Direkt zum Hauptbereich

Wo kann die IT noch sparen? - Wie Prozessverbesserungen nach Visible Ops uns Zeit (und Geld) geben

Mein Herz schlägt für die IT. In mir steckt ein Entwickler. Ich liebe es, Kundenprobleme mit Software zu lösen, Programme zu schreiben und auszuprobieren, ob sie funktionieren. Ich genieße es neue Software zu suchen und auszuprobieren. Mir macht es Spass, einen Lieferantenpitch und Business Cases für neue Unternehmenssoftware vorzubereiten. 

Aber was sehe ich, wenn ich in verschiedene IT-Abteilungen von Unternehmen blicke: Sparen an allen Ecken und Enden. Viele Leute haben das Unternehmen verlassen. Die übrigen sind damit beschäftigt, die Systeme am Laufen zu halten. An neue Systeme oder neue Projekte ist gar nicht zu denken. Keine Zeit, kein Geld, kein Managementinteresse. Gibt es denn nichts, was etwas Linderung verschafft? Doch, und zwar von jemandem der gar dachte, dass sein Tool dafür zum Einsatz kommt.

Wenn wir an Prozessverbesserungen in der IT (oder allgemein im Dienstleistungsbereich) denken, fallen uns Stichworte wie ITIL oder CMMI ein. Bei den meisten lösen diese Worte eher schlechte Gefühle aus: zu aufwändig, zu teuer, zu bürokratisch, nur für Großunternehmen, lange Projekte ohne Mehrwert usw.

Die Idee, Abläufe in der IT zu klären, um mehr Zeit für die wichtigen Dinge zu bekommen, finde ich ja richtig. Aber ich suche nach Wegen, die sich praktisch selbst finanzieren. Bei ITIL und CMMI sieht es immer so aus, als bräuchte man erstmal ein paar hundert Personentage, bis wir die Erleichterung merken.

Nicht so bei Visible Ops /1/. Irgendwie bin ich vor ein paar Jahren auf dieses Buch von Gene Kim, George Spafford und Kevin Behr gestoßen. Die Autoren haben ein paar Jahre lange verschiedene IT-Abteilungen beobachtet.

Wie ein Internetwurm das Change Management verbesserte

Das war vor allem für Gene Kim interessant. Ein Paper von Dr. Spafford über Internet-Würmer /2/ veranlasste ihn, zur Purdue University zu gehen und dort Sicherheitssoftware zu entwickeln /3/. Dabei entstand Tripwire, eine Software, die Änderungen am Dateisystem überwacht. So etwas ist nützlich, wenn man Veränderungen durch Viren und anderen Schadcode befürchtet.

Und nun kommt das Interessante: Gene Kim bemerkte, dass sehr gut organisierte IT-Abteilungen Tripwire dazu benutzen, um ihr Change Management abzusichern. Schadcode war nur eins von vielen Problemen. Viel häufiger war aber der Fall, dass es Systemausfälle auf Grund von technischen Änderungen gab. Das war sogar sehr häufig: Bei vier von fünf Sstemausfällen war die Ursache eine technische Änderung. Gut, dass man sich mit Tripwire nun ansehen konnte, was sich konkret geändert hatte und welche Daten man wiederherstellen muss.

Als diese IT-Abteilungen das herausgefunden hatten, war klar, was die beste Reaktion auf Systemausfälle ist: Nicht lange analysieren, sondern erst den letzten Change zurücknehmen. Das System läuft vorerst wieder und die IT hat Zeit, sich den Fehler genauer anzusehen.

Damit haben die IT-Abteilungen Zeit gewonnen und Stress reduziert. Diese Zeit haben sie in das Automatisieren gesteckt. Sie haben mit den Werkzeugen, die sie hatten, Skripte erstellt, die Changes automatisch verteilen aber auch wieder schnell zurücknehmen. Das hatte einen weiteren Vorteil: Die Spezialisten, die ja selten Zeit haben, brauchen sich nicht mehr um Standardänderungen zu kümmern. Sie nehmen sich nun die wirklich schwierigen Fälle vor.

