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Retrospektiven mit Ergebnissen

Die Sprint Retrospektive ist ein wichtiges und häufig unterschätztes Format. Es gibt einen zentralen Begriff, den gerade neue Teams übersehen: die Lieferfähigkeit.

Was ist Lieferfähigkeit?

Das Ziel der Sprint Retrospektive ist das Verbessern der Lieferfähigkeit. Die erste Frage ist also immer: Haben wir geliefert?  

  • Wenn nein: was können wir tun, um (überhaupt) zu liefern? 
  • Wenn ja: reicht das, um unser Produktziel zu erreichen und um die Stakeholder zufrieden zu stellen?

Die Lieferfähigkeit bezieht sich immer auf die Erwartungen der Stakeholder und nicht auf die Fähigkeiten des Scrum Teams. Es kann also sein, dass das Scrum Team etwas liefern sollte, wozu es (noch) nicht alle Fähigkeiten besitzt.

Sportler üben regelmäßig, um sich zu verbessern (Foto von Nicolas Hoizey bei Unsplash)

Die Stakeholder freuen sich, wenn sie etwas bekommen, dass ihnen Fortschritte in Richtung eines Ziels erlaubt:

  • Sie können Dinge tun, die sie vorher nicht tun konnten.
  • Sie können Dinge besser tun als vorher.
  • Sie machen weniger Fehler oder unerwünschte Dinge.

Jeff Sutherland fasst in einem Video bei YouTube zusammen, was für ihn die Retrospektive bedeutet./1/ Es ist wichtig, dass wir uns häufig - also nach jedem Sprint - zur Retrospektive treffen, um Verbesserungen direkt umzusetzen. Deswegen finde ich auch Release- oder Projektretros oder Lessons-Learned-Sitzungen nutzlos, weil wir kaum eine Chance haben, die Verbesserungen in die Tat umzusetzen.

Woran scheitert die Lieferfähigkeit?

Es gibt einige Punkte, die man sich in der Sprint Retrospektive ansehen kann. (Die Scrum.org legt auf den korrekten Begriff wert: Sprint Retrospektive, weil sie sich auf den Sprint bezieht.)

  • Dem Scrum Team fehlen die Fähigkeiten, um zu liefern. Dann kann man mit einer Skillmatrix anfangen und eine Strategie festlegen, wie man diese Lücken schließt.
  • Dem Scrum Team fehlen die Werkzeuge, um zu liefern. Dann kann die Sprint Retrospektive genutzt werden, um Werkzeuge zu suchen und um sich einzuarbeiten.
  • Das Scrum Team hat Abhängigkeiten zu anderen Abteilungen, die nicht oder nicht rechtzeitig geliefert haben. Hier lohnt sich es, mit diesen Abteilungen zusammen eine Retro zu machen.
  • Das Scrum Team wurde durch andere wichtige Dinge (z. B. Störungen) davon abgehalten zu liefern. Hier gibt es oft wiederkehrende Muster. Vielleicht sollte man sich weniger vornehmen.
  • Es gibt Konflikte im Scrum Team über das weitere Vorgehen.

Keiner erwartet, dass in der ersten Sprint Retrospektive alle Probleme gelöst werden. Man darf sich auch Hilfe holen. Aber es ist wichtig, dass sich das Scrum Team einen Plan macht, wie es seine Probleme konkret löst.

Wie setzt man sich Ziele für Verbesserungen?

Die guten Retrospektiven fangen mit einer konkreten Fragestellung an, z. B. "Wie bekommen wir das hin, dass wir innerhalb des Scrum Teams nicht von einzelnen Spezialisten abhängig sind, um Dinge fertig zu machen?"

Manchmal liegen die Ziele auf der Hand. Manchmal rätselt das Team. In solchen Fällen gibt eine eine einfache Regel: Das Gute verdoppeln, das Schlechte halbieren.

  • Wie können wir die gleichen Ergebnisse in der Hälfte der Zeit liefern?
  • Wie können wir in der gleichen Zeit die doppelte Menge an Features ausliefern?

Solche Fragen zwingen uns, grundsätzlich alles zu hinterfragen:

  • Welche Schritte brauchen wir, um zu liefern?
  • Was ist der Sinn der einzelnen Schritte? Brauchen wir sie wirklich?
  • Gibt es eine bessere Reihenfolge?
  • Wann, wie und wo tun wir diese Schritte? Welche Qualifikation ist dazu nötig?

Ich finde es ebenfalls sinnvoll, wenn sich das Scrum ein Mind Map macht, in der es sich die Zusammenhänge für die Lieferfähigkeit sichtbar macht. /2/

Was sind die Ergebnisse einer Sprint Retrospektive?

Hier ist eine Liste möglicher Ergebnisse:

  • Es gibt eine Skillmatrix mit den Fähigkeiten, die das Scrum Team braucht, um etwas zu liefern. Wir wissen, wer etwas kann, wie viele Leute wir mindestens für eine bestimmte Fähigkeit brauchen und wir haben eine Plan, wie wir die Wissenslücken schließen. /3/
  • Es gibt neue Musterdokumente oder Vorlagen, die wir für wiederkehrende Tätigkeiten nutzen können und dabei Zeit sparen.
  • Wir haben neue Werkzeuge (Software oder Skripte), mit denen häufige Schritte automatisiert wurden.
  • Wir haben mit anderen Abteilungen Vereinbarungen getroffen, um deren Zulieferungen sicher zu stellen.
  • Wir haben unsere Prozessveränderungen in einer neuen Version der Definition of Done festgehalten.

Ich mag offene Formate wie Open Space (wenn wir viele Scrum Teams haben) oder Lean Coffee für die Sprint Retrospektive. Sie werden immer mit der Frage eröffnet: Was müssen wir besprechen und vereinbaren, um unsere Lieferfähigkeit signifikant zu verbessern? 

Da kommen immer Ideen. Sportler:innen und Musiker:innen wissen, dass das regelmäßige Üben der Schlüssel zu besseren Leistungen ist. Daher machen gute Scrum Teams an jedem Sprintende eine Sprint Retrospektive.

Ihr wollt mehr über Scrum wissen? Wir haben eine Übersichtsseite zu Scrum, über die man sich in die wichtigsten Artikel in diesem Blog einlesen kann.

Anmerkungen

  • /1/ Jeff Sutherland: Scrum: Inside the Sprint Retrospective, Aufzeichnung von OpenView Ventures vom 03.03.2011, abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v=MFLvQXMNrO8 
  • /2/ Jan Fischbach: Eine Anleitung zum Einstieg in kontinuierliche Verbesserung, Teamworkblog, erschienen am 14. Jun 2021, abrufbar unter https://www.teamworkblog.de/2021/06/eine-anleitung-zum-einstieg-in.html  
  • /3/ Das Buch "Toyota Talent" gibt hier eine ausführliche Anleitung. Liker, Jeffrey K. ; Meier, David: Toyota Talent : Developing Your People the Toyota Way. Madison: McGraw Hill Professional, 2007.

 

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