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Mehr Wert schaffen

Im Wirtschafsleben geht es darum, Mehrwerte zu schaffen. Logisch. Aber warum handeln wir so oft nicht danach?

Zeichnung vom Autor


Kürzlich war ich in einer Verhandlung involviert, in der es um die konkrete Ausgestaltung einer Kooperation ging. Es herrschte gegenseitige Sympathie oder zumindest freundliche Wertschätzung der Kompetenzen und Möglichkeiten des jeweilig anderen. 

Schnell war man sich einig, dass man zusammenarbeiten wolle, denn dem Projekt wäre das zuträglich und alle Beteiligten sahen im gemeinsamen Engagement Vorteile für sich - die klassische Win-Win-Situation. Das, was man Mehrwert nennt.

Das Vorgehen war schnell abgesprochen: Wer macht wann was, wer hat welche Aufgaben. Ebenso schnell war auch der größere vertragliche Rahmen einvernehmlich gefunden: Mit welchem Ziel und wie wird die Zusammenarbeit organisiert, und - auch das natürlich wichtig: zu welchem Tagessatz. 

Die Ausarbeitung des Vertragswerks, so schien es, eine Formalie. Entwürfe wurden ausgetauscht, Nachfragen gestellt, Antworten gegeben, Bitten geäußert, Anpassung vorgenommen.

Tragisches Verhalten


Doch dann geschah etwas Unerwartetes: Es setzte ein Ringen um wenige kleine, ja fast schon unscheinbare Vertragsdetails ein. Argumente wurden ausgetauscht, Positionen erläutert. Der Prozess wurde zäh und kam ins Stocken bis eine Partei verkündete: „Ich verhandele diese Dinge nicht“. 

Nach einigem hin und her erkannte man schließlich, dass eine Basis für eine Zusammenarbeit nicht gegeben ist. Man ging auseinander, die Zusammenarbeit implodierte. Und mit ihr der Mehrwert, der eben noch zum Greifen nah war.
 


Ein solcher Ablauf ist vermutlich sehr typisch und kommt täglich tausendfach vor. Doch wie kommt es dazu? 

Warum scheitern hoffnungsfroh gestartete Kooperationen, die den so wichtigen Mehrwert versprechen, ausgerechnet am Feilschen um unbedeutende Kleinigkeiten, wo man doch überzeugt ist, so viel Größeres schaffen zu können? Ist das nicht paradox, ja geradezu tragisch?

In Verhandlungen stehen zwar Bedingungen im Vordergrund, in Wirklichkeit aber wird ein gemeinsames Wertesystem ausgelotet, das das Fundament für die Zusammenarbeit ergibt und durch konkrete Regelungen sichtbar wird. Dieses System ist der eigentliche Motor jeder Geschäftsbeziehung. 

Zeichnung vom Autor


Denn es regelt, worauf der Fokus in der Zusammenarbeit liegt, also was alle Beteiligten als wichtig erachten. Bleibt hier ein bedeutender Wert eines Beteiligten unberücksichtigt oder wird er auch nur verletzt, schwindet seine persönliche Motivation zur Kooperation. 

Dahinter liegt die sehr konkrete und nachvollziehbare Frage: Warum sich mit jemanden einlassen oder sogar für jemanden einsetzen, der wichtige Bedürfnisse von mir missachtet?

Kommt diese Frage auf, ist die Basis für eine gute Zusammenarbeit von vornherein mindestens bröcklig. Die Wahrscheinlichkeit ist dann sehr hoch, dass nicht alle mit dem größtmöglichen Eifer zu Werke gehen oder gar das gesamte Werk sabotieren. 

In diesem Falle ist gut, wenn man von einer Zusammenarbeit möglichst bald absieht. Man vermeidet ungute Entwicklungen.

Zeichnung vom Autor

Wer prüfen möchte, ob Kooperation erfolgreich sein können, fragt sich deshalb, ob die Wertesysteme aller Beteiligten unter einen Hut zu bringen sind und ob die wichtigsten Bedürfnisse der Gruppe erfüllt sind. 

Nur: Wie? Wissen wir denn überhaupt, was uns selbst wichtig ist? Und Hand aufs Herz: Hat uns denn schon jemals interessiert, was unseren Geschäftspartner wirklich antreibt? Gehen wir nicht allzu oft automatisch davon aus, dass es alleine ums Geld geht? Wie oft erlauben wir uns, nach anderen, vielleicht sogar wichtigeren Beweggründen zu fragen?

Tu, was man dir sagt!


Es ist zu befürchten, dass uns hier ein jahrhundertealtes, tief verwurzeltes kulturelles Handlungsmuster auf die Füße fällt: Der Zwang. 

Tief haben wir verinnerlicht, dass belohnt wird, wer tut, was man ihm sagt. Dieses Muster lernen wir überall dort, wo von uns ein spezifisches Verhalten eingefordert wird, also besonders in Ausbildung, Familie und Beruf. 

