Direkt zum Hauptbereich

Wie lange brauchst Du noch? - Wie man seine eigene Zeit erfasst

Jeder, der vor einer verschlossenen Badezimmertür gewartet hat, kennt diese Frage: "Wie lange brauchst Du noch?". Wir haben dann mehrere Möglichkeiten: wir raten oder wir schätzen auf Grund unserer Erfahrung. Die häufigste Reaktion ist, wir warten ab. Warten Sie gern? Ich nicht so gern. Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, das Schätzen auf Basis von Daten. Wie das geht, stelle ich hier vor.

Zugegeben, es gibt eine Fülle von Tipps und Tools zur Arbeitszeiterfassung /1/. Es gibt sogar den Trend "Quantified Self", bei dem Leute alle möglichen Daten über sich selbst sammeln /2/. Irgendwie klingt es plausibel, seine Zeiten aufzuschreiben. Aber richtig Lust hatte ich nie darauf. Das änderte sich bei mir, als ich das Buch "Introduction To the Personal Software Process" von Watts Humphrey gelesen hatte /3/. Seine Art, Zeiten zu notieren, zeigte mir sofort, wie ich die Frage "Wie lange brauchst Du noch?" beantworten kann. Nun schreibe ich bei neuen Tätigkeiten meine Zeiten auf, um besser abzuschätzen, wie lange ich für etwas brauche.

Was ist anders? Im Wesentlichen empfiehlt Humphrey folgende Dinge aufzuschreiben:
  • Art der Tätigkeit
  • Anfang und Ende
  • Dauer der Unterbrechungen
  • Menge

Beispiel Wochenrückblick

Sehen wir uns das in einem Beispiel an. Ich möchte wissen, wie lange ich für meinen Wochenrückblick brauche. Ich nutze den Wochenrückblick, um meine E-Mails abzulegen. Die Ablage der E-Mails hilft mir, Überblick über den Status meiner verschiedenen Vorgänge zu behalten.Wenn jemand etwas zu einer Vertragsverhandlung wissen will, gehe ich einfach in den Vorgangsordner und sehe mir die letzten Dokumente an. Die folgende Tabelle zeigt einen Auszug aus meinem Zeitprotokoll.
Tab. 1: Auszug aus dem Zeitprotokoll

 Hier sind folgende Dinge zu sehen:
  • Ich habe am 22.09. eine Tätigkeit begonnen, die ich am 23.09. beendet habe. Bei C wie "Completed" ist ein Kreuz. Ich habe 43 und 19 Minuten gebraucht und in der Zeit 117 und 82 E-Mails abgelegt.
  • Ich habe am 16.04. eine Tätigkeit begonnen und wurde 42 Minuten unterbrochen. In den 92 Minuten habe ich 148 E-Mails - das U steht für "Units" - abgelegt.
Diese Werte übertrage ich nun in meine Jobliste. Die folgende Tabelle zeigt einen Auszug aus meiner Jobliste.
Tab. 2: Jobliste

Hier sind folgende Dinge zu sehen:
  • Ich brauche pro E-Mail zwischen 13 und 80 Sekunden zur Ablage. Im Schnitt brauche ich 26 Sekunden pro E-Mail /4/. Dies ist nun meine Planungsannahme, wenn ich meinen Wochenrückblick beginne.
  • Am Anfang habe ich die geplante Zeit einfach geraten. Tatsächlich habe ich immer mehr Zeit gebraucht, als ich dachte.
  • In den späteren Einträgen habe ich meinen Zeitbedarf besser eingeschätzt und bin sogar eher fertig gewesen.
  • Ich lege zwischen 45 und 244 E-Mails ab. Im Schnitt sind es ca. 140.
Dieses Aufschreiben braucht nicht viel Zeit. Bevor ich mit dem Wochenrückblick beginne, zähle ich die E-Mails im Posteingang und im Ordner "Gesendete Objekte". Vor dem Ablegen schreibe ich die Startzeit auf; wenn ich die letzte E-Mail abgelegt habe, schreibe ich die Zeit auch auf. Ähnlich gehe ich vor, wenn ich Ausschreibungsdokumente lese oder programmiere. Ich nehme die Zeit und zähle etwas.

Nun wird jemand sagen: "Für banale Dinge wie das Ablegen von E-Mails mag das funktionieren. Doch meine Arbeit ist ganz anders." Das stimmt. Es gibt Tätigkeiten, da weiß man (noch) nicht, was man zählen kann. Dazu gibt es im nächsten Teil ein weiteres Beispiel /5/.

