Michael Thiel hat eine eigene Variante des Ubongo Flow Games entwickelt, um den Teilnehmenden die Ideen von Kanban (in der IT) näher zu bringen. Hier ist seine Beschreibung. Vielen Dank für das Teilen, Michael.
In den letzten Jahren habe ich Folgendes beobachtet: Die meisten Teams, die sagen, dass sie „Kanban“ machen, spielen eigentlich „Tickets auf einem Board verschieben“.
Grundlegende Inhalte von Kanban wie die Verwendung eines WIP Limit, aktives Management & das klare Kommunizieren und Einhalten von Service Level Expectations, genauso wie das regelmäßige Inspizieren des Workflows findet leider so gut wie nie statt. Auch spiegeln wenige Workflows, die in der Industrie verwendet werden, die vollständige Arbeit für ein fertiges Inkrement ab. Teile des Gesamtflusses sind oft, immer noch nicht vom Team verstanden und transparent. Teams verstehen nicht, dass sie ihren Workflow verändern dürfen & damit experimentieren sollen, um effizienter zu werden.
In dem Kontext habe ich einen Satz immer wieder gehört: „Ihr seid agil? Macht ihr dann Scrum oder Kanban?“ Wenn ihr Fragen wie diese hört, schnappt euch meine Simulation & schafft damit einmal Klarheit – was Kanban im Detail ist. Scrum.org empfiehlt für komplexe Arbeit das Scrum Framework mit Kanban Techniken zu ergänzen! Es heißt nicht „Scrum oder Kanban“, sondern „Scrum und Kanban“!
Die Essenz von Kanban - die Steigerungen der Effizienz – bleibt leider oft auf der Strecke. Aus dieser Motivation heraus wollte ich schon seit langem ein Spiel entwickeln mit dem Teams Kanban gesamthaft lernen können. Das Ubongo Flow Game von Jan Fischbach war die ideale Grundlage, um ein hierfür ein geeignetes Spiel zu entwickeln.
Das Kanban Ubongo Flow Game ist für mich ab jetzt Teil meines Kanban Coachings & ich hoffe viele von euch mit der Methode begeistern zu können.
Literatur:
Material:
- Ubongo Karten
- Ubongo Puzzelteile
- Durchsichtige Folie
- Abwaschbarer Folienstift
- Post-It
- Stifte
Vorbereitung:
- Flipchart zur empirischen Auswertung vorbereiten
- Rollen im Team verteilen
Spielablauf
Die Simulation geht über vier Runden. Jede Runde wird 7 Minuten gespielt.
Eine Ubongo-Karte / ein Inkrement ist fertig, wenn sie am Ende des Prozesses mit den entsprechenden korrekten Teilen belegt ist. Für jede fertige Karte gibt es vier Punkte, für jede unfertige Karte wird dem Team am Ende der Runde ein Punkt abgezogen. Im Team gibt es diverse Rollen, die zur Erstellung des Inkrements beitragen.
Wie in vielen agilen Spielen wird auch hier zu Beginn einer Runde eine Schätzung eingeholt. Die Regeln hierfür ändern sich allerdings von Runde zu Runde. Die Schätzung und das Ergebnis werden jede Runde verschriftlicht. Schrittweise führt der Moderator in die Kernelemente von Kanban ein. Dadurch fühlt das Team stückweise welche Vorteile die Kernelemente von Kanban mit sich bringen & sieht gleichzeitig wie die Effizienz im Team drastisch steigt.
Als zentrales Kernelement von Agilität – allerdings kein Kerninhalt von Kanban – ist in dem Spiel auch nach jeder Runde Zeit für eine Retrospektive eingeplant.
Nach den vier Runden sollen die Teilnehmer das gelernte noch reflektieren. Es bietet sich an direkt in eine Retrospektive überzugehen und das gelernte auf den eigenen Projektkontext zu übertragen.