Es gab noch eine weitere Verbesserung: Das Team hatte nun Zeit, über anstehende Änderungen zu sprechen. Change Management bedeutet nicht, jeden Change abzublocken. Sondern es geht darum, gemeinsam zu überlegen, ob an alles gedacht wurde, was schief gehen kann, damit man besser vorbereitet ist. Standardchanges wurden automatisch freigegeben. Wieder Zeit gewonnen.

Lohnt sich VisibleOps?

Das Visible Ops Handbook beschreibt diese Schritte gut und verständlich. Beim Lesen wird sofort klar, dass ein Umsetzungsschritt den nächsten zeitlich finanziert ("self-fueling steps"). Aber wie groß ist die Ersparnis? Gene hat auf der Velocity-Konferenz im Juni 2011 die Unterschiede aufgezeigt /4/. Im Vergleich zum normalen (chaotischen) Vorgehen können IT-Abteilungen mit Visible Ops mehr erreichen:
  • 6mal mehr Systeme betreuen
  • 8fache Anzahl an Projekten und IT-Services
  • der Anteil der ungeplanten Arbeitszeit geht von 35-40 % auf unter 10 % zurück
  • 10mal kürzere Reparaturzeit bei kritischen Systemausfällen
Große Ersparnis bei relativ wenig Aufwand. Zudem muss man keine teuren Tools kaufen.

Was würde ich mit der gesparten Zeit machen? Hier sind meine Ideen:
  • Mehr Zeit beim Kunden verbringen, um die Probleme besser zu verstehen, die ich mit Software lösen kann.
  • Meine teuren Systeme ansehen und prüfen, ob ich sie durch billigere ersetzen kann
  • Mit anderen IT-Abteilungen aus der Branche treffen/vernetzen
  • Zu normalen Zeiten nach Hause gehen :-)
Wie man Visible Ops im Team umsetzt, ist Inhalt für einen weiteren Teil.

Update vom 21.02.2014: Eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Schritte bei Visible Ops gibt auf der Seite von WikiSummaries (siehe http://www.wikisummaries.org/Visible_Ops). 

Anmerkungen

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Die Profi-Tools im Windows-Explorer

Haben Sie bei der Urlaubsvertretung sich manches Mal geärgert, wenn Sie Dateien gesucht haben, die ein Teammitglied abgelegt hat? Die Suche im Explorer funktioniert tadellos, aber manchmal sollte man den Suchbegriff noch ein bisschen genauer fassen können. Z.B. mit UND oder ODER oder NICHT... Das geht so einfach, dann man von alleine kaum drauf kommt:

6 Tabletten, mit denen ihr euer SAP-Team jeden Tag gesünder macht

Montagmorgen. Das erste Meeting. Eigentlich sollten alle entspannt aus dem Wochenende kommen. Oder? Nicht wirklich. Freitag war kein guter Tag im Projekt. Die Deadline wurde zum zweiten Mal gerissen. Dementsprechend ist die Stimmung heute … kacke. Keiner will schuld sein. Claudia weiß genau, woran es lag: Peter hat die funktionale Spezifikation nicht früh genug fertig gehabt. Sie konnte demnach nicht früh genug mit der Entwicklung starten. Und Peter sieht die Schuld bei dem anderen Team. Er sei schließlich abhängig von denen gewesen. Und schon geht es los: das „Im-Kreis-der-Rechtfertigungen-drehen“. Statt Lösungen zu finden, wird hier nach noch mehr Problemen gesucht.  Diese Projektsituation habe ich leider schon häufig in SAP-Implementierungsprojekten erlebt. Ich kann das mittlerweile schwer ertragen. In meinen ersten Projekten habe ich, offen gestanden, noch oft gedacht: „Vielleicht müssen wir das Problem noch genauer analysieren.“ Heutzutage sehe ich das ganz anders. Ich habe ke...

Was macht ein agiles Project Management Office (PMO)?

Was macht eigentlich ein Projektmanagementoffice, insbesondere wenn es auch agile Projekte in der Organisation gibt? Muss man es abschaffen, wenn alle Projekte agil umgesetzt werden? Was machen die Personen, die im PMO tätig sind? Hier ist ein Vorschlag für eine agile Ausgestaltung eines PMO.

