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DMS- und ECM-Projekte zum Erfolg führen (Teil 3): Der Workflow-Mythos

Nur wenige Projekte zur Einführung von Dokumentenmanagement-Systemen bringen ihren Kunden den Nutzen, den diese sich davon erhoffen. Im dritten Teil unserer Serie beschäftigen wir uns mit der Frage, wie DMS am besten die Organisation von Aufgaben in Teams („Activity-Management“) unterstützen können. Und ob die sogenannten Workflows dazu die beste Methode darstellen.


Im vorigen Artikel unserer Serie /zum letzten Artikel/ hatten wir den Belegworkflow vorgestellt, der von vielen DMS-Produkten unterstützt wird. Der Belegworkflow (auch Rechnungsworkflow) bildet den herkömmlichen Umlauf von Eingangsrechnungen ab, die zur Abzeichnung und Buchung durchs Unternehmen laufen.
Der Belegworkflow ist durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet:
  1. Er ist an genau 1 Dokument gebunden, nämlich eine eingescannte Rechnung.
  2. Dieses Dokument wird im System nur einmal abgelegt.
  3. Es sind bestimmte Arbeitsschritte definiert, die mit dem Dokument verbunden sind (sachlich und rechnerisch richtig zeichnen, kontrollieren nach dem 4-Augen-Prinzip, anweisen, buchen usw.). Diese Arbeitsschritte werden im DMS der Reihe nach verschiedenen Personen zugewiesen (immer wenn eine Station ihren Schritt erledigt hat, bekommt die nächste Station die Aufgabe auf den Bildschirm).
Den Aufgaben ist immer ein Link auf das irgendwo im System vorhandene Dokument beigefügt. Das unterscheidet das System wohltuend von E-Mails, bei denen immer wieder neue Kopien der Dokumente erzeugt werden.
Das DMS enthält eine Art Aufgabenliste für jeden Mitarbeiter, und in diese Aufgabenliste wird immer der jeweilige Arbeitsschritt eingetragen. Die Mitarbeiter müssen also regelmäßig im DMS arbeiten, damit sie von diesen Aufgabenzuweisungen Notiz nehmen können.
In der Regel haben die Mitarbeiter aber noch andere Aufgabenlisten (z. B. im Outlook oder als Papierkladde usw.), so dass durch das DMS – und das ist die Rückseite der Medaille – der Überblick über die eigenen ToDo’s ein Stück weit zersplittert wird.

Auf welche anderen Prozesse lässt sich die Methode „Workflow“ übertragen?
Viele DMS-Hersteller haben dieses System in ihre Produkte integriert. Das geht auch sehr einfach, weil der Prozessablauf sehr starr ist (er sieht genauso aus wie vor 30 Jahren) und bei vielen Unternehmen identisch abläuft. Man kann also mit einem gegebenen Programmieraufwand die gleiche Software oft verkaufen. Das ist angenehm und macht Lust auf mehr.
Welche anderen Prozesse gibt es im Unternehmen, die ähnliche Charakteristika aufweisen wie der Belegworkflow? Es sind überraschend wenige. Einer der marktführenden DMS-Anbieter zählt folgende Beispiele auf:
  • Posteingangsverteilung
  • Beschaffungsworkflow
  • Urlaubs- und Dienstreiseanträge
  • Personaleinstellungen /2/
Und was ist mit den anderen Prozessen?
Workflows für andere Prozesse
Für Prozesse, die nicht den engen Vorgaben des Belegworkflows folgen, braucht man ganz andere Softwaremodule. Und nur wenige Dokumentenmanagementsysteme sind hierin wirklich gut.
Ein Beispiel aus unserer Projektpraxis: Ein Kunde von uns hatte bereits vor Jahren ein DMS gekauft, das seinen Belegworkflow hervorragend unterstützte. Jetzt wollte er das Programm nutzen, um in einem Vorstandsbüro die Aufgabenzuordnung zwischen Führungskraft und Assistentin zu organisieren. Aber das DMS kannte nur die Beleglogik: „Man hat ein Dokument und diesem Dokument wird eine Aufgabe zugeordnet und der Aufgabe ein Mitarbeiter.“ Also musste jetzt der Chef, wenn er seiner Sekretärin eine Aufgabe wie z. B. „Bitte vereinbaren Sie einen Termin mit Herrn Müllerschön“ zuweisen wollte, ein leeres Worddokument erzeugen, damit ihn das DMS die Aufgabe überhaupt erfassen ließ. – Soweit zum Thema Scheuklappenprogrammierung.
Andere DM-Systeme sind da sehr viel mächtiger und haben ganze Prozess-Design-Studios (sogenannte BPM-Suites) im Portfolio. Sie versprechen den Unternehmen kräftige Marktvorteile. In einer kürzlich erschienenen universitären Arbeit heißt es dazu:
„Grundlage für dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen ist eine stetige Analyse und Dokumentation der Geschäftsprozesse. Darin liegt der Schlüssel zum Erkennen von Potentialen und zur Umsetzung geeigneter Optimierungsmaßnahmen.
Unternehmen haben diese Notwendigkeit und Chance erkannt und erwarten von Workflowbasierten Lösungen vor allem wesentliche Verbesserungen in den Bereichen Bearbeitungseffizienz und Qualität sowie Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit.“ /3/
Dabei stellen sich zwei ganz einfache Fragen:
Frage 1: Wer nimmt die „stetige Analyse und Dokumentation der Geschäftsprozesse“ laut jeweiliger DMS-Philosophie vor?
Bis vor einigen Jahren brauchte man dazu regelmäßig die Unterstützung des DMS-Herstellers, weil nur der die Workflows programmieren konnte. Das war nicht nur teuer, sondern vor allem extrem schwerfällig. Es dauerte oft ein Jahr, bis ein Prozessablauf, der sich in der betrieblichen Praxis geändert hatte, im Programm nachvollzogen war. Und während dieser ganzen Zeit war das DMS nicht nur nicht richtig produktiv, sondern kontraproduktiv. Die Mitarbeiter mussten immer gegen den Workflow arbeiten.
Mittlerweile weisen viele DMS sogenannte „Werkbänke“ auf, bei denen das Unternehmen selbst seine Workflows modellieren kann. Aber auch dazu braucht es Fachkenntnisse, die meist nur die IT hat. Also heißt es für die Fachabteilungen wieder: warten, bis die IT Zeit hat.

