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Die Hiding Hand verführt uns zu Projekten. Lean- und Agile-Ansätze sind die Fortsetzung.

Wir haben schon über die “Hiding Hand” in unseren Projekten geschrieben /1/. Die Idee kommt von Albert O. Hirschman. Hirschman beobachtete 1967 auf Basis seiner Erfahrungen in Entwicklungsländern, wie fehlgeplante Projekte durch Anpassungen trotzdem zu einem positiven Nutzen gebracht werden. Die “Hiding Hand” bringt uns dazu, Projekte zu unternehmen, die wir nie angegangen hätten, wenn wir die vollen Kosten und Risiken zu Projektbeginn gekannt hätten. Die Fehlplanung wird (angeblich) zu einem Segen, der unsere Entwicklung vorantreibt /2, 4/. Aber brauchen wir wirklich eine Hiding Hand, die uns in Projekte lockt? Ich denke nicht.

Hirschman sah die Hiding Hand als Teil eines Lernprozesses. Die Hiding Hand verschwindet mit der Zeit, da wir lernen, besser zu planen und größere Risiken einzugehen. Aber, Herr Hirschman, hat Deutschland in diesem Sinne das Stadium eines Entwicklungslands wirklich verlassen? 

Wenn wir die aktuelle Projektlandschaft anschauen, von Berliner Flughafen bis zu kleineren Projekten in Firmen, stellt es sich die Frage, ob die Hiding Hand in Länder wie Deutschland wirklich keine Rolle mehr spielt. Ich erlebe ihre Wirkung in fast jedem Projekt. Haben wir aus unseren Projekterfahrungen nichts gelernt, wie Bent Flyvbjerg meint? /3/ 

Oder haben wir uns doch durch die Hiding Hand schon weiter entwickelt? Aus meiner Sicht zeigen Techniken aus den Bereichen Lean und Agile genau die von Hirschman versprochene Reifegradentwicklung. Durch sie wagen wir mehr Projekte, allerdings ohne den Stress der Rettung eines gekenterten Projekts. 

Welche Techniken aus der agilen Welt könnten helfen? Mir fallen folgende Punkte ein:
  • Aufgaben bzw. Projekte in kleine Teile zerlegen
  • Menge der gleichzeitigen Aufgaben reduzieren (Limiting work in progress)
  • Fast Feedback
Also, wir testen die Hypothese der Reihe nach….

Lieber kleine Projekte

Bei Projekten explodieren Schätz- und Planungsfehler exponentiell mit der Größe. Ansätze wie Scrum, Kanban oder Lean Startup empfehlen, die “Batch Size” (Arbeitpakete, User Stories, Größe oder Menge an Features, Sprint-Länge etc.) klein zu halten. Das ist vorteilhaft:
  • Die Sache bleibt überschaubar. Damit kann ich genauer schätzen und planen.
  • Ich bin eher bereit die Risiken einzugehen, weil sie klein sind.
  • Fast Feedback ist möglich. Wir bekommen früher Ergebnisse und können besser Ziele und Aufgaben anpassen.
Wir sollten durch die Hiding Hand lernen, größeren Risiken einzugehen. Sind kleine Projekte hier ein Widerspruch? Keineswegs. Gerade die Erfahrungen aus kleineren Projekten gibt uns den Mut, größere Projekten anzugehen. 

Anzahl der Aufgaben begrenzen (limiting work in progress)

Das Eingrenzen und Priorisieren der aktuellen Projekte/Aufgaben verbessert unsere Produktivität. Zwar erhöht das WIP-Limit unseren Durchsatz enorm. Aber gerade die Priorisierung, also die Frage, welches Projekt als nächstes begonnen wird, verbessert unsere Einschätzung des Risikos. 

Begrenzung und Prioriserung verringert Kapazitätsengpässe. Teams, die ein Kanban-Board aufgestellt haben, berichten wie zauberhaft die Eingrenzung der WIP wirkt, als ob eine Hiding Hand sie unterstützt.

Und die Ausnahme bestätigt der Regel. Ich kenne ein kleines Startup, das mit dem vollen Einsatz von Scrum stolziert. Leider wurde wenig auf die Begrenzung des WIP geachtet. Dadurch haben sie einen See von Aufgaben aufgefüllt, worin sie zu ertrinken drohen. Nun führt die Firma Kanban-Boards und starke Prioritisierungsregeln ein. Die Wirkung: die Produktivität, die Qualität und die Motivation der Mannschaft  steigen. Die Reifegradentwicklung dieses jungen Unternehmens ist innerhalb nur Monate spürbar.

Fast Feedback

Fast Feedback hilft uns dabei, zu lernen. Fast Feedback schließt Messverfahren und Erstellung von Prototypen ein, sowohl in internen Prozessen als auch beim Kunden. Mit Fast Feedback reduziert sich das  Risiko, unter falsche Voraussetzungen hinsichtlich Anforderungen, Qualität, Nutzen, Umfang usw. zu arbeiten. Wir können schnell korrigieren. Wir gewöhnen uns an Changes, und die Anpassungen an sich werden kleiner. Wenn wir die Gewissheit haben, dass eine Korrektur möglich ist, entscheiden wir uns eher dafür, etwas neues zu entwickeln.

Ich denke, dass wir doch was gelernt haben. Wie ist Ihre Erfahrung in Projekten?

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