Scrum: eine Zeitleiste der Ideen

Das erste Scrum-Team wurde im Jahr 1993 gegründet. Aber die Ideen dahinter folgen einer längeren Tradition. In diesem Beitrag stelle ich eine Zeitleiste vor.

Microsoft Teams: Die neuen Besprechungsnotizen - Loop-Komponenten

  Haben Sie in letzter Zeit in einer Teams-Besprechung die Notizen geöffnet? Dort sind inzwischen die Loop-Komponenten hinterlegt. Die sind zwar etwas nützlicher als das, was zuvor zur Verfügung stand. Trotzdem ist noch Luft nach oben. Und es gibt sogar einige ernstzunehmende Stolperfallen. Hier ein erster, kritischer Blick auf das was Sie damit tun können. Und auch darauf, was Sie besser sein lassen.

Kategorien in Outlook - für das Team nutzen

Kennen Sie die Kategorien in Outlook? Nutzen Sie diese? Wenn ja wofür? Wenn ich diese Fragen im Seminar stelle, sehe ich oft hochgezogene Augenbrauen. Kaum jemand weiß, was man eigentlich mit diesen Kategorien machen kann und wofür sie nützlich sind. Dieser Blogartikel stellt sie Ihnen vor.

Rebellieren für den Wandel: die 8 Regeln des totalen Stillstandes von Prof. Dr. Peter Kruse

In einem legendärem Vortrag skizzierte Peter Kruse 8 Regeln des totalen Stillstands. Ihm zufolge wurden die Regeln entwickelt, um Managern und Führungskräften dabei zu helfen, Bereiche mit potenziellem Widerstand gegen Veränderungen zu erkennen und Menschen auf strukturierte Weise durch den Veränderungsprozess zu führen.

Das Ubongo Flow Game

Spiele bieten eine gute Gelegenheit, zeitliche Erfahrungen zu verdichten und gemeinsam zu lernen. Karl Scotland und Sallyann Freudenberg haben im Mai 2014 das Lego Flow Game veröffentlicht. Wir haben die Spielidee übernommen, aber das Spielmaterial gewechselt. Statt Legosteinen benutzen wir Material aus Grzegorz Rejchtmans Ubongo-Spiel. Hier präsentieren wir die Anleitung für das Ubongo Flow Game.

Klartext statt Konsens - wie Meetings wieder was bewirken

Bessere Kommunikation ist Lippenstift fürs Protokoll. Kennst Du das: Das Meeting läuft, Energie ist da, der Knoten platzt - und jemand sagt: "Wir müssen besser kommunizieren!" Alle nicken. Jemand schreibt's auf. Und was passiert damit?  Nichts . Warum? Weil "besser kommunizieren" keine Handlung ist. Genauso wenig wie: "mehr Verantwortung übernehmen", "offener Feedback geben", "konstruktiver diskutieren", "proaktiver sein", "mehr miteinander reden", "transparenter werden", "Verständnis füreinander zeigen". Alles klingt gut. Aber ohne Klartext bleibt’s ein Vorschlag - nett im Protokoll, aber ohne Effekt auf den nächsten Arbeitstag. Kein konkreter Schritt, keine sichtbare Veränderung. Keiner der's macht. Es ist eine gute Absicht ohne Konsequenz. Wir haben kein Problem Verbesserungen zu identifizieren.   Die wahre Herausforderung ist selten das Finden von Verbesserungen. Es ist das Konkretisie...

Nie wieder Ärger mit Besprechungsserien in Outlook

Erstellen auch Sie Besprechungsserien in Outlook? Ärgern auch Sie sich manchmal darüber, wenn Sie etwas zu ändern haben? Falls nicht, versenden Sie entweder keine wiederkehrenden Outlook-Besprechungen (Serienterminen). Oder Sie ändern nie etwas daran. Dann ist dieser Artikel nichts für Sie. Lesen Sie aber bitte weiter, falls Sie sich schon immer mal gefragt haben, ob es eine Lösung gibt?