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Scrum basiert auf Lean Thinking

Der neue Scrum Guide ist da. Ken Schwaber und Jeff Sutherland haben mal grundlegend aufgeräumt. Ergänzt wurde nun, dass Scrum auf Lean Thinking basiert. Wir haben am 26.11.2020 in einer Websession bei Scrum Events mit interessierten Scrum Mastern darüber gesprochen. Hier sind die wesentlichen Punkte aus dieser Session.

Was sollte ein Scrum Master über Scrum wissen?


In der Vorstellung zum neuen Scrum Guide 2020 wird Jeff Sutherland die Frage nach Lean Thinking gestellt. /1, Stunde 2, Minute 12:24/. Sehen Sie sich die 5 Minuten gern an. Er geht darauf ein, dass Lean-Prinzipien und Lean-Techniken in seinen Trainings geschult werden. Beispiele: siehe unten. 
 
Bild von Jeff Sutherland
Jeff Sutherland erklärt, warum Lean Thinking nun im Scrum Guide erwähnt wird (Quelle: Scrum Inc.)

Jeff listet vier Themen auf, in denen sich ein Scrum Master auskennen sollte:
  • Scrum Guide
  • wesentliche Lean Prinzipien und Techniken (s. u.)
  • Scrum Patterns (siehe Scrum Book)
  • Skalierung (siehe Scrum@Scale)

Was ist Lean Thinking?


Lean Thinking basiert auf einem Ausbildungsprogramm der amerikanischen Regierung im Zweiten Weltkrieg, Training Within Industry. Götz Müller hat übrigens eine gute, kurze Zusammenfassung der einzelnen TWI-Trainings geschrieben./2/

Dieses Programm wurde später in Japan übernommen und dort - insbesondere bei Toyota - konsequent umgesetzt. Die einzelnen Trainings sollten zu einem übergeordneten Ziel beitragen. Im Falle der USA zum Sieg über die Achsenmächte und im Falle von Toyota zum Wiederaufbau der Firma und der japanischen Wirtschaft.

Durch diese Ausbildung (und andere Effekte) haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Toyota verschiedene Techniken entwickelt, z. B.
Diese Werkzeuge oder Techniken sind das Ergebnis einer bestimmten Denkweise. Weil man bei Toyota dem Chaos Herr werden wollte, hat man die Produktion geglättet (Heijunka). Weil man nicht so viele Teile im Umlauf haben wollte, hat man ein Kanban-System entwickelt.

Viele Menschen verbinden Lean mit "Verschwendung vermeiden, ohne den Kunden zu frustrieren". Aber das ist nur ein Teil der Denkweise.

Leider gibt es in der Lean-Welt nichts, das mit dem Scrum Guide vergleichbar ist. Das einzige, was ich als Standard akzeptieren würde, sind die TWI-Trainingshandbücher.

Welche Lean-Techniken sollte ein Scrum Master in der Praxis kennen?


In Jeffs Kursen haben wir öfter folgende Techniken aus dem Lean Thinking benutzt:
  • A3-Denken. Ein A3-Bericht fasst auf einer DIN-A3-Seite ein Problem, seine Ursachen und Hintergründe, sowie die nächsten Schritte zusammen. Die beste Praxisanleitung habe ich bei John Shook gefunden. (Allerdings sind 50 EUR ein Preis, bei dem einige schon zögern. Zudem gibt es - aus nachvollziehbaren technischen Gründen - keine E-Book-Version.)
  • Plan - Do - Study - Adjust (PDSA oder PDCA): Ein Kreis zur Verbesserung. John Hunter hat ein paar gute Hintergrundinformationen zu PDSA zusammengetragen.
  • Toyota Kata: Katas sind Bewegungen bei Kampfsportarten, die regelmäßig geübt werden. Mike Rother hat das Verhalten der Führungskräfte bei Toyota beobachtet und beschrieben, wie Coaches ihre Mitarbeiter betreuen./4/

Jeff betont, wie wichtig der Flow der Arbeit ist. Er schlägt vor, dass Scrum Master die Prozesseffizienz in der Abarbeitung messen (Bearbeitungszeit/Kalenderzeit). Dabei sollte eine Effizienz von mehr als 25% erreicht werden. Viele Unternehmen starten da bei 5% oder weniger.

In unserer Websession hat Silke N. auf die Bedeutung eines hohen Durchsatzes und auf Fokussierung bei gleichzeitig kleinen Losgroßen hingewiesen. Verschwendung vermeiden bezieht sich auch auf eine gute Priorisierung im Backlog. Alles, was nicht in kurzer Zeit einen hohen Nutzen bringt, könnte im Moment Verschwendung sein und sollte nicht nach oben priorisiert werden.

Welche Lean-Techniken sollte ein Product Owner in der Praxis kennen?

Die Techniken und Prinzipien der schlanken Produktion sind besser dokumentiert und bekannter als die der schlanken Produktentwicklung. Sehr interessant sind hier die Arbeiten von Allen C. Ward./5/

Punkte, die Jeff in seinen Kursen anspricht:

  • Modulare Architektur, Kapselung, Entkopplung, klare Schnittstellen. Ward beschreibt in seinem Buch, wie Toyota die Entwicklung von Komponenten und Motoren in einen Takt gebracht hat, um die Abhängigkeiten zu reduzieren./5/
  • Fokussierung auf den Kundennutzen. Verschwendung vermeiden, in dem die Features, die selten oder nie benötigt würden, gar nicht erst gebaut werden.
  • Produktentwicklung ist Wissenarbeit: Nonaka und Takeuchi haben im New New Product Development Game beschrieben, wie man als Team und als Organisation dazulernt. Je schneller man lernt, desto eher kann man einen Marktvorteil erreichen. Jeff gibt dabei an, dass die sog. OODA-Schleife von John Boyd für die Product Owner noch wichtiger ist, als PDSA für die kontinuierliche Verbesserung.

Lean Thinking ist die Basis von Scrum. Und das war sie von Anfang an. Neu ist nur, dass dies nun explizit im Scrum Guide steht.

Verweise

  •  /1/ Scrum Inc.: Official Scrum Guide Update 2020 - Changes & Impact LIVE Event [Recording], YouTube, hochgeladen am 18.11.2020, abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v=Dfxo3PZwDI8&t=7944  
  • /2/ Müller, Götz: TWI - Training Within Industry : Unterweisen, führen, verbessern. M: Carl Hanser Verlag GmbH  Co KG, 2018.
  • /3/ Shook, John: Managing to Learn : Using the A3 Management Process to Solve Problems, Gain Agreement, Mentor and Lead. NC: Lean Enterprise Institute, 2008. mehr unter https://www.lean.org/bookstore/ProductDetails.cfm?SelectedProductId=246 
  • /4/ Ausgabe in englischer Sprache: Rother, Mike: Toyota Kata: Managing People for Improvement, Adaptiveness and Superior Results. Madison: McGraw Hill Professional, 2009.; Deutsche Übersetzung: Rother, Mike: Die Kata des Weltmarktführers : Toyotas Erfolgsmethoden. Frankfurt am Main: Campus Verlag, 2013.
  • /5/ Ward, Allen C. ; II, Durward K. Sobek: Lean Product and Process Development, 2nd Edition. NC: Lean Enterprise Institute, 2014.

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