Idealerweise haben die Teilnehmer zu Beginn des Spieles große Abstände. Der Coach sollte darauf achten, dass er nicht unbewusst im Vorfeld das Setup bereits optimiert.
Die Rollen
- Architekt: Der Analyst erstellt ein fachliches Konzept, indem er den Umriss auf einer Ubongo Karte auf eine der Folien „abpaust“. Er gibt dadurch den Rahmen für die Entwicklung vor. Die Entwicklung findet auf der Folie – der „Testumgebung“ statt.
- Business Analyst: Der Analyst ermittelt die Teile, aus denen die Karte zusammengebaut werden soll. Er wählt die farbigen Bausteine (fachlichen Anforderungen) die der Entwickler dann umsetzen muss. Um die Komplexität zu erhöhen, muss er dafür in der Xten Runde – die Xte Zeile der Ubongo Karte, heraussuchen.
- Entwickler: Der Entwickler setzt die Form auf der Folie mit den Teilen vom Business Analyst zusammen. Nach einem erfolgreichen Test darf das Inkrement „in Produktion gehen“. Dazu muss es final korrekt auf der Ubongo Karte platziert werden.
- Tester: Der Tester überprüft, ob das Puzzle korrekt & aus den richtigen Teilen gebaut worden ist. Hierbei achtet er auf die Regeln für die Runden.
- Projektleiter: Der Projektleiter teilt die Arbeit im Team zu. Die Regeln hierfür ändern sich während des Spieles.
- Manager: Der Manager legt die Projekte fest. Die Regeln hierfür ändern sich während des Spieles hierfür.
- Berichtersteller: Erstellt nach Aufforderung durch den Projektleiter einen Bericht für den Projektleiter. Der Projektleiter übergibt den Bericht an den Manager und leitet die Maßnahme ggfs. an das Team weiter.
- Agile Coach/Moderator: Der Spielleiter führt nach und nach in die verschiedenen Elemente in Kanban ein und ermöglich den Teilnehmern so das Lernerlebnis.
Runde 1: Erleben von Wasserfall & anschließend Einführung des Pull Prinzips
7 Minuten Simulation
Der Moderator startet die Zeit.
Der Manager bestimmt wie viel das Team schaffen muss und sucht die Projekte aus, er übergibt sie an den Projektleiter.
Der Moderator notiert den Auftrag. (Später Schätzung durch Team)
Der Projektleiter übergibt die Projekte dem Architekten.
Im Folgenden gibt der Projektleiter die Aufgabe von Spieler zu Spieler die Projekte, sobald ein Spieler mit all seinen Aufgaben fertig ist. (Architekt, Business Analyst, Entwickler, Tester, Entwickler)
Nach drei Minuten Spielzeit fordert der Manager einen Bericht vom Projektleiter.
Der PL muss den Berichtersteller bitten nach einem Bericht bitten. Während der Berichterstellung müssen alle warten.
Der Berichtersteller fragt jeden nach seinem Status, verschriftlicht das Ergebnis, übergibt es an PL.
PL geht zum Management übergibt den Bericht und fragt, was sie machen sollen. Ggfs. muss das Team etwas in ihrem Verhalten ändern, dann arbeitet das Team weiter.
Nach Ablauf der Zeit wird das Ergebnis (Anzahl der Punkte) noch verschriftlicht.
Wirkung auf das Team: Das Team fühlt jetzt einen sehr starken Schmerz in Bezug auf die Ineffizienzen in den Wartezeiten und den Umgang von Management und Projektleitung.
Input Coach: Der Coach erklärt das Pull Prinzip und die agile Praktik Retrospektive.
Regeländerung: Team macht Pull-Prinzip; Auch bei der Auswahl der Anzahl der Projekte richtet sich das Management jetzt nach der Schätzung des Teams.
1 Minute Retrospektive: Das Team hat 60 s Zeit ihr Setup besser zu organisieren.
Runde 2: Erleben des Pull Prinzips & Einführen eines Workflows
7 Minuten Simulation
Start der Zeit.
