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Business Cases von IT-Projekten: Was bedeutet “Wert”? (Teil 3)

Damit ist gemeint: Jedes IT-Projekt muss einen Wert liefern, aus dem heraus es sich rechtfertigt. Aber was verstehen wir unter dem Begriff „Wert“?

Wolf hat in zwei Beiträgen geschrieben, dass der Wert von Projekten abhängig von der Unternehmenskultur ist (/1, 2/). Dem stimme ich zu. Allerdings ist Wolf mir, wie immer, mehrere Schritte voraus. Bevor wir über den Bezug zur Kultur sprechen, brauchen wir ein solides Verständnis von Wert.

Liefern (agile) Projekte per se Wert?

In dieser Woche hat Glen Aleman in seinem Blog darauf hingewiesen, dass viele Leute, besonders im agilen Bereich, zu locker mit dem Begriff Wert umgehen. Er verweist auf eine Literaturrecherche von Racheva et al. /4/, die in der Literatur bisher (zumindest bis 2008) keine vernünftige Definition von Business Value (im agilen Umfeld) gefunden haben. Zudem konnten sie keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen agilen Praktiken und Wert finden.

Mich wundern diese Ergebnisse nicht. Zwar war die Recherche auf agile Projekte beschränkt. Bei anderen Herangehensweisen vermute ich jedoch ähnliche Ergebnisse.

Glen Alleman schreibt weiter, dass der Wert (egal, wie man ihn misst) nicht unabhängig von den Kosten und von dem Zeitpunkt der Lieferung betrachtet werden kann. Es spielt durchaus eine Rolle, wie viel man für einen bestimmten Wert bezahlen muss und wann man vom Wert profitieren kann. Um über ein Projekt (Start, Fortsetzung, Abbruch) zu entscheiden, braucht man diese Informationen als Bezugspunkte.

Wert wird durch verändertes Verhalten erzeugt

Welchen Wert liefert ein Maler, wenn er eine Eingangshalle streicht? Ist er agiler, wenn er eine Rolle statt eines Pinsels nimmt? Ist seine Arbeit dann wertvoller? Diese Fragen sind sinnlos. Die relevante Frage ist: Welchen Nutzen hat sein Auftraggeber von einer schönen Eingangshalle?

Vielleicht gehört die Eingangshalle zu einem Hotel. Viele Hotelgäste, die spontan ein Zimmer in der Gegend buchen wollten, haben sich gegen das Hotel entschieden, weil die Halle einen schäbigen Eindruck machte (obwohl die Zimmer sehr schön sind). Durch den Anstrich macht die Halle nun einen besseren ersten Eindruck und mehr Gäste buchen ein Zimmer.

Das Projekt "Eingangshalle streichen" führt zu einem geänderten Verhalten von Personen (hier den potenziellen Hotelgästen). Diese Änderung hat einen Wert.

Am besten und sehr ausführlich haben dieses Konzept John Ward und Elizabeth Daniel von der Uni Cranfield in ihrem Buch "Benefits Management" (/5/) beschrieben.

Lässt sich Wert messen?

Was ist nun der Wert, den die schöne Eingangshalle liefert? Sicherlich lässt sich der Wert nicht exakt bestimmen. Statt mit einer einzigen Zahl rechnen wir in solchen Fällen besser mit Bändern (von ... bis ...). Im Beispiel überlegt sich der Auftraggeber, dass vielleicht 0-10 Gäste mehr pro Tag kommen (mit einem Durchschnitt von 4 Gästen mehr pro Tag). Diese Anzahl multipliziert er mit den zusätzlichen Erlösen. Er betrachtet dabei den Zeitraum, über den sich das ganze rechnen soll.

Es ist nicht immer ganz einfach den Wert auszurechnen. Aber es ist möglich. Hier können wir auf die Logik von Douglas Hubbard aus /6/ zurückgreifen: Wenn die Entscheidung über das Projekt wichtig ist, müssen die Konsequenzen beobachtbar sein. Wenn man sie beobachten kann, kann man sie messen und ggf. sogar in finanziellen Werten ausdrücken. Hubbards Buch bietet dafür eine gute Anleitung.

Mit diesem Wert kann der Auftraggeber nun die Kosten des Malers vergleichen.

Zusammenfassung

Ein Projekt (egal ob Software oder eine Innovation) liefert einen Wert, wenn sich nach dem Projekt ein Verhalten bei bestimmten Personen ändert. Die Verhaltensänderung muss beobachtbar sein, wenn das Projekt für die Organisation wichtig ist. Wenn sie beobachtbar ist, lässt sie sich auch messen.

Die wesentlichen Punkte zum Thema "Wert durch IT-Systeme und Software" und relevante Literatur haben wir in einem eigenen Dokument auf der Webseite vom Common Sense Team zusammengefasst: http://www.commonsenseteam.de/downloads/

Anmerkungen

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