Fazit: Ein gutes DMS muss es den einzelnen Mitarbeitern ermöglichen, ihre Prozesse zu modellieren und zu ändern.
Ein DMS muss nicht nur Workflows managen, sondern muss das Workflow-Management managen. Und das kann kaum ein Produkt.

Frage 2: Wie kann der einzelne Mitarbeiter Änderungen am vorgegebenen Workflow schnell und unkompliziert vornehmen?
Ein Prozess läuft nicht immer nach dem gleichen Schema ab. Und ein Computerprogramm kann nicht alle Eventualitäten abbilden, die einen Prozessablauf in eine Ausnahmesituation versetzen. Selbst bei einem einfachen Belegworkflow stellt es eine Herausforderung an die Programmierer dar, wie sie mit dem Krankheitsfall eines Beteiligten umgehen: Wird automatisch aufgrund einer Vertretungsliste umgeleitet? Geht die Aufgabe an den Vorgänger in der Schrittfolge zurück und dieser entscheidet über die Vertretung? Was passiert, wenn die Vertretung selbst nicht da ist, aber deren Vertretung wieder der erste Mitarbeiter ist? Man geht nur ein bisschen ins Detail, und die Komplexität wächst exponentiell. /4/
 Workflows müssen es also den Mitarbeitern erlauben, flexibel „on the fly“ Modifikationen am Ablauf vorzunehmen. Der oben zitierte DMS-Anbieter vermerkt stolz seine Möglichkeit, sogenannte „One-Step-Workflows“ in vorgegebene Abläufe einzufügen:
„Taskflow - der sichere One-Step-Workflow: Unsere ECM-Suite bietet mit den Taskflows eine Funktion, die es ermöglicht, Personen oder Gruppen eine Aufgabe in einem Prozessschritt zuzuweisen.“ /5/
Lustig ist die Begründung für die Notwendigkeit des Angebots:
„Bei unseren Kundenbefragungen haben wir herausgefunden, dass sich eine große Mehrheit die Workflow-Funktionalität für einfache Aufgabenzuweisungen wünscht. Bei dieser Analyse stellte sich auch heraus, dass im Unternehmensalltag zu ungefähr 90 % Prozesse dominieren, die nur aus einem Schritt bestehen.“
 Ach nee. Braucht man dazu große Kundenbefragungen? Reicht nicht ein bisschen betriebliche Erfahrung und zwei Gramm gesunder Menschenverstand?
Nach all dem ganzen Workflow-Hype bleibt als ganz ganz neuer Baustein die Möglichkeit, dass ein Mitarbeiter dem Kollegen eine Aufgabe übertragen kann: „Ich komme gerade nicht dazu, kannst du das für mich erledigen?“ oder „Ich bin mir nicht ganz sicher mit meinem Entwurf. Kannst du mal einen Blick darauf werfen?“
Also ganz einfach: Ein gutes DMS muss auch ein teamfähiges Activity-Management enthalten.
 Activity-Management in einem DMS-Lastenheft
Was bedeutet das genau, das heißt welche Funktionalitäten muss ein DMS abbilden?
  1. Ein DMS muss es den Mitarbeitern erlauben, ihren ganzen Aufgabenkatalog dort zu pflegen. Statt die Aktivitäten noch in Outlook und an andren Orten zu führen, muss das DMS eine einheitliche Oberfläche anbieten.
  2. Dadurch entfällt im Prinzip das Vertretungsproblem. Fällt ein Mitarbeiter aus (durch Urlaub, also geplant, oder durch Krankheit), kann ein autorisierter Vertreter dessen Aufgabenliste sichten. Da das ein sehr sensibler Bereich ist, der viele Ängste bei den Mitarbeitern wecken kann, sind hier Zusatzvorkehrungen im DMS notwendig. /6/
  3. Activity-Management und Dokumenten-Repository werden verzahnt. Eine Trennung in „Dokumentenverwaltung hier“ und „Aufgabenverwaltung dort“ (wie herkömmlich: das eine im Dateisystem, das andere in der Outlook-Aufgabenliste) ist Blödsinn. Beide gehören verknüpft. Dafür ist DMS da.
  4. Die Aufgaben im Activity-Management werden Vorgängen /7/ zugeordnet. Dadurch kann man sie ideal mit den benötigten Dokumenten verheiraten, denn auch die Dokumente werden zu Vorgängen zusammengefasst (siehe Abbildung).