Zeichnung vom Autor


Durch das Einüben dieses Verhaltens lernen wir allerdings, dass es normal und richtig ist, Druck auszuüben (Belohnung oder Bestrafung), um zu einer Handlung zu bewegen. Wir lernen, dass andere uns belohnen oder bestrafen dürfen und dass wir das - je nach Stellung, Position und Situation - auch tun dürfen. 

Weil es ein in unserer Welt so vorherrschendes kulturelles Muster ist, hinterfragen wir dies so gut wie nie. Und wir fragen auch nicht nach besseren Methoden, jemanden zu motivieren (es gibt sie).

 
 So wie wir das System "Belohnen/Bestrafen" meist vollkommen unkritisch übernehmen, integrieren wir ebenso unreflektiert die Werte aus den Systemen, deren Teil wir sind: Familie, Bildung, Beruf. 

Die heißen manchmal Liebe und Nächstenliebe und im Ausbildungs- und Berufskontext auch oft: Wettbewerb, Leistung, Status. 

Ob wir mit all diesen Werten übereinstimmen, diese Frage wird uns selten gestellt und so fragen wir uns auch so gut wie nie: Was ist mir persönlich wichtig - jetzt und ganz allgemein? 

Mit großer Wahrscheinlichkeit tun wir dadurch konkret Dinge, die uns in unseren Möglichkeiten begrenzen, z.B. wenn wir in Verhandlungen bewussst oder unbewusst mehr Wert auf Status legen ("Ich lasse mir als Auftraggeber keine Zahlungsziele diktieren.") statt auf ein erfolgreiches Miteinander ("Was braucht jeder von uns, um das Ding möglichst gut zum Fliegen zu bekommen?").

Das kostet. Denn Arbeiten unter Zwang baut automatisch Widerstände auf. Die Folge: Mehr Energie, Zeit und Geld wird verbraucht und zu all dem Übel wird auch noch die kreative Leistungsfähigkeit geschmälert. Der Mehrwert wird dadurch maximal eingeschränkt oder – wie das Eingangsbeispiel zeigt – sogar völlig unmöglich gemacht.

Zeichnung vom Autor
Wer Kooperationen anstrebt, betrachtet Zusammenarbeit deshalb am besten als das, was sie im Idealfall ist: Ein Zusammen-Spiel, das alle Beteiligten spielen und deshalb auch Spaß haben wollen. 

Als Spiel, bei dem die Regeln immer wieder neu und gemeinsam vereineinbart werden. 

Als Spiel, in dem alle ihr Bestes geben können und das auch möchten, weil sie für sich einen persönlichen Sinn darin sehen. 

Wer Kooperationen anstrebt, konzentriert sich auf das Wesentliche, das große Ganze, das Schaffen von Mehrwert, das Zusammenwirken aller Kräfte, mit dem Ziel, ein für alle (!) möglichst gutes Ergebnis hervorzubringen. 

Wer Kooperationen anstrebt, glaubt am besten daran, dass alle Menschen nach Möglichkeit ihr Bestes geben und dass alle Menschen eines vereint: Sich selbst mit allen Möglichkeiten, Talenten, Wünschen und Bedürfnissen einbringen und ein möglichst gutes Ergebnis erzielen zu wollen. 

Wer Kooperationen anstrebt, sorgt nach Kräften dafür, dass keiner verliert, sondern alle möglichst viel gewinnen.

Kooperation sollte an Schulen und Unis unterrichtet werden!


Alle Teamworkblog-Posts von Edgar Rodehack.

Edgars eigener Blog: www.trellisterium.de
Edgars Podcast: trellisterium.podbean.com 

Edgar Rodehack ist Teamwork-Enthusiast mit einem Faible für agile Formen der Zusammenarbeit. Da trifft es sich natürlich gut, dass er das beruflich macht. Er ist Organisationsberater, Business und Agile Coach, Teamentwickler und Moderator. Außerdem ist er ein Mensch mit Frau und drei Kindern, der viel Spaß am Musikmachen, Schreiben und Lesen hat. Mehr über ihn: www.rodehack.de


Literatur

  • Bauer, Joachim: Prinzip Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren. Hamburg 2006
  • Axelrod, Robert: Die Evolution der Kooperation. Berlin 2009. 
  • Hüther, Gerald: Die Evolution der Liebe. Was Darwin bereits ahnte und die Darwinisten nicht wahrhaben wollen. Göttingen, 2012.
  • Kohn, Alfie: Punished by Rewards. Orlando, , 1999.
  • Nowak, Martin A., Highfield, Roger: Kooperative Intelligenz. Das Erfolgsgeheimnis der Evolution. München 2013.   
Hier klicken für alle Artikel von Edgar Rodehack.



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