Direkt zum Hauptbereich

Die Werkstatt und das Schaufenster - Prozessorientierung versus Abteilungslaufwerk

Manchmal finden wir Blockaden für ein gutes Miteinander im Projektteam in den Begrenzungen der Technik. Manchmal aber ist auch Gewohnheit, Angst oder Besitzstandswahrung der Name des Steines, der im Weg liegt. Ein Bericht auch der Beratungspraxis.

Unlängst habe ich in einem Unternehmen in einem zweitägigen Workshop mit einer großen Gruppe Beteiligter – von IT bis Rechtabteilung - eine gemeinsame Prozessorientierte Ablagestruktur entworfen (/1/). Am Ende des Tages 1 stellten wir fest, dass die Finanzierung des Ganzen ein Unterstützungsprozess ist und daher in einem anderen Verzeichnis stattfindet. In das Verzeichnis des Kernprozesses wird ein Link zur Finanzierung gesetzt.

An dieser Routine-Festlegung brach das große ABER auf:
  • Darf denn jeder Prozessbeteiligte die Finanzierungsdaten sehen?
  • Oder ist das ein „leerer Link“ der nur die Auskunft erteilt: „Die Finanzierungsdaten sind auf dem Laufwerk F, auf das du keine Zugriffsberechtigung hast.“
  • Wie ist das dann mit den juristischen Schriftsätzen, die sich noch im Entwurfsstadium befinden? „... wenn das versehentlich jemand aus dem Haus gibt?!“
  • „Wenn wir alles für das ganze Projektteam öffnen, fangen die Leute wieder an, auf ihrem persönlichen Laufwerken oder (bewahre!) eigenen USB-Sticks zu speichern!“
Mit diesem sich auftuenden Graben gingen wir in den Abend. Offensichtlich ist die Hürde weniger die Technik, als Ängste in den Köpfen der Beteiligten. Aber wovor denn? Die Frage des juristischen Schriftsatzes kann ich nachvollziehen. Aber mit einer Regel für den Dateinamen lässt sich das leicht lösen (z.B.: alle Entwürfe erhalten am Ende des Dateinamens einen Kleinbuchstaben, die erste freigegebene Version bekommt eine Null und dann wird hochgezählt).

Und ehrlich: fühlt sich irgendjemand berufen, in den unfertigen Werken der Nachbarabteilung zu stöbern? Eher wäre es doch so: wenn ich auf etwas warte und das dringend brauche, nerve ich den Zuständigen mit Nachfragen. Könnte ich einfach nachschauen, wie weit das Dokument gerade ist, müsste ich den Kollegen nicht stören, sondern könnte die Info selbst holen, oder? Soweit die schöne Theorie, die den Anwesenden auch einleuchtete. „Aber die Vorstandsdokumente ...“ Natürlich gibt es immer Dokumente, die besonderen Schutz brauchen. Strategiepläne im Entwurfsstadium zum Beispiel und selbstverständlich Personaldaten. Um diese aber geht es hier gar nicht, sondern um ganz normale Projektarbeit.

Gefallen hat uns das Bild des „Schaufensters“ und der „Werkstatt“.
  • In einem Schaufenster stelle ich die fertige, sorgsam arrangierte Arbeit aus. Dort kann man sie bewundern oder auch „kaufen“. Gearbeitet wird dort (in der Regel) nicht. Dieses Bild steht stellvertretend für ein gemeinsames Laufwerk, in welches nur die fertigen Dokumente in der aktuellen Version eingestellt werden. Das hat den Nutzen, dass alle Informationen zu dem Projekt an einer Stelle versammelt sind. Entwürfe und ältere Versionen der Dokumente bleiben im Abteilungslaufwerk. Der Nachteil dabei ist zum Einen der höhere Aufwand, den der Einzelne treiben muss und zum Anderen die richtige Auswahl der Dokumente. Weiß man immer, was die anderen benötigen? Andererseits ist durch das geschlossene Abteilungslaufwerk (wie gewohnt) der Schutz der eigenen Arbeit gewahrt.
  • „Dürfen die anderen denn nicht sehen, dass hier gearbeitet wird?“ „Darf der Schreiner nicht Sägemehl an der Hose haben?“ Das waren meine Fragen. So entstand der Begriff der Werkstatt. Hier ist ein Projektlaufwerk gemeint, in welchem alle Dokumente des Projektes gespeichert werden. Vom ersten Entwurf bis zur letzten Freigabe. Zugriff haben alle am Projekt beteiligten Personen.
Am Ende waren die Workshop-Teilnehmer sich einig, dass der Weg in die Werkstatt erstrebenswert ist, aber in ihrem Fall über das Schaufenster führen wird. Hier kann Transparenz, gemeinsame Struktur und auch abgestimmtes Bilden von Dateinamen eingeübt werden.