Abbildung: Im Prozess „Interne Audits“ gibt es einen Vorgang „Abteilung Wareneingang auditieren“. Dazu gehört im DMS ein physikalischer Ordner mit den Dokumenten und eine Liste mit den Aktivitäten. Beide sind verknüpft. Wenn ich mir eine Aufgabe auswähle, die ich erledigen will, bietet mir das Programm sofort den zugehörigen Dokumentenordner an.

Es muss möglich sein, Aufgaben an andere Teamkollegen zu delegieren, einfach indem man im Dropdown-Feld „verantwortlich“ – dort wo man vorher selbst stand - jemanden anderes anklickt. Dann landet die Aufgabe bei diesem anderen im Aktivitäten-Eingangskorb und kann von ihm zurückgewiesen oder akzeptiert und in sein Aktivitäten-Backlog mit entsprechender Priorisierung eingereiht werden. Das ist – ganz simpel – der „One-Step-Workflow“, auf den unser DMS-Hersteller nach aufwendigsten Kundenbefragungen und jahrzehntelanger Entwicklungsarbeit so stolz ist.


  Anmerkungen
/1/ Der Beschaffungsworkflow ist dem Belegworkflow vorgelagert (bevor eine Eingangsrechnung eingeht, muss ich einen Beschaffungsauftrag erteilt haben). Beide Workflows gehören bei einem anständigen DMS integriert. Siehe dazu http://www.teamworkblog.de/2013/04/dms-und-ecm-projekte-zum-erfolg-fuhren_29.html.
/2/ Siehe www.optimal-systems.de, Seite „Digitale Workflows in der Praxis“.
/3/ Julia Pförtner: (Multi)agentenbasierte Workflow Management Systeme, Seminararbeit, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Seite 6
/4/ Siehe Tom Shepherd: Moving from Anticipation to Adaptation, in: Keith D. Swenson: Mastering the Unpredictable, Meghan-Kiffer Press, 2012, p. 41 ff.
/5/ Siehe www.optimal-systems.de, Seite „Ad-hoc Taskflows“.
/6/ Wir empfehlen, dass jede Aufgabe vom Mitarbeiter einen Vertraulichkeitslevel zugeordnet bekommt: „öffentlich“ (= alle können die Aufgabe sehen), „Team“ (= nur die Kollegen im Team können sie sehen), „Vertretung“ (nur für den Vertreter nach gesonderter Freischaltung sichtbar), „persönlich“ (= immer für andere unsichtbar).
/7/ Wir nennen Vorgänge das, was David Allen „Projekte“ nennt. In „Mastering the Impredictable“ heißen sie Cases. Wir haben diese Begriffe bei uns als „Vorgänge“ übersetzt.

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