was blockiert Sie aktuell am meisten?") | Unterbricht Schweigespiralen, fördert frühe Störungserkennung |
Visuelle Zielkoordination | Gemeinsames Erstellen von Prozesslandkarten zum Erkennen von Schnittstellenprobleme | Reduziert Medienbrüche durch kontextübergreifendes Verständnis |
Ambivalenz-Rituale | Monatliche "Was-wäre-wenn"-Workshops zu potenziellen Rückschritten | Stärkt Resilienz durch antizipatorisches Lernen |
Mikro-Experimente | 6-Wochen-Challenges mit kleinstmöglichen Veränderungen ("Testphase Homeoffice-Diagonale") | Schafft Keimzellen für organische Transformation |
Hierarchie-Inversion | Quartalsweise Rollentausch-Tage zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden | Durchbricht Projektionsmuster, fördert Systemverständnis |
Weiterführende Blog-Artikel
Nachhaltiger Lerntransfer: Praktische Strategien für Personalverantwortliche von Maria Kühn auf www.agile-verwaltung.de
Quellenangaben & Literaturempfehlungen
Interkulturelle Kompetenz und pädagogische Professionalität
Auernheimer, G. et al. (Hrsg.). (2010). Interkulturelle Kompetenz und pädagogische Professionalität (3. Aufl.). VS Verlag für Sozialwissenschaften.
(Originalwerk erschienen 2003, 2. aktualisierte Aufl. 2008)Pogofähigkeit
Peyn, G. (2024). Pogofähigkeit: Gleichschaltung, Resonanzkatastrophe und systemische Kommunikation. Formwelt gUG.
(Verweise auf Konzepte: S.83, 84, 87, 93, 94, 95, 97, 101, 122, 131, 200)Liebesaffären zwischen Problem und Lösung
Schmidt, G. (2021). Liebesaffären zwischen Problem und Lösung: Hypnosystemisches Arbeiten in schwierigen Kontexten (Hypnose und Hypnotherapie) (1. Aufl.). Carl-Auer Verlag.
Zusätzliche Literatur:
- Axelrod, R. (1987). Die Evolution der Kooperation. Oldenbourg.
- Luhmann, N. (1984). Soziale Systeme: Grundriß einer allgemeinen Theorie. Suhrkamp.
- Mecheril, P. (2003). Prekäre Verhältnisse: Über natio-ethno-kulturelle (Mehrfach-)Zugehörigkeit. Waxmann.
- Hofstede, G. (1997). Lokales Denken, globales Handeln: Kulturen, Zusammenarbeit und Management (3. Aufl.). dtv.
- Roland Berger (2022): Focus: Digital Dilemma. Abgerufen unter: https://content.rolandberger.com/hubfs/07_presse/Roland_Berger_Focus_Digital_Dilemma_N3XT_2022.pdf (Zugriff am: 14.03.2025).
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