Das Team schätzt.
Der Moderator notiert die Schätzung.
Der Manager übergibt den Projektleiter den Aufgabenstapel.
Der Projektleiter übergibt den Aufgabenstapel (= Backlog) an das Team, das Team arbeitet mit dem Pull Prinzip, die einzelnen Aufgaben ab.
Nach drei Minuten fordert der Manager einen Bericht. Der PL muss den Berichtersteller bitten nach einem Bericht bitten. Niemand arbeitet während der Berichterstellung.
Der Berichtersteller fragt jeden nach seinem Status, verschriftlicht das Ergebnis, übergibt es an PL.
PL geht zum Management übergibt den Bericht und fragt, was sie machen sollen. Ggfs. muss das Team etwas in ihrem Verhalten ändern, dann arbeitet das Team weiter.
Nach Ablauf der Zeit wird das Ergebnis (Anzahl der Punkte) noch verschriftlicht.
Wirkung auf das Team: Das Team fühlt, das das Pull Prinzip viel effizienter ist. Gleichzeitig wirkt der gesamte Prozess noch sehr komplex und das Team hat ihr geschätztes Ergebnis vermutlich nicht erreicht. Die Kultur zum Management macht ihnen zunehmen Unbehagen und noch nicht alle Schritte der Arbeit sind vollständig verstanden.
Änderung der Regeln: Der Coach erklärt jetzt den Begriff Workflow und definiert mit dem Team einen Workflow, der für den Arbeitsfluss passend ist. Jeder Übergabepunkte sollte sprachlich kurz definiert werden. Es ist gut, wenn der erste Versuch bewusst noch nicht perfekt ist (z.B. Produktivgang vergessen, das Team soll erleben, dass der Workflow Ihnen gehört und Sie ihn jederzeit anpassen sollen & können.)
2 Minute Retrospektive: Das Team hat zwei Minuten Zeit ihr Setup besser zu organisieren.
Runde 3: Erleben Workdlows & Einführen eines WIP Limits
7 Minuten Simulation
Start der Zeit.
Das Team schätzt.
Der Manager übergibt den Projektleiter den Aufgabenstapel.
Der Projektleiter übergibt den Aufgabenstapel (:= Backlog) an das Team, das Team arbeitet mit dem Pull Prinzip, die einzelnen Aufgaben ab.
Nach drei Minuten fordert der Manager einen Bericht. Der PL muss den Berichtersteller bitten nach einem Bericht bitten. Niemand arbeitet während der Berichterstellung.
Der Berichtersteller fragt jeden nach seinem Status, verschriftlicht das Ergebnis, übergibt es an PL.
PL geht zum Management übergibt den Bericht und fragt, was sie machen sollen. Der Manager gibt dem Team das Feedback, dass er das Gefühl, hat das das Team gute Arbeit macht und er sehr transparent mitbekommt, woran das Team arbeitet. Dadurch wächst das Vertrauen zum Team. Ggfs. gibt er dem Team eine Maßnahme mit.
Nach Ablauf der Zeit wird das Ergebnis (Anzahl der Punkte) noch verschriftlicht.
Wirkung auf das Team: Das Team wird zunehmend besser. Es sammelt Punkte. Zeitgleich gewöhnt es sich an Dinge, wie das „Reporting“. Es haben sich sehr wahrscheinlich „Flaschenhälse“ beim Abarbeiten der Aufgaben angesammelt.
Änderung der Regeln: Der Coach erklärt jetzt das Konzept WIP Limit & und definiert mit dem Team einen WIP Limit für die nächste Runde. Zudem hat das Team 3 Minuten Zeit ihre Retro durchzuführen & ggfs. ihren Workflow anzupassen.
2 Minute Retrospektive: Das Team hat zwei Minuten Zeit ihr Setup besser zu organisieren. Workflow & WIP Limit können angepasst werden.
