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Agiles Mindset – Gibt es das überhaupt? Eine wissenschaftliche Perspektive

Es ist in aller Munde: Das Agile Mindset. Es wird als wichtiger Erfolgsfaktor und gleichzeitig riesige Hürde und Herausforderung in agilen Transformationsvorhaben beschrieben. Der ein und andere hat verbunden mit einem gescheiterten agilen Vorhaben vermutlich schon mal gehört „Die hatten einfach nicht das richtige Mindset“. Doch was ist dieses agile Mindset? Gibt es das überhaupt?

Werfen wir einen Blick in die Wissenschaft. Karen Eilers, Wirtschaftspsychologin, stellt uns ihre Perspektive in folgendem Artikel vor: 

In der Information System Forschung findet das agile Mindset wohl 2008 das erste Mal Erwähnung. Seitdem wächst die Anzahl der jährlich publizierten Studien, die das agile Mindset aufgreifen. Auf Basis dieser bisherigen Erkenntnisse, sowie vertiefenden Interviews, Workshops und mehreren statistischen Studien konnte das agile Mindset greifbarer und messbar gemacht werden:

Das agile Mindset ist eine Einstellung einer Person und umfasst vier Dimensionen:

  1. Lernorientierung („Attitude towards learning spirit”)
  2. Kollaborativer Austausch (“Attitude towards collaborative exchange)
  3. Kunden Ko-Kreation (“Attitude towards customer co-creation)
  4. Selbstorganisation (“Attitude towards empowered self-guidance)

Die Dimension Lernorientierung beschreibt dabei eine positive Einstellung dazu, immer wieder neues auszuprobieren und daraus zu lernen. Auch Fehler und Wissenslücken werden als Lernmöglichkeit bewertet.

Eine positive Einstellung zu kollaborativem Austausch inkludiert, dass die Person gerne Transparenz hinsichtlich ihrer Arbeit, Zielen, Prozessen, Schwierigkeiten und Erkenntnissen schafft. Auf Basis dessen geht sie gerne in den Austausch mit anderen und ermöglicht dadurch das Lösen von Herausforderungen, Wissenstransfer und integriert anderer Perspektiven.

Die dritte Dimension Kunden Ko-Kreation umfasst, dass die Person ihr Handeln gerne nach dem Wert des/ der Kund:in ausrichtet. Die Person hat die Präferenz, den/die Kund:in frühzeitig und regelmäßig einzubinden und eine direkte Verbindung aufzubauen.

Eine Person mit einer positiven Einstellung zur Selbstorganisation sieht einen Wert darin, sich und den eigenen Arbeitsprozess regelmäßig zu reflektieren. Sie ist bereit sich an neue Gegebenheiten anzupassen und übernimmt die Verantwortung für das eigene Handeln.

Diese vier Dimensionen bilden dabei nur den Kern des agilen Mindsets. Aufgrund spezifischer Kontexte, können zusätzlich Dimensionen ergänzt werden. So zum Beispiel „Unternehmerisches Denken“ im Rahmen eines kollegial geführten Unternehmens. Auch können bestimmte Dimensionen für bestimmte Tätigkeiten wichtiger sein als für andere.

In meiner Arbeit als wissenschaftliche Begleiterin oder Scrum Masterin in Teams erfasse ich das agile Mindset gerne (anonym) in dreierlei hinsichtlich:

  • Wie wichtig ist die jeweilige Dimension für meine Tätigkeit? (Relevanz)
  • Wie gerne mache ich das? (Einstellung)
  • Und wie sehr transferiere ich die jeweilige Dimension in mein Verhalten? (Verhalten)

Auf Basis dessen können die Teams selbstorganisiert bestimmen, an welchen Stellen sie tätig werden möchten (Wo) und im Folgenden auch was sie konkret ausprobieren möchten (Was).

Einstellungen sind etwas sehr persönliches und können nur von der Person selbst entwickelt werden. Organisationen haben aber die Möglichkeit durch entsprechende Rahmenbedingungen eine Umgebung zu schaffen, in welcher Mitarbeitende (selbstbestimmt) eher ein agiles Mindset entwickeln können.

Dabei zeigen sich Ansätze aus drei Bereichen als hilfreich:

  • Wissensimpulse ermöglichen (z.B. Coaching, Besuch anderer Teams, Trainings),
  • Führung gestalten (z.B. Adäquater Umgang mit Fehlern, Verständnis als Facilitator),
  • Arbeitsstrukturen schaffen (z.B. Freiraum für Experimente, Weg zur Zielerreichung ist selbst bestimmbar, regelmäßige Reflektions- & Feedbackmöglichkeiten). 
Besonders wichtig erscheint jedoch, nicht beim Mindset der anderen anzufangen – sondern „Start at yourself“ und entwickle dein eigenes agiles Mindset!

Du möchtest mehr über Agiles Mindset und andere Perspektiven darauf erleben?

     In unserer Agilen Mittagspause bekommst Du in einem interaktiven Format die Gelegenheit, Impulse und Erfolgsfaktoren für deinen Arbeitsalltag mitzunehmen und dich aktiv einzubringen.

Anmeldung über Eventbrite 

zur kostenfreien Session

Datum: Mittwoch, 05.04.2023

Zeitraum: 12:15 Uhr bis – 13:15 Uhr via Zoom.




ÜBER DIE AUTORIN:

Karen Eilers

Wirtschaftspsychologin- und Informatikerin, rückt den Menschen in den Mittelpunkt. Sie leitet das Institut für Transformation in Hamburg. Als Wirtschaftspsychologin begleitet sie Organisationen in Veränderungsprozessen.




Literaturverzeichnis

Eilers, K.; Peters, C.; Leimeister, J. M. (2022): Why the agile mindset matters. In: Technological Forecasting and Social Change 179, S. 121650. DOI: 10.1016/j.techfore.2022.121650.

Qumer, A.; Henderson-Sellers, B. (2008): A framework to support the evaluation, adoption and improvement of agile methods in practice. In: Journal of Systems and Software 81 (11), S. 1899–1919. DOI: 10.1016/j.jss.2007.12.806.



[1] In Qumer/Henderson-Sellers 2008

[2] Nachlesbar auch in Eilers/Peters/Leimeister 2022.

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