Anmerkungen:

Kommentare

  1. Ganz praktisch finde ich übrigens die Online Stoppuhr (siehe http://www.online-stopwatch.com/german/), um meine Zeit zu nehmen.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wie lassen sich Ergebnisse definieren? - Drei Beispiele (WBS, CBP und BDN)

Ich habe schon darüber geschrieben, warum das Definieren von Ergebnissen so wichtig ist. Es lenkt die Aufmerksamkeit des Projektteams auf die eigentlichen Ziele. Aber was sind eigentlich Projektergebnisse? In diesem Beitrag stelle ich drei Methoden vor, um leichter an Ergebnisse zu kommen.

Teamleitungen gesucht

Was macht Teams erfolgreich? Kann man das lernen? Ab Herbst starten unsere Kurse für aktuelle und künftige Teamleitungen. Jetzt gibt es die Gelegenheit, den Kurs zu testen.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Microsoft Copilot - Notebook, Pages, Agents und mehr

Es tut sich sehr viel an der Copilot Front. Gefühlt entwickelt Microsoft mit aller Kraft die KI-Anwendung weiter. Mit dem letzten Update hat sich die Microsoft-Startseite stark verändert. Hier zeige ich, was sich hinter all den Begrifflichkeiten verbirgt und was davon alltagstauglich ist.

Nachschau zum Lean Coffee-Spezial "Agil einfach machen" (Interaktive Buchvorstellung)

Bei unserem Lean Coffee-Spezial Ende Mai waren wir von Lean Coffee Karlsruhe/Frankfurt Zeugen einer Buchvorstellung, doch nicht nur das – natürlich gab es auch einen nicht unbeträchtlichen Anteil an eigener Aktion, denn bei unseren Spezialterminen ist traditionell „Teilgabe“ angesagt. Das Autorenduo Christian Baron und Janick Oswald zeigte uns, was es mit „Agil einfach machen“ auf sich hat.  

Wenn es mal gerade etwas schwierig bei Kund:innen wird… Zwei Fragen, die uns helfen, unsere Strategie mit unseren Kund:innen abzusprechen.

Seit 2024 organisieren Bob Galen und ich eine Masterclass für agile Coaches. Wir möchten die Ausbildung von agilen Coaches verbessern und ihnen Techniken mitgeben, mit denen sie bei ihren Kund:innen etwas einfacher haben. Bisher haben wir in vier Durchgängen mit jeweils 14 Modulen ungefähr 70 Extraordinarily Badass Agile Coaches ausgebildet (/1/). In diesem Blogpost möchte ich ein paar Erfahrungen und simple Techniken aus der Masterclass teilen, wie wir unsere Strategie besser abstimmen können. Sie beschränken sich nicht auf agiles Coaching – das ist nur das Setting.

Schätzungen sind schätzungsweise überschätzte Schätze

"Wer viel misst, misst viel Mist." Zumindest ist diese Gefahr gegeben. Entweder misst man z. B. Mist, weil man zu früh zu KPIs zur Messung von Ergebnissen greift, oder aber man greift zu den falschen KPIs, die gar nicht das messen, was man wissen möchte. Einst war agiles Arbeiten der alternative Ansatz, aber inzwischen gibt es auch für einige Details dessen, was in Konzernen als "agil" praktiziert wird, einleuchtende alternative Ideen, die bis heute noch nicht so richtig auf die große Bühne vorgedrungen zu sein scheinen. 

Kleine Organisationsveränderungen, die direktes Feedback erzeugen

Große Veränderungen sind in einer Organisation schwer zu messen. Oft liegt zwischen Ursache und Wirkung ein langer Zeitraum, sodass die Umsetzer:innen nicht wissen, was genau gewirkt hat. Hier ist eine Liste mit kleinen Maßnahmen, die schnell etwas zurückmelden.

Wie Agilität den Kundennutzen steigert - Einige Argumente für Berater:innen

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit fragen sich viele, ob agile Beratung noch eine Zukunft hat. Die Antwort liegt in der konsequenten Orientierung am Kundennutzen. Qualität setzt sich durch, wenn sie messbare Verbesserungen bei Umsatz, Kosten und Leistungsfähigkeit bewirkt, anstatt sich in Methoden und zirkulären Fragen zu verlieren. Dieser Artikel zeigt, wie agile Beratung nachhaltige Veränderungen in Unternehmen schafft und warum gerade jetzt gute Berater:innen gebraucht werden, um Organisationen widerstandsfähiger zu machen.