Runde 3: Erleben des WIP Limits & Einführen von aktivem Management, Delegation der Verantwortung in das Team, Einführung eines crossfunktionalem Teams und SLE‘s
7 Minuten Simulation
Start der Zeit.
Das Team schätzt.
Der Moderator notiert die Schätzung.
Der Manager übergibt die entsprechende Anzahl an den Projektleiter.
Der Projektleiter übergibt die Aufgaben an das Team, das Team arbeitet mit dem Pull Prinzip anhand ihres Workflows, die einzelnen Aufgaben ab. Das Team arbeitet mit dem WIP Limit.
Nach drei Minuten fordert der Manager einen Bericht. Der PL muss den Berichtersteller bitten nach einem Bericht bitten. Niemand arbeitet während der Berichterstellung.
Der Berichtersteller fragt jeden nach seinem Status, verschriftlicht das Ergebnis, übergibt es an PL.
PL geht zum Management übergibt den Bericht und fragt, was sie machen sollen. Der Manager bedankt sich beim Team und gibt keine Maßnahmen mehr mit. Ich vertraue darauf, dass ihr durch eure Retrospektiven selbst noch bessere Ideen erarbeitet.
Nach Ablauf der Zeit wird das Ergebnis (Anzahl der Punkte) noch verschriftlicht.
Wirkung auf das Team: Die Stimmung im Team steigt stark. Der Output steigt stark. Es sammelt viele Punkte. Trotzdem fühlen sich manche Teile des Prozesses noch nicht gut an.
Änderung der Regeln: Der Coach erklärt jetzt mehrere Punkte:
- Ihr seid selbstorganisiert: Mir ist egal was ihr für Rollen habt, ich will möglichst viele hochwertige Ergebnisse, organisiert euch selbst. Projektleiter, Berichtersteller sind auch Teammitglieder.
- Das Management vertraut euch: Keine Maßnahmen von außen mehr.
- Aktives Management bedeutet, die Probleme direkt auf einzelvorgangsebene effektiv & schnell zu beheben. Es gibt keinen Bericht mehr. Der Manger kommt zum Team, wenn er sich ein Bild vom Status machen will und unterstützt als „servant leader“.
- In welchem Teil waren wir bisher am langsamstem? Hierfür setzen wir uns eine Service Level Expectation z.B. es liegt nie ein Teil länger als 25 s in diesem Status.
- Ein Beobachter kann hier gut helfen
2 Minute Retrospektive: Das Team hat zwei Minuten Zeit ihr Setup besser zu organisieren. Workflow & WIP Limit können angepasst werden.
Runde 4: Erleben von Kanban in agiler Form: Durch aktives Management, Delegation der Verantwortung in das Team, Einführung eines crossfunktionalem Teams und SLE’s
7 Minuten Simulation
Start der Zeit.
Das Team schätzt.
Der Moderator notiert die Schätzung.
Das Team arbeitet mit dem Pull Prinzip und ihrem SLE anhand ihres Workflows. Ein Beobachter unterstützt beim SLE durch Stoppuhr und Signale, wenn es eng wird.
Nach drei Minuten kommt der Manager ins Team und macht sich selbst ein Bild von der Arbeit. Nur derjenige, den der Manager etwas fragt, muss kurz die Arbeit unterbrechen. Der Manager agiert als „servant leader“.
Wenn Komplikationen auftreten, betreibt das Team aktives Management. Es löst die Herausforderung effektiv selbstorganisiert.
Nach Ablauf der Zeit wird das Ergebnis (Anzahl der Punkte) noch verschriftlicht.
Abschluss
Zum Abschluss empfiehlt sich eine Retrospektive, oder eine Runde, in der die Teilnehmer die gelernten Dinge reflektieren können.
Danke @Jan! & viel Spaß beim Lesen an euch alle. Meldet euch bei Fragen gerne! https://www.linkedin.com/in/michael-thiel-35295811a/
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