Anmerkungen

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wie lassen sich Ergebnisse definieren? - Drei Beispiele (WBS, CBP und BDN)

Ich habe schon darüber geschrieben, warum das Definieren von Ergebnissen so wichtig ist. Es lenkt die Aufmerksamkeit des Projektteams auf die eigentlichen Ziele. Aber was sind eigentlich Projektergebnisse? In diesem Beitrag stelle ich drei Methoden vor, um leichter an Ergebnisse zu kommen.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Wie Agilität den Kundennutzen steigert - Einige Argumente für Berater:innen

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit fragen sich viele, ob agile Beratung noch eine Zukunft hat. Die Antwort liegt in der konsequenten Orientierung am Kundennutzen. Qualität setzt sich durch, wenn sie messbare Verbesserungen bei Umsatz, Kosten und Leistungsfähigkeit bewirkt, anstatt sich in Methoden und zirkulären Fragen zu verlieren. Dieser Artikel zeigt, wie agile Beratung nachhaltige Veränderungen in Unternehmen schafft und warum gerade jetzt gute Berater:innen gebraucht werden, um Organisationen widerstandsfähiger zu machen.

Warum eine Agile Transformation keine Reise ist

Die agile Transformation wird oft als eine Reise beschrieben. Doch dieser Vergleich kann viele Unternehmen in die Irre führen oder Bilder von unpassenden Vergleichen erzeugen. Transformationen sind keine linearen Prozesse mit einem klaren Ziel, sondern komplexe und dynamische Entwicklungen. Dieser Artikel zeigt, warum Agilität kein Weg mit einem festen Endpunkt ist.

Kleine Organisationsveränderungen, die direktes Feedback erzeugen

Große Veränderungen sind in einer Organisation schwer zu messen. Oft liegt zwischen Ursache und Wirkung ein langer Zeitraum, sodass die Umsetzer:innen nicht wissen, was genau gewirkt hat. Hier ist eine Liste mit kleinen Maßnahmen, die schnell etwas zurückmelden.

Agile Leadership – Führst du noch oder dienst du schon?

Die Arbeitswelt verändert sich. Und das spüren nicht nur Führungskräfte, sondern vor allem Mitarbeitende. Immer mehr Menschen hinterfragen den Sinn ihrer Arbeit, erwarten Respekt, Vertrauen und eine Unternehmenskultur, die echte Zusammenarbeit ermöglicht. Studien wie die Gallup-Studie 2025 oder die EY-Jobstudie zeigen: Der Frust am Arbeitsplatz wächst – und mit ihm die Unzufriedenheit mit der Führung. Höchste Zeit, umzudenken. Genau hier setzt agile Führung an. 1. Warum agile Führung heute entscheidend ist  Klassische Führung – hierarchisch, kontrollierend, top-down – funktioniert immer weniger. Die Zahlen sind eindeutig:  Laut Gallup fühlen sich nur noch 45 % der deutschen Beschäftigten mit ihrem Leben zufrieden. Fast jede dritte Kündigung erfolgt wegen der Führungskraft. Nicht das Gehalt, sondern mangelnde Wertschätzung, fehlendes Vertrauen und ein schlechtes Arbeitsumfeld treiben Menschen aus Unternehmen.  Agile Führung bietet eine Alternative, die auf Vertrauen, Selbs...

Ent-Spannen statt Platzen: Erste Hilfe für mehr Vertrauen und Resilienz im Team

Zwei Themen die mir in den letzten Wochen immer wieder über den Weg laufen sind Vertrauen und Resilienz. Vertrauen als das Fundament für gemeinsame Zusammenarbeit und Resilienz als die Fähigkeit, Herausforderungen, Stress und Rückschläge zu bewältigen und gestärkt daraus hervorzugehen.  In dem Blogpost möchte ich ein paar Erste-Hilfe Interventionen teilen, die zu mehr Vertrauen und Resilienz im Team führen können - gerade wenn die Emotionen hochkochen und es heiss her geht im Team. Die „Mist-Runde“: Ärger Raum geben. In konfliktbeladenen oder belasteten Teams kann es eine große Herausforderung sein, eine offene Kommunikation und ein respektvolles Miteinander zu fördern. Eine einfache, aber äußerst effektive Methode, um Spannungen abzubauen, ist die „Mist-Runde“ . Diese Intervention, die ich zuerst bei Veronika Jungwirth und Ralph Miarka kennengelernt habe, gibt den Teilnehmern einen geschützten Raum, in dem sie ihre Frustrationen und negativen Gedanken ohne Zensur äußern können un...

Microsoft Lists: mit Forms und Power Apps komfortabel mobil arbeiten

In meinem Kundenkreis sind viele Menschen, die den Arbeitsalltag nicht vorwiegend auf dem Bürostuhl sitzend verbringen, sondern "draußen" unterwegs sind. Vielleicht in Werkstätten oder im Facility-Management. Es ist so wichtig, dass die Schnittstellen zu den Abläufen im Büro gut abgestimmt sind. Microsoft 365 hat so einiges im Baukasten, man muss es nur finden und nutzen.  In diesem Artikel spiele ich ein Szenario durch, das auf Microsoft Lists, Forms und - für die Ambitionierteren - Power Apps setzt.

Selbstbewertungsfragen für den Alltag in Arbeitsgruppen aus Sicht von Mitarbeitenden

Welche Fragen können wir Mitarbeiter:innen stellen, um herauszufinden, ob agiles Arbeiten wirkt? Es gibt bereits eine Menge an Fragebögen. Aber ich bin nicht immer zufrieden damit.